Nichts hat dem menschlichen Geschlecht mehr Schwierigkeiten verursacht als die Gewohnheit des Nachfolgens und des Nachgefolgtwerdens. Es ist ein Fehler welcher auf der einen Seite dem Ehrgeiz und der Eitelkeit schmeichelt und auf der anderen der Schwäche und der Trägheit zusagt. Selten hat es ein menschliches Wesen gegeben, das man mit Sicherheit in eine Lage unumschränkter Autorität stellen konnte. Wo es ein solches menschliches Wesen gegeben hat, ist dieses menschliche Wesen in einem bemerkenswerten Grade durch den Christus-Geist regiert worden. Die Geschichte der Autokratien ist die Geschichte schiffbrüchiger Ehrenhaftigkeit. Mrs. Eddy verstand dies so deutlich, daß sie zweimal in ihren Botschaften an Die Mutter-Kirche, in denjenigen für 1901 und 1902, ihre Anhänger eindringlich ermahnte, ihr nur insofern nachzufolgen, als sie Christus, Wahrheit, nachfolgte. Auf Seite 34 der „Message for 1901“ schreibt sie: „Endlich, meine Brüder, harret geduldig auf Gott; vergeltet Fluch mit Segen; laßt euch nicht durch das Böse überwinden, sondern überwindet das Böse mit dem Guten; seid standhaft, seid reich im Glauben, in der Erkenntnis und in guten Werken; forschet in der Bibel und in dem Lehrbuch unserer Konfession; leistet den bestehenden Gesetzen Gehorsam, und folgt eurer Füherin nur insofern sie Christus nachfolgt,“ während sie auf Seite 4 von „Message for 1902“ sagt: „Konkurrenz im Handel, Betrug in Ratsitzungen, Unehre unter Nationen, Unehrlichkeit bei Unternehmungen, beginnen mit ‚Wer soll der Größte sein?‘ Ich wiederhole: Folgt eurer Führerin nur insofern sie Christus nachfolgt.“.
Mit einer solchen Mahnung vor der Welt könnte man glauben, daß die Leute sich vorsichtig gehütet hätten vor dem Ratgeben, und sich vorsichtig zurückgehalten davor ihren Nächsten zu sagen, was sie unter schwierigen Umständen tun sollten, kurzum, vorsichtig vor dem Versuch an Stelle des Prinzips zu treten. Ebenso möchte man sich einbilden, daß die Menschheit wachsam gewesen sei gegen das Annehmen von Beschlüssen und sich vor dem Versuch, seine eigene Verantwortung seinem Nächsten aufzuladen, gewacht und sich vorsichtig davor gehütet hätte andere für sich denken zu lassen. Die Geschichte zeigt uns einen Zustand der Dinge, der das gerade Gegenteil dessen ist. Ein jeder Mensch, der genügend Ehrgeiz, Eitelkeit und Torheit hatte, um sich ein Gefolge zu wünschen, konnte ein solches haben. Apollonius von Tyana und Alexander von Abonouteichos hatten so wenig Mühe dies zu tun, als Judas Makkabaeus oder Saulus der König. Die Leute drängten sich um Alexander und seine verzauberte Schlange, gerade wie sie Samuel dazu zwangen Saulus zum König über sie zu machen. Man wähle irgendein Jahrhundert und die Geschichte bleibt sich gleich. Lodowicke Muggleton hatte zu seiner Zeit noch mehr Erfolg als Fox, der Quäker.
Es braucht natürlich zwei um eine Partei zu machen, und man darf nicht vergessen, daß der Nachfolger vielleicht ebenso tadelnswert ist wie der Führer. Es ist schwer festzustellen, welcher von den beiden am Ende mehr leidet. Der Nachfolger verliert seine Macht der Initiative und sein Urteilsvermögen. Der Führer bildet sich allmählich ein, er sei weit mehr als der gewöhnliche Ton. Nie zeigt sich Mrs. Eddys Weisheit deutlicher als in der Beharrlichkeit, die, die mit ihr arbeiteten, zu veranlassen ihre eigene Verantwortung auf sich zu nehmen, ihre eigenen Beschlüsse zu fassen und die Folgen ihrer eigenen Handlungen zu tragen. Sie gab den weisesten Rat, kritisierte auf die hilfsreichste Weise und beleuchtete die Lage mit außerordentlichem Verständnis, doch immer nach dem Ereignis. Sie stützte die Arche ihrer Anhänger nie und schwächte nie ihre geistige Fähigkeit und ihr Urteilsvermögen, dadurch, daß sie ihnen ihre Verantwortungen von ihren Schultern genommen hätte. So verhinderte sie, insofern als es in ihrer Macht lag, das Entstehen einer Rasse von „Hirten,“ die den Stab in ihrem eigenen Interesse schwingen; die Rasse von Hirten, von denen Jesaja schrieb: „Sie, die Hirten, wissen keinen Verstand; ein jeglicher sieht auf seinen Weg, ein jeglicher geizt für sich in seinem Stande.“
