Das Wort „Substanz” hat für den Schüler der Christlichen Wissenschaft eine sehr bestimmte Bedeutung, die jedoch von der allgemein angenommenen ganz verschieden ist. Für gewöhnlich wird die (so genannte) Materie [Stoff]— das, was die körperlichen Sinne zu entdecken und zu zerlegen behaupten — für Substanz gehalten; doch dieselben materiellen Sinne nehmen keinerlei Kenntnis von dem Geist, den die Christliche Wissenschaft für die allein wirkliche Substanz erklärt.
Mrs. Eddy geht der Sache auf den Grund in ihrer herrlichen Erklärung des Wortes „Substanz” auf Seite 468 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”, wo sie schreibt: „Substanz ist das, was ewig und der Disharmonie und des Verfalls unfähig ist. ... Geist, das Synonym für Gemüt, Seele oder Gott, ist die einzig wirkliche Substanz. Das geistige Universum, einschließlich des individuellen Menschen, ist eine zusammengesetzte Idee, die göttliche Substanz des Geistes widerspiegelnd”. Die Worte könnten nicht verständlicher sein: Gott —Geist, Seele, Gemüt — ist Substanz, und Gottes geistiges Weltall spiegelt diese Substanz wider. Da aber Gott, der unendliche Geist, die (so genannte) Materie nicht kennt, so ist sie unwirklich,— keine Substanz.
Die Tatsache, daß der Geist die einzig wirkliche Substanz ist, sollte jedem Gedanken des Christlichen Wissenschafters zugrunde liegen. Laßt uns überlegen, wie sie ihn in mehrfacher Hinsicht beeinflußt! Zu allererst wollen wir unser Augenmerk auf das Heilen der Kranken richten, das ein so überaus wichtiger Teil seiner Arbeit ist! Der Christliche Wissenschafter beginnt nie vornehmlich mit dem Gedanken, daß er einen kranken Körper zu heilen habe. Warum? Weil er weiß, daß es in Wirklichkeit keine Substanz-Materie, keinen materiellen Leib gibt, daß das, was materieller Leib genannt wird, ein Bild im sogenannten fleischlichen Gemüt der Sterblichen ist, und weil er ferner weiß, daß Krankheit nur ein scheinbar verkörperlichter, irriger Gedanke oder falscher Glaube ist. Was tut er dann eigentlich? Er vergegenwärtigt sich die Wahrheit über die wirkliche Substanz —Gott, den Geist — und über den Menschen, die Widerspiegelung Gottes. Die Christliche Wissenschaft hat ihm geoffenbart, daß der Mensch, Gottes Ebenbild, die Substanz des Geistes, das Wirkliche oder Wahre, das Dauernde, das Ewige, das Vollkommene widerspiegelt, und diese Vergegenwärtigung zerstört, wenn sie klar genug ist, die Trugvorstellung von Krankheit. Bei der christlich-wissenschaftlichen Behandlung werden die Tatsachen des Seins, der wahren Substanz, an die Stelle der irrigen Begriffe des sterblichen Gemüts gesetzt, und da diese Tatsachen auf die Kraft der Allmacht gegründet sind, zerstören sie die irrigen Begriffe, indem sie die Kranken heilen.
Betrachten wir sodann die Wirkung eines Verständnisses der wirklichen Substanz auf die Kirchenarbeit des Christlichen Wissenschafters. Man könnte sagen, eine wahre Auffassung von Substanz sei unbedingt notwendig, ehe jemand eine solche Arbeit überhaupt übernehmen könne, sonst werden seine Bestrebungen sehr wahrscheinlich unwissenschaftlich sein. Veranlaßt der materielle Sinn mit seinen falschen Begriffen von Substanz nicht jede Frage, die an die Mitglieder der christlich-wissenschaftlichen Kirchen herantritt? Nehmen wir an, die Frage der Versorgung beunruhige sie. Wie sollten sie sie lösen? Das eine ist gewiß, daß die Lösung durch das Verständnis der wahren Substanz erfolgen muß. Und gerade in diesem Punkte sollten die Kirchen, die Geldschwierigkeiten haben, bei weitem mehr wissenschaftliche Arbeit leisten. Vergessen wir das Manna, das vom Himmel fiel und die Kinder Israel in der Wüste speiste, oder den überreichen Vorrat, dessen das Volk, das Christus Jesus nachgefolgt war, um aus seinem Munde die gnadenreichen Worte vom ewigen Leben zu hören, durch sein geistiges Verständnis teilhaftig wurde?
