Als Petrus Christus Jesus fragte: „Herr, wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist's genug siebenmal?“ gab der Meister eine Antwort, welche eine Norm zur Verzeihung feststellte, die von der Welt nur langsam angenommen wird. „Ich sage dir: Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.“ Das menschliche Gemüt hat sich immer gegen diese Norm gesträubt. Es möchte nach dem Maße vergeben das mit seinem eigenen Sinn von Wichtigkeit übereinstimmt und glaubt dann genügend vergeben zu haben. Wenn wir aber je vollkommen sein müssen, gleichwie unser Vater im Himmel vollkommen ist, in anderen Worten, wenn wir je die ganze und vollständige Erlösung gewinnen wollen, müssen wir hier und jetzt lernen worin wahre Vergebung besteht.
Eigentlich versteht das fleischliche Gemüt gar nicht was Vergebung bedeutet. Was es Vergebung nennt ist einfach Entschuldigung, und seine Vergebung ist gewöhnlich der Ausdruck seiner eigenen Annahme von Selbstgerechtigkeit. Das Verständnis, daß der in Gottes Bild und Gleichnis erschaffene Mensch der einzige Mensch ist den es gibt, und daß er, als solcher, unmöglich sündigen kann, weshalb es in Wirklichkeit gar nichts zu entschuldigen gibt, ist wahre Vergebung. Das was man zu bekämpfen hat ist eine Lüge, ein falscher Anspruch, der uns verführen möchte an die Existenz eines schlechten, ungerechten und unliebenswürdigen Menschen zu glauben. Aber kein solcher Mensch hat je existiert aus dem guten und triftigen Grunde: weil ein solcher nie erschaffen worden ist. Die Erkenntnis dieser Tatsache wird einen befähigen das Falsche vom Wahren zu trennen, die sterbliche Nachahmung von dem von Gott erschaffenen Menschen, und in dem Maße, als man das tut, vergibt man wahrlich. Sobald jemand anfängt das Böse als unwirklich zu sehen, beginnt er zu vergeben wie auch ihm vergeben wird; denn er hat in gewissem Grade angefangen das göttliche Gemüt wiederzuspiegeln, und die ganze Schöpfung so zu sehen, wie Gott sie sieht. Man kann wirklich sagen, daß Gott, Prinzip, das göttliche Gemüt, immer vergibt, oder eher, daß Er die Vergebung ist; denn Er kennt die Wahrheit über Seine Schöpfung immer. Wenn das des Vaters Stellung gegenüber dem Menschen ist, sollte es nicht auch unsere Haltung gegeneinander sein?. Wer unter uns würde sich des Gedankens freuen, Gottes Vergebung sei, wenn es uns anbetrifft, begrenzt? Wer unter uns möchte glauben, daß Er das Nicht-Ideale angenommen und es wahr genannt habe? Aber tun wir das nicht beständig gegenüber unseren Mitmenschen?
In ihrem Buch „Miscellaneous Writings“ (S. 129) schreibt Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christian Science: „Die erste Aufgabe die man hat, ist sich selbst kennen zu lernen; hat man das getan, wird man natürlich, durch Gottes Gnade, seinem Bruder vergeben und seine Feinde lieben.“ Darum kann niemand seinem Nächsten wirklich vergeben bis er sich selbst kennen gelernt, denn Eigenliebe und Selbstgerechtigkeit werden ihn so blind machen, daß seine eigenen Fehler gering erscheinen, während seines Bruders vergrößert werden. Erst wenn er des Menschen wahre Selbstheit, als Sohn Gottes, wahrnimmt, fängt er an, in Demut und Gehorsam, den falschen sterblichen Sinn vom Menschen von seinem Begriff über seinen Nächsten zu trennen; nachdem er das getan hat, und nicht vorher, hat er seinem Nächsten vergeben. In dem Grade als man gelernt hat wahrhaft zu vergeben, hat man das Gemüt Christi in sich und ist in diesem Grade ein Welterlöser geworden. Die Christian Science gibt der Menschheit diesen unschätzbaren Segen wahren geistigen Bewußtseins. Sie zeigt Männern und Frauen wie man nicht nur siebenmal vergibt, sondern siebzigmal siebenmal, weil sie sie lehrt die göttliche Natur wiederzuspiegeln. Göttliches Lieben wird nicht nach menschlichem Verdienen bemessen. Seine Vergebung gegen seinen Bruder zu begrenzen, bedeutet darum, die unbegrenzte Liebe Gottes zu leugnen. Wenn wird unsere eigene Tafel rein haben wollen, müssen wir auch diejenige unseres Mitmenschen reinwaschen; denn wie der Apostel Paulus sagt: „Sintemal du ebendasselbe tust, was du richtest.“
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