„Alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, daß ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt”, schrieb der Apostel Paulus seinem geliebten Timotheus (2. Tim. 3, 16. 17). Die Christlichen Wissenschafter nehmen die Feststellung des Apostels Paulus an, und sie erkennen die weitere Tatsache, daß das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy auch „von Gott eingegeben” ist. Es ist also einleuchtend, daß unsere Lektionspredigten, die nur aus Stellen aus diesen beiden Büchern, der Bibel und Wissenschaft und Gesundheit, bestehen, keine menschlichen Lehren oder Ansichten, sondern unverfälschte Erklärungen geoffenbarter Wahrheit darbieten. Beim Auswählen dieser Erklärungen ist das Bibellektionenkomitee bestrebt, jede Lektionspredigt nicht zu einer bloß verstandesmäßigen Zusammenstellung einander entsprechender Stellen zu machen, sondern zu einer vom göttlichen Gemüt geführten geistigen Entfaltung des Themas. In dem Maße, wie diese Führung verwirklicht und bewiesen wird, kann wahrhaft gesagt werden, daß das Gemüt und nicht eine Person oder eine Gruppe von Personen der Urheber unserer Predigten ist.
Bezüglich der Themen für die Predigten sagte unsere geliebte Führerin einmal: „Diese Themen wurden von Gott gegeben; sie genügen und werden bleiben”. Obgleich dieselben Themen alle halben Jahre wiederholt werden, sind sie von solch unendlicher Art, daß sie unzähligemal gebraucht werden können, ohne die Möglichkeiten der „Unterweisung in der Gerechtigkeit” zu erschöpfen. Da sie die Hauptpunkte des Christentums und der Christlichen Wissenschaft enthalten, bieten sie eine unaufhörliche Entfaltung der ewigen Wahrheiten über Gott und den Menschen.
Es ist gut, daran zu denken, daß sich jede Woche viele Neulinge in der Christlichen Wissenschaft zum erstenmal in die Lektionspredigten vertiefen. Aus diesem Grunde müssen die Stellen so gewählt und zusammengestellt werden, daß die Lektionen klar und ebensogut Neulingen wie vorgeschritteneren Wissenschaftern hilfreich sind. Natürlich kann dies die Wiederholung gewisser Stellen, die in früheren Lektionen über dasselbe Thema gebraucht wurden, nötig machen. Aber diese Wiederholung kann sich allen, die sich in die Lektion vertiefen, als immer wertvoller erweisen. Denn oft wird eine häufig wiederholte Stelle, wenn in anderem Zusammenhang angewandt, mit neuer Bedeutung erglühen. Gerade wie ein schönes Standbild nur voll geschätzt werden kann, wenn es von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet wird, so bringt eine bekannte Bibelstelle oder eine Stelle aus Wissenschaft und Gesundheit neue Inspiration, wenn sie von der Grundlage anderer Stellen aus, mit denen sie früher nicht verbunden gewesen sein mag, betrachtet wird.
Obwohl der goldene Text und das abwechselnde Lesen nicht ein Teil der Predigt sind, hängen sie eng damit zusammen. Der goldene Text drückt den Grundgedanken der Predigt in kurzer Form aus. Er ist eine allgemeine Darlegung der Wahrheit, die die Predigt weiter ausführt. Das abwechselnde Lesen bereitet das Denken vor und führt es in die dann folgende Lektionspredigt ein.
Jeder der sechs Abschnitte der Predigt behandelt einen Grundgedanken für sich, der zu dem Thema der Lektion in bestimmter Beziehung steht. Mit den einfachen Grundvoraussetzungen oder Definitionen in den ersten Abschnitten beginnend, entfaltet die Lektion in geordneter Weise die aus diesen Voraussetzungen zu ziehenden Schlüsse und erklärt, veranschaulicht und verwertet die darin enthaltenen geistigen Tatsachen. Die Lektionen werden jedoch nicht nach einer Formel oder einer festgesetzten Regel aufgestellt. Versuchen, einen Umriß zu formulieren, mit dem jede Lektion übereinstimmen muß, könnte leicht die Inspiration begrenzen und die Lektionen stereotyp machen. Jede Lektion hat ihre Eigenart, ihre eigene Ordnung der Entfaltung, und andächtiges Sichdareinvertiefen enthüllt sie.
