Jeder Mensch hat, ob er es gewahr wird oder nicht, als Gottes Vertreter in sich den Geist der Prophezeiung—die Fähigkeit, die Allheit und die gegenwärtige Verfügbarkeit der göttlichen Liebe auszudrücken. Der menschliche Sinn der Prophezeiung, wie er in der Bibel zum Ausdruck kommt, ist zum größten Teil die Voraussage künftiger Ereignisse gewesen, weil die Sterblichkeit die Art und daher die dauernde Verfügbarkeit der Allgegenwart nicht gewahr wird. Die Folge dieser Unwissenheit des Seins ist die Vorhersage manchmal des Guten, manchmal des Bösen gewesen. Von der Grundlage des gefallenen Menschen und des Augenscheins der materiellen Sinne aus handelnd, ist das Denken des Menschengeschlechts selten so weit gegangen, daß es die Vollkommenheit als praktisch und verfügbar angesehen hat. Es hat unbestimmt und bedingungsweise vorhergesagt, daß der Himmel einer fernen Zukunft angehöre.
Auf Seite 593 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” legt Mary Baker Eddy das Wort „Prophet” aus wie folgt: „Ein geistiger Seher; das Verschwinden des materiellen Sinnes vor den bewußten Tatsachen der geistigen Wahrheit”. Wie Jesus in seinem Bewußtsein der geistigen Wirklichkeit so umfassend veranschaulichte, vollbringt der geistige Seher das Verschwinden der Sünde, der Krankheit und des Todes. Die Wissenschaft der Prophezeiung ist daher die Allmacht und Allgegenwart des Guten. Sie ist das Jetzt des Seins. Sie ist der beständige und ewige Augenschein der göttlichen Liebe. Sie fordert, daß die mesmerische Lüge des materiellen Sinnes auch nicht einen Augenblick angenommen werde.
Johannes hat in seiner Offenbarung viel von dem Zeugnis Jesu zu sagen. Wir lesen im 19. Kapitel, daß eine Stimme von dem Stuhl sagte: „Das Zeugnis Jesu ist der Geist der Weissagung”. Und was ist dieser Geist der Weissagung, der so machtvoll verkündigt wird? Er könnte gut in die Worte in demselben Kapitel der Offenbarung zusammengefaßt werden: „Der allmächtige Gott hat das Reich eingenommen”.
Das Zeugnis Jesu ist das schließliche Überwinden alles Bösen, der Sünde, der Krankheit und des Todes. Es ist die Regierung der Gerechtigkeit. In der Erleuchtung des Geistes ist nur das sichtbar, was die göttliche Liebe prophezeit und daher zum Vorschein bringt. Was das sterbliche Gemüt vorhergesagt und daher von seinem ersten Fluch über das von ihm selber befürwortete Adamsgeschlecht zustandegebracht hat, erweist sich als träumerisch unwirklich. Wer zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen unterscheidet, begreift die Mission Christi Jesu und den Grund, warum er der Erlöser der Menschheit genannt worden ist.
Als die Jünger, die wie ihre Zeitgenossen an eine künftige Erlösung glaubten, Jesus fragten: „Was sagen denn die Schriftgelehrten, Elia müsse zuvor kommen?”, sagte er: „Elia ist schon gekommen, und sie haben ihn nicht erkannt”. Die Erklärung dieser Antwort finden wir auf Seite 585 in Wissenschaft und Gesundheit, wo Mrs. Eddy „Elia” auslegt als „Prophezeiung; geistige Augenscheinlichkeit, die dem materiellen Sinn entgegengesetzt ist; die Christliche Wissenschaft, durch welche die geistige Tatsache von allem, was die materiellen Sinne erblicken, erkannt werden kann”. Wenn die Menschen in großen geistigen Lehrern nicht zeitliche geschichtliche Gestalten, sondern Gottes Vertreter sehen, wird die Unsterblichkeit des Guten verstanden.
Heute lernen die Menschen in der vollen Erleuchtung der göttlichen Wissenschaft verstehen, daß Elia in der Tat hier ist; daß die Tatsache der Allgegenwart des Christus, die Scheinmacht des Bösen zu zerstören und das Gute aufzurichten, in Erscheinung tritt. Täglich, stündlich werden sie kraft dieses Geistes der Prophezeiung vom Tod und von Krankheit, von Mangel und Verlust befreit. Gebieterisch ist der Aufruf, in bewußtem Einssein mit dem göttlichen Prinzip die geistige Tatsache zu behaupten; jede Vorhersage unmittelbar bevorstehenden oder künftigen Unheils zurückzuweisen, die verfinstern und ablenken würde, die aus dem Menschen keinen wahren, sondern einen falschen Propheten machen würde.
Die geistigen Seher des Alten Testaments, die das Kommen des Reichs und der Herrschaft der Gerechtigkeit voraussahen, selbst wenn es ihnen mit Ausnahme solch seltener Fälle wie Elia nicht gelang, ihre volle Wesensübereinstimmung mit seiner Macht zu sehen, nehmen einen Ehrenplatz ein. Das gilt aber nicht von den falschen Propheten. Der ihnen in der Offenbarung des Johannes zugewiesene schließliche Platz ist in der Tat verhängnisvoll. Wir von heute müssen alle scheinbevollmächtigten Prophezeiungen, die die Offenbarung verdrehen und entstellen und Böses, sei es Krankheit, Unheil oder Elend, vorhersagen, verwerfen, dürfen sie aber nicht übersehen. Mit den Lehren der Christlichen Wissenschaft gerüstet, müssen wir angesichts jedes Zeugnisses des gegenwärtigen oder künftigen Bösen die geistigen Tatsachen aufrechterhalten, die die Macht, deren es sich rühmt, widerlegen und zerstören.
Der geistige Seher sieht schon, daß der materielle Augenschein, was auch seine Scheinechtheit und sein scheinbares Übergewicht, seine Vorhersage und seine trübe Ahnung sein mögen, ohne Gesetz oder Wirklichkeit ist. Vor dem Zeugnis Jesu, vor der Offenbarung der Christlichen Wissenschaft muß er verschwinden. Es gibt kein Stadium der Sterblichkeit, das nicht jetzt durch die geistige Tatsache ersetzt werden kann; kein scheinbar erschreckendes Urteil, an dessen Stelle nicht jetzt die Versicherung der Allgegenwart der göttlichen Liebe treten kann.
Mit Bezug auf das, was Johannes sah, als er hörte: „Der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen”, schreibt Mrs. Eddy auf Seite 573 und 574 in Wissenschaft und Gesundheit: „Wenn du dies liest, gedenke der Worte Jesu: ‚Das Reich Gottes ist inwendig in euch‘. Dieses geistige Bewußtsein ist daher eine gegenwärtige Möglichkeit”. In solchen Worten findet man die Allgegenwart und Allmacht bestätigt und behauptet. Im Zeugnis der Christlichen Wissenschaft ist der Geist der Prophezeiung und damit „das Verschwinden des materiellen Sinnes vor den bewußten Tatsachen der geistigen Wahrheit” enthüllt.