Christus Jesus hat nachdrücklicher als irgend jemand auf Erden das Sittengesetz aufrechterhalten, und zwar deshalb, weil er das geistige Gesetz besser verstand und dessen Kraft besser bewies als irgend jemand. Keinen Augenblick während seines Wirkens dachte Jesus, daß nicht alle Menschen dem Sittengesetz dauernd zu gehorchen hätten. Niemand wußte so gewiß wie er, daß Menschen und Völker ohne diesen Gehorsam untergehen müssen. Übrigens hielten schon vor dem Meister alle Seher, alle Propheten der Hebräer das Sittengesetz — das dem Mose auf dem Berge Sinai mitgeteilte Gesetz Gottes — ihrem Verständnis gemäß aufrecht; und sie warnten oft die Verächter dieses Gesetzes, um sie vor dem Untergang zu bewahren.
Jesus war dem Sittengesetz in seinem eigenen Leben treu und hielt es zum Wohle anderer aufrecht. In der Bergpredigt sagte er: „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen”. Und nicht bloß das, was man den Buchstaben des Gesetzes nennen kann, hielt er aufrecht, sondern er bestand auf der Treue gegen den Geist des Gesetzes. Dies kommt klar zum Ausdruck in seiner Auslegung des 5. Gebots: „Du sollst nicht töten”. Die Menschen dürfen dieses Gebot nicht bloß buchstäblich befolgen, erklärte er, sondern müssen es so weitgehend befolgen, daß sie den Zorn, die Leidenschaft, die sie der Vernunft beraubt und sie zu Handlungen von verbrecherischer Gewalt hinreißt, meiden.
Während aber Jesus den Wert des Sittengesetzes lehrte und auf dessen Befolgung bestand, war er auch der Hauptbefürworter des geistigen Gesetzes. Niemand kann sich in seine in den Evangelien des neuen Testaments enthaltenen Erklärungen vertiefen, ohne die Überzeugung zu gewinnen, daß er beabsichtigte, den Menschen die Wahrheit beizubringen, daß das geistige Gesetz weder verstanden noch befolgt werden kann, wenn das Sittengesetz nicht beachtet wird. Jesus faßte die zehn Gebote zusammen, als er dem Schriftgelehrten antwortete, daß „das vornehmste Gebot vor allen Geboten” vollständige hingebungsvolle Liebe zu Gott verlange und das andere, daß wir unsern Nächsten wie uns selber lieben. Kann der geringste Zweifel darüber bestehen, daß man dem ganzen Sittengesetz treu wäre, wenn man diesen Geboten des Meisters treu wäre? Das Christentum, das Christus Jesus lehrte und lebte, beruht auf dem geistigen Gesetz der Liebe, dem geistigen Gesetz, das über das Sittengesetz hinausgeht, es aber nie aufhebt.
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, fordert in ihren Schriften die Schüler der Christlichen Wissenschaft beständig zum Gehorsam gegen das Sittengesetz und das geistige Gesetz auf. In „Miscellaneous Writings” (S. 303) schreibt sie: „Sollte ich mich je im Dienste für Schüler aufreiben, so wird es in dem Bestreben sein, ihnen zu helfen, die zehn Gebote zu halten und den Geist der Seligpreisungen Christi in sich aufzunehmen”. Und so finden wir, daß die Christliche Wissenschaft beharrlich bestrebt ist, ihre Schüler über das geistige und das Sittengesetz und über die aus deren Befolgung hervorgehenden Wirkungen auf den Menschen zu unterrichten. Während Mrs. Eddy im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” die Wahrheit über Gott und Seine Schöpfung, den Menschen, mit großer Klarheit darlegt, besteht sie wie Jesus darauf, daß nur diejenigen, die reines Herzens sind, Gott schauen und Sein vollkommenes Wesen verstehen können,— daß nur diejenigen, die reines Herzens sind, den wirklichen Menschen, das vollkommene Bild Gottes, sehen und ihn im eigenen Leben zum Ausdruck bringen können.
Außerdem betonte unsere Führerin mit Nachdruck Sittenreinheit als Notwendigkeit aller, die für die von ihr gegründete Kirche, die Kirche Christi, Wissenschafter, arbeiten. Warum? Weil nur die geistig Erleuchteten und die sittlich Reinen die Heilungen, die diese Kirche kennzeichnen, Heilungen von Krankheit, Sünde, Armut, Leid, Einsamkeit, Verzagtheit — Bösem aller Art — vollbringen können. Wenn der christlich-wissenschaftliche Ausüber sittliche Fehler in einem Hilfesucher entdeckt, weiß er, daß alle derartigen Fehler gegen die unbedingte Reinheit des wirklichen Menschen gerichtete Lügen sind, und daß sie ausgetrieben — vernichtet — werden müssen, ehe Heilung stattfinden kann, gemäß der Stelle auf Seite 392 in Wissenschaft und Gesundheit: „Um ein körperliches Gebrechen zu heilen, sollte jedes übertretene moralische Gesetz in Betracht gezogen und der Irrtum zurechtgewiesen werden”.
Da der Christliche Wissenschafter den Wert reinen Denkens kennt, da er weiß, daß nur Vergeistigung des Denkens einen befähigt, die Weltlichkeit zu vernichten, jede Erscheinungsform der Sünde zu überwinden und die Kranken zu heilen, ist er eifrig bestrebt, sich von dem göttlichen Gesetz, dem Gesetz des Geistes, nicht vom Stoffgesetz, regieren zu lassen. Das bedeutet sehr viel. Es heißt, sich im Kampfe mit dem Irrtum beständig von Gott, der Wahrheit führen lassen, beständig die Wahrheit über die Wirklichkeit, über die wirkliche Schöpfung, über den wirklichen Menschen, behaupten, beständig ein körperliches sogenanntes Selbst leugnen, beständig die Macht und Gegenwart des Bösen durch das Verständnis der Allheit Gottes, des Guten, leugnen. Der Christ, der in Übereinstimmung mit der Christlichen Wissenschaft leben will, muß beständig bestrebt sein, dem Sittengesetz und dem geistigen Gesetz gerecht zu werden. Man denke aber nicht, daß deswegen das christliche Leben ein unglückliches Leben sei. Im Gegenteil, nur das Leben, das erleuchtetem geistigem Verständnis entspricht und dem geistigen und dem Sittengesetz gerecht wird, kann wahrhaft glücklich sein. Durch diese Erkenntnis ermutigt, beharrt der Christliche Wissenschafter bei seinen Anstrengungen, das Gesetz Gottes — das Sittengesetz und das geistige Gesetz Gottes — allerhaben im Leben der Menschen zu machen.
