Im Strahlenglanze ihres Schönheit, in der Leichtigkeit und der Fülle ihres Wachstums versinnbildlicht die Natur die Größe der geistigen Schöpfung Gottes. Berge und Wälder, flammend rote Mohnfelder, Haine mit einem Schlüsselblumenteppich bedeckt und bis zum Rande mit Glockenblumen überflutet spotten jeder Zählung und deuten eine Unendlichkeit der Gaben an. „Schauet die Lilien auf dem Felde”, sagte Jesus, „wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist wie derselben eins”.
Mit den Verantwortungen des Lebens belastet, durch die Mühe und Unruhe der Erzeugung gebeugt, durch scheinbar übermäßige Nachfrage und ungenügendes Angebot oft fast bis zum Zusammenbrechen angestrengt, werden die Menschen mutlos und mißgestimmt. Inmitten der Überfülle der Natur verfehlen sie, deren Beispiel zu verstehen oder das wahre Mittel und Maß ihrer Vermehrung zu ergreifen. „Die ganze Natur lehrt Gottes Liebe zum Menschen”, schreibt Mary Baker Eddy auf Seite 326 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”; „aber der Mensch kann Gott nicht über alles lieben und seine ganzen Neigungen auf geistige Dinge richten, solange er das Materielle liebt und mehr darauf vertraut als auf das Geistige”.
Wenn die Menschen aufhören, das Materielle zu lieben oder darauf zu vertrauen, nimmt ihre Freude an der Schönheit des Himmels und der Landschaft, der Bäume und Blüten nicht ab, sondern zu. Jedes Gefühl der Traurigkeit, das sie zuweilen bestürmt haben mag, wenn sie die Erhabenheit und Schönheit, die sie sahen, mit dem verglichen, was der grausamen Rache und unbarmherzigen Ausbeutung böser Gemüter nicht entronnen ist, wird durch die Vision eines geistigen Weltalls verdrängt, wo nicht nur Lilien, sondern jede Idee, in größere Herrlichkeit als die Herrlichkeit Salomos gekleidet, Gottes Liebe in allumfassender Lieblichkeit bekundet.
Da die Menschen glaubten, daß die Materie Substanz und Kraft sei, haben sie ihre leiblichen und geistigen Anstrengungen der Entwicklung materieller Erzeugung gewidmet, und dies hat der Menschheit Mühe und Ungleichheit bereitet und ihr ebensoviel Unglück und Verbrechen wie Wohlstand und Fülle gebracht. Auf der einen Seite sehen wir Übermaß, auf der andern Unzulänglichkeit. Durch ihre eigenen falschen Theorien begrenzt, glauben die Menschen immer noch, daß Anhäufung der Beweis materieller Vermehrung sei, und daß diejenigen, die besitzen wollen, oft schwer darum arbeiten müssen, während sie gleichzeitig dazu beitragen, anderen, wenn auch nicht ihren Besitz, so doch ihre Freiheit und ihre Ruhe zu nehmen.
Man darf wohl annehmen, daß fast jedes Verbrechen auf Erden die Folge des Trachtens eines oder vieler Menschen ist, sich etwas anzueignen, sei es durch Diebstahl oder aus Rache, sei es mit Gewalt oder List. Dennoch, wenn nur jeder es wüßte, ist in ihm die Vermehrung alles dessen, was er zu seiner Freudigkeit, seinem Wohlergeben, seiner unermeßlichen Entfaltung braucht. Anschließend an eine Betrachtung der Unerschöpflichkeit der göttlichen Schöpfung schreibt unsere Führerin (Wissenschaft und Gesundheit, S. 508): „Aber der Same ist nur insoweit bei ihm selber, wie das göttliche Gemüt alles ist und alles erzeugt — wie das Gemüt der Vermehrer und die unendliche Idee des Gemüts, der Mensch und das Weltall, das Erzeugnis ist”. Da die Ursache unendlich ist, muß auch die Wirkung unendlich sein. Da das Gemüt der Vermehrer und der Mensch, Seine Idee, der Ausdruck dieser Vermehrung ist, wie unmöglich ist es dann, über Mangel an Erzeugung, Verzögerung in der Erzeugung oder Unzulänglichkeit im Umlauf nachzudenken! Wie unmöglich, die Allheit zu begrenzen!
„Der Wagen Gottes sind vieltansendmal tausend” sang der Psalmist. Zahllos sind die Ideen des Gemüts, die die Menschen zu ihrer Verteidigung anrufen können! Wer die Schöpfung unerschöpflich, das Gemüt und die Idee in beständiger Vermehrung sieht, sieht in jedem Bedarfsfalle, warum unsere Führerin auf die Natur hinwies, um die Menschen die Liebe Gottes verstehen zu lehren. In jener grenzenlosen Wiedererzeugung des Gemüts, das sich immer aus seiner eigenen Allheit heraus entfaltet, wird es den Menschen nie an den Tausenden von Engeln mangeln, die sie anrufen, sie zu führen, zu erleuchten und zu stärken. Was in die Herrlichkeit der Hochachtung der Welt gekleidet ist, kann sie zuweilen versuchen, sie zu leiten und gedeihen zu lassen, selbst während die Liebe, die, wie der Meister bewies, jedes menschliche Bedürfnis befriedigt, in Intelligenz und Stärke zur Verfügung steht. Wie zögernd und zugleich wie kärglich meistens das Vertrauen ist, das die Menschen willens sind, auf Gott zu setzen! Wie geneigt sie sind zu denken, daß ihre Bedürfnisse nicht befriedigt werden oder spärlich befriedigt werden, anstatt zu wissen, daß das, was zur Verfügung steht, ebenso unendlich ist wie das Gemüt!
Wer die Art des Unendlichen und dessen unmittelbare Anwendbarkeit auf alle gerechten menschlichen Bedürfnisse geistig versteht, wird nicht auf die Einflüsterung Hungersnot oder Zerstörung, Verzögerung oder Hemmung horchen; er wird den sterblichen Augenschein von wenig oder nichts, sei es Geld, Aussichten, Gesundheit oder Glück, nicht annehmen. Eingedenk der Lilien auf dem Felde, auf die Jesus seine Jünger aufmerksam machte — des Hinweises auf Gottes Liebe zum Menschen — wird er die geistige Tatsache der Schöpfung, die allein unerschöpflich, immer gegenwärtig ist, beanspruchen. In dieser bewußten Erkenntnis der Wirklichkeit — dem Samen bei ihm selber — wird er den Reichtum und die Schönheit der Schöpfung Gottes sich entfalten sehen, ausgedrückt in der ewigen Erkenntnis, daß der Mensch das unendliche Erzeugnis des Gemüts ist.
