Ein junger Kaffer, Diener in einem südafrikanischen Haushalt, hegte eine abergläubische Annahme von der Sonne. Er glaubte, daß ein Riesenkäfer sie verschlinge, wenn sie am Abend verschwindet, und daß am nächsten Morgen eine neue Sonne heraufkomme. Seine Herrin erklärte ihm an Hand von Orangen, mit einer die Sonne, mit einer andern die Erde darstellend, wie sich die Erde alle 24 Stunden um ihre Achse dreht, und daß wir die Sonne nicht sehen können, wenn sich die Erde von ihr abwendet, daß aber dieselbe Sonne erscheint, wenn sich die Erde ihr wieder zuwendet. Der Sonne ist nichts geschehen. Der Bursche schien es zu verstehen. Als aber die Erklärung zu Ende war, sagte er: „Gnädige Frau, Sie sind immer gut zu mir und sagen mir immer, was wahr ist; aber bitte, gnädige Frau, wenn die Sonne am Abend untergeht, frißt ein Riesenkäfer sie auf, und am nächsten Morgen kommt eine neue Sonne herauf”.
Die Wahrheit, die die unwissende, abergläubische Annahme des jungen Kaffern hätte zerstören können, war dort, gerade an der Tür seines Bewußtseins; aber sie konnte nicht hineingelangen. Warum nicht? Weil die Tür von einer blinden, unwissenden mentalen Kraft, Abgeneigtheit genannt, geschlossen war. Mary Baker Eddy erkannte, daß diese Eigenschaft, das unwissende Böse, schuld an der fortdauernden Knechtschaft der Sterblichen ist. Sie schreibt: „Die Abgeneigtheit, alle Dinge richtig begreifen zu lernen, bindet die Christenheit mit Ketten” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 96).
Viel wichtiger als die Beziehung der Erde zur Sonne ist die Beziehung des Menschen zu Gott. Hierauf beruht die Wissenschaft des Lebens. Wie die Wahrheit über die Sonne und die Erde immer zur Hand ist, so ist die Wahrheit über Gott und den Menschen immer hier und, dem menschlichen Sinn nach, unserer Bereitwilligkeit, sie anzunehmen, gewärtig. Die Christliche Wissenschaft enthüllt diese Wahrheit, zeigt, daß Gott das einzige Gemüt und das einzige Leben ist, und daß der Mensch die Idee oder Kundwerdung des Gemüts ist, daß er geistig und vollkommen, nicht materiell und unvollkommen ist.
Eine lobenswerte Eigenschaft des kleinen Kindes ist die Bereitwilligkeit zu lernen. Eifrig sucht es Antworten auf die Fragen, die in seinem sich entfaltenden Denken entstehen. Dankbar nimmt es die Tatsachen über alle Dinge an. Weit offen steht seine Tür der Bereitwilligkeit. Jesus lehrte, daß wir alle ebenso willig werden müssen, geistige Dinge zu lernen, selbst wenn es das Abhauen einer Hand oder das Ausreißen eines Auges—die Zerstörung unserer liebsten, tief eingewurzelten materiellen Annahmen—bedeuten sollte.
Die Christliche Wissenschaft enthüllt die wichtige und grundlegende geistige Tatsache, daß es keine Abgeneigtheit, keine Unbotmäßigkeit gegen die Kräfte des geistigen Gesetzes und der Erleuchtung in dem Menschen Gottes gibt. Als Gottes Idee, als Widerspiegelung, hat er kein materielles, persönliches Dasein, keinen von Gott getrennten Willen. Vielmehr ist er ganz und gar eins mit Gott und denkt nur so, wie das göttliche Gemüt ihn denken läßt, sieht und hört nur so, wie dieses Gemüt ihn sehen und hören läßt, fühlt und redet nur so, wie Gott ihn fühlen und reden läßt. Weil der Mensch gänzlich eins mit Gott ist, ist er nie eins mit dem widerstrebenden Bösen. Er hat in sich keinen Wunsch, kein Element, keine Fähigkeit und keinen Willen außer dem, was Gott ausdrückt.
Jeder einzelne, ob er ein Neuling in der Christlichen Wissenschaft ist oder sich schon lange mit ihr befaßt hat, kann sich mit Vorteil prüfen und sehen, in welchem Grade er willens ist, „alle Dinge richtig begreifen zu lernen”. Die Antwort findet er in dem Grad seiner Bereitschaft, den materiellen Sinn des Selbst mit seiner Überhebung, seinen eigennützigen Bestrebungen, seinem Entschluß, zu Hause und außer dem Hause seinen Willen durchzusetzen, seinem Standes- und Rassenstolz, seinem Hang nach fleischlichen Begierden und Vergnügungen und seiner Bereitwilligkeit, sie zu entschuldigen, aufzugeben. Der vergebliche Versuch des sterblichen Gemüts, die Dinge Gottes mit der einen Hand zu ergreifen, aber die vergifteten Leckerbissen der Erde mit der andern festzuhalten, ist eine Erscheinungsform des Bösen, die jeder ehrliche Denker als unwirklich ansehen und zerstören kann.
Glücklicherweise lernt sich der Christliche Wissenschafter von dieser Täuschung des Bösen durch tägliches Erkennen der geistigen Tatsache befreien, daß sein einziges Selbst unwillkürlich, freudig bereit ist, jeden Augenblick die Stimme Gottes zu hören und ihr zu gehorchen. Abgeneigtheit, von dem Allguten, Gott, zu lernen und Ihn auszudrücken, ist so wenig eine Eigenschaft oder ein Zustand seines Seins wie Haß oder Pocken.
Es gibt keine Abgeneigtheit im Menschen, recht zu denken oder recht zu leben. Die ununterbrechbare Übereinstimmung der Idee mit dem Gemüt schließt jeden solchen Zustand zu jeder Stunde oder jeden Augenblick in alle Ewigkeit aus. In Gottes Augen sind wir alle willens, demütig, selbstlos und rein zu sein, willens, von Sünde, falschen Begierden, menschlichem Temperament und Grillenhaftigkeit geheilt zu werden. Der Irrtum kann uns keine dieser Lügen mit dem Bolzen der Abgeneigtheit annieten. Der Nietbolzen bricht bei der Berührung Gottes.
In der Pauluskirche in London war einst ein Gemälde von einem großen Künstler, eine Tür. Die Tür war geschlossen und hatte keine Klinke, womit sie hätte geöffnet werden können. Vor der Tür stand der Meister mit einer Lampe, geduldig wartend. Als der Künstler gefragt wurde, warum er die Tür ohne Klinke, ohne etwas, womit sie geöffnet werden könnte, gemalt habe, antwortete er: „Das ist die eine Tür, die nur von innen geöffnet werden kann. Es ist die Tür der Bereitwilligkeit”.
Wie steht es mit unserer Tür? Ist sie geschlossen? Ist sie nur angelehnt? Steht sie hin und wieder ein wenig offen? Oder geht sie in den Angeln der Demut und der Aufrichtigkeit täglich weiter auf? Christus, die den Menschen, Gesundheit, Freudigkeit, Substanz, Erfolg und alle Dinge in sich schließende gottgesandte wahre Idee Gottes, steht heute direkt vor der Tür unseres Bewußtseins. Johannes schreibt: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir”. Uns liegt es ob, die Tür mit den Kräften Gottes zu öffnen. Hören wir? Öffnen wir? Sind wir willens, das Brot des Lebens im Tempel unseres wahren Bewußtseins zu brechen? Laßt uns täglich wissen, daß Gott uns die Fähigkeit und die Bereitwilligkeit gibt, es zu tun.
