Die Verfasserin dieser Betrachtung saß eines Tages am Fenster und las. Als sie aufschaute, fiel ihr Blick auf ein hohes Gebäude jenseits der Straße. Die Ziegelsteine und die Fensterrahmen dieses Gebäudes schienen gebogen anstatt geradlinig, und das Gebäude schwebte scheinbar in größter Einsturzgefahr. Die Beobachterin ließ sich jedoch nicht verleiten, dem Sinnenzeugnis auch nur einen Augenblick zu glauben, sondern ihr erster Gedanke war, daß in der Fensterscheibe etwas nicht in Ordnung sein müsse. Und sofort entdeckte sie einen jahrelang nicht beachteten Fehler, durch den alles entstellt aussah.
Welch treffendes Sinnbild unserer täglichen Erfahrung! Wir blicken durch die Fehler sterblichen Glaubens und sehen scheinbar einen kranken Menschen, ein krankes Geschäft, eine kranke Welt. Anstrengungen, diesen falschen Zustand auf weltliche Art zu berichtigen, sind so zwecklos, wie es das Umbauen des fraglichen Hauses gewesen wäre. Hier kommt uns die Christliche Wissenschaft zu Hilfe mit der Offenbarung, daß der Mensch und das Weltall von Gott geschaffen sind, eins mit Gott, dem Geist, sind und daher göttlich erhalten werden, göttlich gestützt und beschützt sind. Der Mensch und das Weltall sind nicht körperlich sondern geistig, fehlerfrei, vollständig und vollkommen. Die Christliche Wissenschaft enthüllt weiter, daß wir in Wirklichkeit hier und jetzt in Gottes Weltall leben, ja, ein Teil davon sind.
Wie können wir dann die Krankheit, das Unheil, das Leiden erklären, wofür die körperlichen Sinne zeugen? Wie können sie geheilt werden? Im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” legt Mary Baker Eddy die Lage in einem Satze kurz und bündig dar. Auf Seite 390 schreibt sie: „Unsre Unwissenheit über Gott, das göttliche Prinzip, bringt scheinbare Disharmonie hervor, und das richtige Verständnis von Ihm stellt die Harmonie wieder her”. Unwissenheit über Gottes wirkliches Wesen und Seine wirkliche Beschaffenheit ist also der Grundirrtum, der für alle Leiden und Sorgen der Menschen verantwortlich ist. Es gibt keinen einzigen Schüler der Christlichen Wissenschaft, der nicht in gewissem Maße bewiesen hat, daß dies wahr ist, und der demgemäß bewiesen hat, daß sein Leben in dem Maße glücklicher und gesünder geworden ist, wie sich seine Vorstellung von Gott geklärt und vergeistigt hat.
Ein wenig Selbstprüfung wird besondere durch Unwissenheit über Gott entstandene Fehler aufdecken, die jeder Mensch aus seinem Denken entfernen muß, wie Furcht, Verzagtheit, Undankbarkeit, Zweifel, Neid, Eifersucht, Ehrgeiz, Stolz, den Glauben an viele Gemüter und andere hinterhältige Annahmen des fleischlichen, sterblichen sogenannten Gemüts. Man sollte ja nicht vergessen, daß diese Mängel nicht zum wirklichen Wesen oder Selbst des Menschen gehören.
Als Christliche Wissenschafter müssen wir uns täglich und stündlich die geistige Tatsache der Allheit Gottes und der Gegenwart und der Vollkommenheit Seines Weltalls ins Gedächtnis rufen; denn die Bestrickung der sterblichen Annahme scheint so beharrlich, daß wir oft unwillkürlich für die Heilung eines widrigen Zustandes arbeiten anstatt die Fehler falschen Glaubens zu beseitigen. Und das Ergebnis eines solch irrigen Vorgehens muß notgedrungen verzögerte Heilung sein.
Sich klar machen, daß Gottes Werk vollkommen ist, ist schon gut; aber es ist etwas ganz anderes, die Fehler der falschen Annahmen darüber zu beseitigen. Mag auch, wie in dem berichteten Falle, der Beobachter noch so fest überzeugt sein, daß das Haus in Ordnung ist und keiner Ausbesserung bedarf, so bleibt doch scheinbar die Unvollkommenheit, solange die fehlerhafte Fensterscheibe bleibt. Diese entfernen und eine fehlerfreie einsetzen würde aber Arbeit erfordern, und zwar müßte man erstens wissen, wie vorzugehen, zweitens die nötigen Werkzeuge haben, drittens ein fehlerfreies Stück Glas beschaffen und dieses schließlich einsetzen. Erfordert das Berichtigen unseres Denkens nicht ganz ähnliche Vorgänge?
Wie man beim Überwinden falschen Glaubens durch geistiges Verständnis vorzugehen hat, lernt man durch andächtiges Sichvertiefen in die Bibel, in Wissenschaft und Gesundheit und in die anderen Schriften der Mrs. Eddy. Auf Seite 495 in Wissenschaft und Gesundheit gibt unsere Führerin den Rat: „Studiere den Buchstaben gründlich, und nimm den Geist in dich auf”. Der ernste Schüler lernt bald einsehen, daß man den vollen Inhalt dieser Bücher nicht in einem Tage, in einem Monat oder einem Jahre erfaßt, sondern daß man die köstliche Perle geistigen Verständnisses nur durch beständiges tägliches Eindringen erwirbt. Wie dankbar müssen wir Gott sein für die unserer gesegneten Führerin geoffenbarte Wahrheit und für ihre göttlich eingegebenen Schriften, die die Bibel erleuchten und den Weg weisen, jedem menschlichen Übel zu entrinnen!
Paulus schreibt: „Die Waffen unsrer Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott, zu zerstören Befestigungen”. Diese „Waffen” oder Werkzeuge sind die geistigen Eigenschaften Liebe, Freude und Dankbarkeit im Verein mit Demut, Weisheit, Ausdauer, Geduld, sittlichem Mut und geistiger Stärke. Sie sind durch ernste Anstrengung und unerschütterliches Streben zu erwerben, durch Hingebung, durch jene selbstlose Liebe zu der Wahrheit, die auf weltlichen Gewinn verzichtet und das Kreuz auf sich nimmt, um die Krone zu gewinnen.
Hierdurch erlangen wir die himmlische Eingebung, die unser Herz, unser Leben und unsere Neigungen erleuchtet und das geistige Verständnis verleiht, wodurch wir Gottes fehlerfreies, vollständiges und vollkommenes Weltall sehen. Der Apostel Johannes schreibt im Buche der Offenbarung, daß er „einen neuen Himmel und eine neue Erde” sah. Dies erläuternd schreibt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit (S. 573): „Dieses Zeugnis der Heiligen Schrift erhält die Tatsache in der Wissenschaft aufrecht, daß Himmel und Erde für das eine menschliche Bewußtsein, nämlich für das Bewußtsein, das Gott verleiht, geistig sind, während für das andre, für das unerleuchtete menschliche Gemüt, die Vision materiell ist”.
Paulus schreibt: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin”, und: „Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbe Bild von einer Klarheit zu der andern, als vom Herrn, der der Geist ist”. Diese geistige Erleuchtung bringt Heilung. Der Erneuerungsoder Umwandlungsvorgang beginnt mit unserer ersten schwachen aufrichtigen Anstrengung, die in der Christlichen Wissenschaft geoffenbarte Wahrheit anzuwenden, und er wird fortdauern, bis jede Unvollkommenheit des sogenannten fleischlichen Gemüts entfernt ist und nur der Mensch Gottes erkannt wird.
