Die oft zitierte Erklärung Christi Jesu: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist”, wird allgemein als ein Gebot ausgelegt, nach Erlangung der Vollkommenheit zu streben, weil Gott, das schöpferische Prinzip des Menschen, jetzt vollkommen ist.
Vom Standpunkte gewöhnlicher menschlicher Erfahrung aus betrachtet, in der der Mensch als unvollkommen, aber als bestrebt, vollkommen zu werden, angesehen wird, ist diese Auslegung wahrscheinlich gerechtfertigt. Betrachten wir aber den Vers von dem Gesichtspunkte aus, daß der Mensch das Bild und Gleichnis Gottes ist, so können wir Jesu Worte einfach als eine Erklärung der göttlichen Tatsache ansehen — der Tatsache, daß der Mensch jetzt der vollkommene Ausdruck des göttlichen Seins ist, vollkommen, weil das Gemüt, sein himmlischer Vater-Mutter, Gott, ihn zum Ausdruck Seiner Art schuf.
Diese Anschauung stimmt überein mit der Erklärung des Apostels Johannes: „Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, daß wir Gottes Kinder sollen heißen!” Diese Erklärung des Apostels wird durch die Lehren der Christlichen Wissenschaft bestätigt. Auf Seite 259 des Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt Mary Baker Eddy, seine Verfasserin: „Das christusgleiche Verständnis vom wissenschaftlichen Sein und vom göttlichen Heilen umfaßt als Grundlage des Gedankens und der Demonstration ein vollkommenes Prinzip und eine vollkommene Idee — einen vollkommenen Gott und einen vollkommenen Menschen”.
Wie die eingangs dieses Aufsatzes zitierte Bibelstelle auch ausgelegt werden mag, Tatsache bleibt, daß die ganze Richtung der Lehre Jesu und auch der Lehre der Christlichen Wissenschaft nicht bloß die Vervollkommnungsfähigkeit, sondern die schon feststehende Vollkommenheit des Menschen zeigt. Und auf Seite 428 des Lehrbuchs schreibt Mrs. Eddy: „Die große geistige Tatsache muß ans Licht gebracht werden, daß der Mensch vollkommen und unsterblich ist, nicht sein wird”.
Es ist in der Tat Grund zur Freude, daß der Menschheit in unserer Zeit die wissenschaftliche, göttliche, beweisbare Tatsache geoffenbart worden ist, daß der Mensch jetzt die vollkommene Idee, das Bild oder Gleichnis des göttlichen Gemüts ist und immer sein wird. Die Christlichen Wissenschafter freuen sich über diese Tatsache, die sie befähigt, die Begründungen des sterblichen Gemüts, daß das wirkliche Sein etwas anderes als der Ausdruck der Vollkommenheit sei oder je sein könnte, zurückzuweisen.
Sie wissen auch, daß der geistige Mensch, der einzige wirkliche Mensch, immer unzertrennlich von seinem göttlichen Prinzip ist; daß nichts zwischen sie treten kann, daß keine Person, kein Ding oder Umstand zwischen das Prinzip und seine Idee, zwischen Ursache und Wirkung treten kann. Das Gemüt hegt hinsichtlich seines Weltalls keine Annahme der Trennung, des Verlusts, des Mangels, der Disharmonie oder der Krankheit.
Beim Lösen einer Rechenaufgabe erwarten wir nicht, die richtige Antwort zu finden, wenn wir uns nicht an die Grundtatsachen des Rechnens halten. Niemand glaubt, diese Tatsachen schaffen oder erfinden zu müssen. Der Rechenschüler sucht einfach die Tatsachen zu wissen und auf die Lösung der Aufgabe anzuwenden. Wenn er die Tatsachen weiß und richtig anwendet, findet er die rechte Lösung.
Ebenso weiß der Christliche Wissenschafter, daß die rechte Lösung der Probleme, die sich ihm in seiner täglichen Erfahrung darbieten, dadurch zu erlangen ist, daß er von den geistigen Tatsachen, die immer bestanden haben, Gebrauch macht, und daß er, wenn er von diesen göttlichen Tatsachen in Übereinstimmung mit den Lehren der Christlichen Wissenschaft Gebrauch macht, die Lösung seines Problems, welcher Art es auch sei, findet.
Mrs. Eddy schreibt in ihrem Aufsatz „Geist und Gesetz” (Miscellaneous Writings, S. 256): „Überall, wo Gesetz ist, ist das Gemüt”. Und im nächsten Abschnitt dieses Aufsatzes schreibt sie auch: „Die Unterscheidung zwischen dem, was Gesetz ist, und dem, was nicht Gesetz ist, muß durch das Gemüt und als Gemüt geschehen”. Daher können wir sicher sein, daß das Wirken des Vollkommenheitsgesetzes nicht ein Spiel des Zufalls ist. Seine Anwendung ist untrüglich und unfehlbar. Bei seiner Anwendung auf die Probleme der menschlichen Erfahrung, ob die Probleme aus dem Verlangen nach körperlicher Heilung oder einem andern unerfreulichen Zustande zu entstehen scheinen, ist nichts nötiger als zu wissen, daß jedem, der bei dem Christus, der Wahrheit, Hilfe sucht, das immergegenwärtige, immer tätige, unwiderstehliche Gesetz des Lebens, des Geistes, des Gemüts, das immer als das Gesetz der göttlichen Vollkommenheit wirkt, zu Gebote steht.
Eine solche Versicherung ermutigt und stützt diejenigen, die das Bedürfnis haben, sich auf etwas Höheres als menschliche Hilfe zu verlassen, sie von Krankheit und Sünde zu heilen. Sie hilft denen, die Frieden und Sicherheit inmitten der Unruhe suchen, die in der Welt ist, und von der kein Mensch, keine Gruppe und kein Volk verschont zu sein scheint. „Großen Frieden haben, die dein Gesetz lieben; sie werden nicht straucheln”.