Zur Veranschaulichung seien hier zwei Lektionen über dasselbe Thema, „Gott”, miteinander verglichen. Die erste dieser Lektionen könnte Abschnitt für Abschnitt kurz wie folgt zusammengefaßt werden: I. „Gott ist unendliche Person” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 116). II. Gott ist Vater-Mutter. III. Gott ist das Prinzip der göttlichen Wissenschaft. IV. Die Allmacht und Allgegenwart Gottes. V. Gott das göttliche Prinzip des Heilens. VI. Gott die Quelle alles Guten.
Obwohl das Thema ein halbes Jahr später dasselbe war, war die Entfaltung ganz anders, wie folgende Zusammenstellung zeigt: I. Gott erklärt als der eine Gott, das All-in-allem. II. Gott ist „Noumenon und Phänomene” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 114). III. Jeder Glaube an „fremde Götter”, der zur Gefangenschaft führt, muß vor dem einen Gott weichen. IV. Jesus lehrte die Menschheit die wahre Gotteserkenntnis. V. Die wahre Gotteserkenntnis heilt. VI. „Der eine unendliche Gott, das Gute, vereinigt Menschen und Völker” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 340).
So kommt es, daß in beiden Predigten der fünfte Abschnitt vom Heilen handelt, wenn auch unter etwas verschiedenen Grundgedanken und mit Hilfe ganz anderer Stellen aus der Bibel und aus Wissenschaft und Gesundheit. Zwar wurden in anderen Abschnitten der zweiten Lektion zwei Bibelverse und einige Zeilen von Wissenschaft und Gesundheit aus der ersten Lektion wiederholt; aber trotz dieser Wiederholung und dem Gebrauch desselben Themas ist leicht zu sehen, daß die zwei Predigten ganz verschieden sind.
Wie allgemein bekannt, wird in den meisten unserer Predigten mindestens ein Abschnitt einer mit dem betrachteten Thema in Beziehung stehenden Phase körperlichen Heilens gewidmet. Dies ist ganz natürlich und angebracht; denn die christlich-wissenschaftliche Kirche nahm ihren Anfang mit folgendem Antrag, den Mrs. Eddy auf einer Versammlung des Vereins Christlicher Wissenschafter am 12. April 1879 stellte: „Eine Kirche zu gründen, die den Zweck haben sollte, die Worte und Werke unseres Meisters in Erinnerung zu bringen und dadurch das Urchristentum und sein verlorengegangenes Element des Heilens wiedereinzuführen” (Kirchenhandbuch, S. 17). Die Entfaltung der Lektionen führt jedoch nicht immer dazu, daß der fünfte Abschnitt vom Heilen handelt. Und gelegentlich ist wegen der Art des Themas überhaupt kein Abschnitt über körperliches Heilen darin zu finden. Aber jede christlich-wissenschaftliche Predigt soll eine heilende Predigt sein und einen Gesichtspunkt des umfassenden Themas geistiger Heilung — vielleicht die Heilung von Sünde, von Veranlagungsfehlern, von Furcht, Unwissenheit oder Begrenzung — bestimmt und klar darbieten.
Dieselbe Lektionspredigt kann sich verschiedenen Wissenschaftern verschieden entfalten. Die Grundgedanken der verschiedenen Abschnitte können verschieden ausgedrückt werden; denn die passende Bezeichnung des Abschnitts ist hauptsächlich eine Sache persönlichen Beweises. Dies ist ein Grund, warum die Grundgedanken nicht als Teil der Predigt im Christlich-Wissenschaftlichen Vierteljahrsheft gedruckt werden. Noch ein Grund ist, daß das zur Entdeckung und Formulierung des Grundgedankens jedes Abschnitts erforderliche andächtige Ergründen die beste Vorbereitung für das Verständnis des Abschnitts ist. Wenn der Wissenschafter den Grundgedanken nicht sofort erkennt, sollte er nicht entmutigt sein. Denn anhaltendes Ergründen wird zu der Inspiration führen, durch die allein das göttlich inspirierte Wort der Bibel und des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs verstanden werden kann.