Die Wahrheit der Sache ist natürlich, absolut gesprochen, daß es nur einen Führer gibt und nur einen Führer geben kann, nämlich das göttliche Prinzip; aber als Entdeckerin und Gründerin der Christian Science wurde Mrs. Eddy, durch ihr Verständnis des Christus, selbstverständlich die Führerin der Bewegung. Es war diese Wahrheit über Führerschaft, die Mrs. Eddy nie müde wurde ihren Anhängern einzuprägen. Sie wußte ganz genau was geschähe, wenn die Blinden es unternehmen würden die Blinden zu leiten. Wenn die Israeliten, in den Tagen Saulus, zufrieden gewesen wären der Führung des Prinzips zu folgen, anstatt darauf zu beharren einen menschlichen König zu haben, hätten sie sich wahrscheinlich alle ihre späteren Schwierigkeiten erspart. Aber sie hatten den Punkt noch nicht erreicht wo sie fähig waren die Bedeutung von Führerschaft zu verstehen, darum war in diesem Falle ihr Abwenden vom Prinzip, um sich der Person zuzuwenden, so unvermeidlich, wie die Folgen unvermeidlich waren. Der tierische Magnetismus der Menge veranlaßte sie Saulus zum König zu verlangen und sich dann gegen ihn zu wenden, nachdem sie ihn zum König erhoben hatten. Früher oder später scheint dieser Umschwung gegen einen menschlichen Führer beinahe unvermeidlich, weil menschliche Führerschaft in sich selbst ein Verstoß gegen das erste Gebot ist. Das soll natürlich nicht heißen, daß die Leute keinen politischen Führer wählen sollen um gewisse Aufgaben für sie zu erfüllen, oder einen Heerführer um ihre Heere zu kommandieren, oder sonst jemand dieser Art. Diese Weise der Führerschaft begrenzt sich aber auf eine einzige Regierungsphase und bringt diejenigen, die ihr unterstellt sind, nicht in die Lage ihre Gedankenfreiheit vor einer unumschränkten Autorität aufzugeben. Und selbst so ist das Schicksal von Generälen und politischen Führern eine Illustration von der Unbeständigkeit des menschlichen Denkens.
Als Mrs. Eddy ihren Nachfolgern anbefahl ihr nur insofern nachzufolgen als sie Christus nachfolgte, machte sie klar und deutlich Christus zum Führer der Christian Science Bewegung. Aber das Interesse der Welt für menschliche Führerschaft anstatt Führerschaft durch das Prinzip, war so groß, daß sie gefragt wurde, wer ihr Nachfolger sein werde. „Sie möchten vielleicht fragen,“ sagte sie, bei Anlaß einer Unterredung mit einem Korrespondenten des New York Heralds, die auf Seite 343 von „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ gedruckt wurde, „ob mein Nachfolger ein Mann oder eine Frau sein werde. Ich kann das beantworten. Es wird ein Mann sein.“ Die Antwort, die von dem Zuhörer so gänzlich mißverstanden wurde, veranlaßte später eine Bitte um Aufklärung von Seiten der Vereinigten Presse, und in Antwort auf dieses Gesuch schreibt Mrs. Eddy, in einer Erklärung, die sich auf Seiten 346–347 von „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany,“ befindet: „Das, was bleiben wird um die Jahrhunderte weiterzuführen und meinen Nachfolger zu offenbaren, ist der Mensch im Bild und Gleichnis des Vater-Mutter Gottes, Mensch der Gattungsname für Menschheit.“
Auf diese Weise macht es Mrs. Eddy ganz klar, daß der Einzelmensch Führerschaft in seinem eigenen Verständnis des göttlichen Prinzips finden muß, und daß er sie auf keine billigere Art erwerben kann. Es gibt nur einen Führer, das göttliche Prinzip, und um diesem Führer nachzufolgen, muß der Führer verstanden werden. In anderen Worten: der Anhänger muß lernen gerechtes Gericht zu richten, muß lernen wie er zwischen Wahrheit und Irrtum unterscheiden muß; denn erst wenn er diese Lehre gelernt hat, kann er wissen ob er dem Prinzip nachfolgt oder seiner Nachahmung, dem Irrtum. Der Schüler der Christian Science muß darum seine ganze Aufmerksamkeit der Bemühung widmen, die göttliche Metaphysik zu bemeistern, und dem Bestreben, ihren Lehren gemäß zu leben. Sich an diese oder jene Person wenden, bedeutet, zum mindesten, daß man Wahrheit geseiht erhält, durch die Distellation einer anderen Mentalität, was jedoch den Einzelmenschen nie von seiner eigenen Arbeit im Weinberg des Prinzips befreit. Je mehr der einzelne von Wahrheit weiß, desto unwilliger wird er sein, die Arche seines Nächsten zu stützen. Er weiß ganz genau, daß sein Nächster die Last und die Hitze des Tages selbst auf sich nehmen und tragen muß, und es wäre lächerlich anzunehmen er könne dieser Aufgabe ausweichen. „Das göttliche Wesen,“ schreibt Mrs. Eddy auf Seite 3 von Wissenschaft und Gesundheit, „muß vom Menschen wiedergespiegelt werden — sonst ist der Mensch nicht das Bild und Gleichnis des Geduldigen, Gütigen und Wahren, des Einen, der ‚ganz lieblich‘ ist. Aber Gott verstehen ist das Werk der Ewigkeit und erfordert absolute Hingabe der Gedanken, der Energie und des Verlangens.“