Die geistigen Hilfsquellen Gottes sind unbegrenzt, und diese Hilfsquellen sind uns durch das Verständnis der wahren Substanz zugänglich. Wie vollkommen muß sich doch der Meister die Wahrheit vergegenwärtigt haben, als er zu seinen Nachfolgern aller Zeiten sagte: „Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr's empfangen werdet, so wird's euch werden”! Die Materie störte seine Erkenntnis nicht, er kannte ihre Unwirklichkeit. Mit erstaunlicher Klarheit vergegenwärtigte er sich die Allgegenwart des Ideenweltalls des Geistes, das die wahre Substanz widerspiegelt. Diese Vergegenwärtigung vertrieb vollständig die Trugvorstellung von Begrenzung. Es ist ein feststehendes und unwandelbares Gesetz Gottes, daß die Vergegenwärtigung der Allgegenwart der wahren Substanz jedes rechtmäßige menschliche Bedürfnis, was es auch sei, und wo es auch in Erscheinung trete, befriedigt.
Ferner treibt heute das Verständnis von wahrer Substanz die Christlichen Wissenschafter an, die heilende Botschaft der Wahrheit ihren Mitmenschen zu bringen. Wie herrlich dies geschieht, ist aus den im August-Herold 1926 erschienenen Berichten Der Mutter-Kirche ersichtlich. Der Christliche Wissenschafter läßt sich keineswegs durch die Unwahrheit, daß Gott nicht das unendlich Gute sei, bestricken, er erlaubt sich nicht, zuzugeben, daß das Böse wirklich sei, und daß es den Strom des geistigen Verständnisses vom Guten zu den Menschen hemmen könne. Für ihn ist der Geist Substanz, die Materie oder das Böse dagegen unwirklich. Inbrünstig betet er beständig zu Gott, daß er diese Tatsache besser verstehen und beweisen möge; denn er weiß nur zu gut, daß das Heil der Welt von dem Verständnis und dem Beweis der Wahrheit der Allheit des Geistes als der wahren Substanz abhängt.
Es gibt einen weiteren Gesichtspunkt dieser Frage, der sehr hilfreich ist Paulus schrieb an die Gemeinden in Galatien: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit”. Es dünkt einen, als hätte der Apostel die geistigen Eigenschaften aufgezählt, die das Verständnis von der wahren Substanz immer begleiten müssen. Wie wünschenswert doch diese Eigenschaften im täglichen Leben aller Menschen sind! Wie herrlich es auch ist, zu wissen, daß wir in dem Maße, wie wir sie uns zu eigen machen, ein Verständnis von wahrer Substanz haben und dadurch fähig sind, die sogenannten zerstörenden Kräfte bösen Denkens kraftlos zu machen! Mit der „Frucht des Geistes” ausgestattet, sind wir zum Kampf „mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen”, gerüstet, und sind des Sieges gewiß.
Wie dankbar der Christliche Wissenschafter doch ist, daß er etwas von der Wahrheit über wirkliche Substanz hat! Was für eine Hilfe ihm diese Wahrheit in jeder Entwicklungsstufe seiner Arbeit für die Bewegung der Christlichen Wissenschaft doch ist, indem sie ihm zur Fortsetzung seiner Arbeit Mut und Geduld einflößt! Wo würde er ohne sie sein? Wieder zurück in dem Glauben, daß die Materie wirklich sei, durch ihre angeblichen Gesetze beunruhigt, ihre Erscheinungen für wirklich haltend und ohne Ausweg aus der elenden Verwirrung.
Der Christliche Wissenschafter ist unaussprechlich dankbar, daß er die Wahrheit über die Allheit des Geistes kennt. Er ist sich jedoch bewußt, daß er bestrebt sein muß zu beweisen, was er von wahrer Substanz weiß. Von diesem Wunsche beseelt, bemüht er sich, sein Leben dem Dienste der Wahrheit und der Liebe zu weihen, eingedenk der Worte im Briefe an die Hebräer: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir”,— im geistigen Bewußtsein.
