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Vollständigkeit in sich selber

Aus der November 1943-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn einer zu der Tatsache erwacht, daß er in einer mentalen und nicht in einer physischen Welt lebt, daß der Geist, nicht die Materie, göttliches Gesetz, nicht sterbliche Annahme ihn regieren, findet er nicht nur Einheit, sondern auch Vollständigkeit in sich selber. „Ich tue nichts von mir selber”, sagte Jesus, alle sterbliche Initiative und Verantwortlichkeit verwerfend, „sondern wie mich mein Vater gelehrt hat”.

Und was hatte ihn der Vater gelehrt? Sicher nicht Abhängigkeit von anderen Sterblichen, Unterwerfung unter einen auf Materialität gegründeten Anspruch, sondern Herrschaft über jeden Anspruch des Bösen und die Macht, Krankheit und Sünde zu heilen; das Bewußtsein seiner Gottessohnschaft, zusammengefaßt in den Worten: „Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater”.

Die Geschichte des Menschengeschlechts ist das Trachten nach Befriedigung, nach Erfüllung im Äußerlichen gewesen. Nach der Allegorie wurde von Adam eine Rippe genommen — um ihn in Gestalt einer Zweiheit vollständig zu machen. Aber der, dem alle Dinge vom Vater übergeben sind, findet als Idee des Gemüts Einheit des Seins, die sich in Selbstausdruck entfaltet. Er findet, wie er von Gott, dem Geist, gelehrt ist, Gesellschaft im Bewußtsein des Gebens und Empfangens, in Freundschaft, im Umgang, die nicht persönlichen Besitz, nicht Eifersucht und Wettbewerb, sondern universale Brüderschaft mit sich bringen. Er fürchtet sich nicht mehr vor dem Alleinsein und kann mit Jesu ruhiger Gewißheit sagen: „Ich bin nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat”.

Etwas hiervon hat Walt Whitman sicher erblickt, als er schrieb:

Ich schwöre, daß die Erde sicher für diejenigen vollständig sein wird,
die vollständig sein werden,
Die Erde bleibt nur für diejenigen zackig und zerrüttet, die zackig und
zerrüttet bleiben.

Mary Baker Eddy hat in der wissenschaftlichen Erklärung Gottes und der Beziehung des Menschen zu Gott und zu seinem Mitmenschen gelehrt, wie wir diese Vollständigkeit ergreifen und zackige Kanten und Bruchteile für immer ablegen können. Auf Seite 264 des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt sie: „Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß das Leben der Geist ist, nicht in noch von der Materie, wird sich dieses Verständnis zur Selbstvollendung erweitern und alles in Gott, dem Guten, finden und keines andern Bewußtseins bedürfen”.

Jeder Christliche Wissenschafter, der sich in diese Stelle vertieft, muß sich sicher fragen: Wie bald werde ich, wenn ich es noch nicht erlangt habe, das Verständnis erlangen, das sich zur Selbstvollendung erweitert und das, weil es alles in Gott, dem Guten, findet, tatsächlich keines andern Bewußtseins bedarf?

Das ist eine grundlegende Frage, die unserem Begriff von uns und voneinander direkt an die Wurzel geht. Sie bestimmt unsere ganze Haltung gegen das Leben. Wir wissen, daß Christus Jesus in keinem einzigen Falle von dem abwich, was ihn der Vater gelehrt hatte, nämlich vom vollständigen Verlaß auf den Geist. Infolgedessen waren ihm alle Dinge übergeben, und zwar nicht bis zu einem gewissen Grade, nicht hin und wieder, sondern vollständig und beständig. Nur dadurch, daß man sich mit dem Gemüt wesenseins macht, findet jeder in Widerspiegelung, in Ausbreitung das, was keines andern Bewußtseins bedarf, weil er Vollständigkeit in sich selber gefunden hat.

Wenn wir an die Welt und an die Menschheit von einem materiellen und daher objektiven Standpunkt aus denken, müssen wir unvermeidlich in die Versuchung kommen, zu glauben, daß das, was wir brauchen, außen und nicht inwendig ist. Jenseits oder über uns, unerreichbar oder bestenfalls der Erreichbarkeit ungewiß ist so vieles, wonach man sich sehnt, wonach man trachtet, worum man oft kämpft. Und doch, wenn erreicht, wie unsicher, wie oft eine Quelle des Bedauerns, der Enttäuschung! Aber Jesus konnte seinen Jüngern sagen, daß ihm nicht einige sondern alle Dinge von seinem Vater übergeben waren.

Haben die Menschen das Verlangen nach Eigenschaften wie Größe, Gesundheit und Frieden, Gesellschaft und schöner Umgebung? Dann wird ein solches Verlangen sicher in dem, was sich als Sohnschaft ausdrückt, Befriedigung finden. Jahrelang sich abmühen, um materiell zu vollbringen, was nur geistig gewonnen werden kann; glauben, daß materieller Besitz, daß Zuwachs oder Anhäufung Glück bedeute; glauben, daß das Äußere je das Innere ersetzen oder ein Schrittstein dazu sein könne — dies ist nicht Ausbreitung, sondern Einschränkung; nicht Bereicherung, sondern Verarmung.

Christi Jesu unendliche Vollständigkeit machte ihn jeder an ihn gestellten Forderung gewachsen. Gesundheit trat an Stelle von Krankheit, Fülle an Stelle von Mangel, das Grab wich der Auferstehung, weil er nicht von der angenommenen menschlichen Ordnung der Dinge, nicht von Ereignissen, nicht von anderen, sondern davon abhing, was sich immerdar in ihm als Idee des Gemüts entfaltete.

Solange wir glauben, daß wir unvollständig seien, solange wir uns nicht im Vater, sondern in einer „zackigen und zerrütteten” Welt weilend sehen, werden wir manchmal mit den äußersten gewissenlosen und habgierigen Mitteln, manchmal verzweifelt und bitter nach dem trachten, was, wie wir glauben, andere haben und wir nicht haben. Wenn wir aber in der Erkenntnis, „daß das Leben der Geist ist, nicht in noch von der Materie”, es dort suchen, wo es allein zu finden ist: in Gedanken, die uns damit vereinigen, dann werden die unendlichen Möglichkeiten unseres Seins und der Friede und die Freude, die sie in gelassener und geordneter Entfaltung mit sich bringen, den Konflikt und das Getöse eines Kriegs der Unvollständigkeit für immer stillen. So werden wir von unserem Leben in seiner beständigen, alles befriedigenden Ausbreitung sagen können: „‚Wie mich mein Vater gelehrt hat‘ so handle ich”.

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