Oft enthüllt die erste Lesestelle aus Wissenschaft und Gesundheit den Sinn des Abschnitts. In anderen Abschnitten können die ersten Lesestellen das Folgern enthalten, das zur Feststellung des Themas in der letzten Lesestelle als Schlußfolgerung oder Höhepunkt führt. Manchmal bringen die Bibelstellen das Thema klar zum Ausdruck oder legen den Grundgedanken dar. In anderen Fällen kann der Bibeltext bildlich oder sinnbildlich sein und durch die entsprechenden Stellen aus Wissenschaft und Gesundheit klar und anwendbar werden. Ferner können die Bibelstellen Feststellungen enthalten, die Wissenschaft und Gesundheit weiter ausführt oder entfaltet. Gelegentlich mag die Wechselbeziehung zwischen der Bibel und Wissenschaft und Gesundheit wegen der Art des Grundgedankens nicht sofort erkennbar sein. Aber es wird sich zeigen, daß die Bibelstellen mindestens andeuten oder erkennen lassen, was die Stellen aus Wissenschaft und Gesundheit bestätigen und erklären.
Wenn sich die Leser auf das Lesen der Predigt am Sonntag vorbereiten, sollten sie die Woche hindurch nicht nur nach der richtigen Aussprache und dem vollständigen Vertrautsein mit den zu lesenden Stellen, sondern ganz besonders nach dem klaren Erfassen ihrer geistigen Bedeutung streben. Jeder Leser sollte sich andächtig in die ganze Lektion — sowohl in die Bibelstellen als auch in die Stellen aus Wissenschaft und Gesundheit — vertiefen, um den Aufbau der Predigt als Ganzes zu erkennen und die Beziehung jedes Abschnitts zum Thema und jeder Lesestelle zum Grundgedanken des Abschnitts, in dem sie sich befindet, zu verstehen. Die Lektion sollte nicht als eine Reihe unzusammenhängender Stellen, sondern als fortlaufendes Ganzes gelesen werden. Nur so kann ihre geistige Einheit und ihr ununterbrochener Gedankenzusammenhang ausgedrückt werden. Wegen der geistigen Art unserer Predigten können diese nur dann wirklich hilfreich gelesen werden, wenn sie geistig verstanden sind.
Es ist bedeutsam, daß unsere Predigten nicht bloß Predigten, sondern Lektionspredigten heißen, weil sich jeder in der Woche vor dem Sonntag, an dem sie in unseren Kirchen gelesen werden, darein vertiefen sollte. Die Christlichen Wissenschafter finden, daß sie umso mehr göttliche Inspiration und Erleuchtung von den Lektionen empfangen, je gewissenhafter und andächtiger sie sich nicht nur die Woche hindurch, sondern auch während des Sonntagsgottesdienstes darein vertiefen. Wenn ein Wissenschafter eine Lektion uninteressant oder unklar findet, kann es sein, daß er sich nicht genügend in sie vertieft hat, um ihre geistige Botschaft wahrzunehmen. In solchem Falle tut er gut daran, sich der Worte Jakobs zu erinnern, als er mit dem Engel rang (1. Mose 32, 27): „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn”.
Gründliches andächtiges Sichvertiefen in einen oder zwei Abschnitte jeden Tag ist zweifellos einem oberflächlichen Lesen der ganzen Lektion, das einfach Gewohnheit oder bloßer Kirchenbrauch werden kann, vorzuziehen. Aber nachdenkliches tägliches Ergründen der Lektion als Ganzes bringt weit reicheren Lohn. Die zahllosen Wissenschafter, die so arbeiten, sind „Gottes Mitarbeiter” zur Aufrichtung der in unserer Lektionspredigt verkörperten geistigen Wahrheiten im menschlichen Bewußtsein —„einer Lektion, von der”, wie unsere Führerin uns im Kirchenhandbuch (Art. III, Abschn. 1) sagt, „die Wohlfahrt der Christlichen Wissenschaft in hohem Grade abhängt”. Die Früchte des Heilens, die das Ergebnis eines solchen hingebenden persönlichen Ergründens sind, sind der beste Beweis, daß unsere Predigten göttlich autorisiert und göttlich inspiriert sind.
Je länger ich lebe, desto mehr werde ich überzeugt, daß ich eine große geistige Wahrheit entdeckte, als ich das erstemal die Beziehung des Schweigens zur echten Gemeinschaft mit dem Göttlichen erfaßte.—
