Unruhe ist immer das Ergebnis einer Erscheinungsform der Furcht. In der Atmosphäre der Seele, wo jede Idee, von den ihr Sein regierenden Gesetzen der Entfaltung und des Ausdrucks geleitet, tätig ist, ist die Aufregung der Hast, der Sorge, der Spannung und des Drucks unbekannt. Etwas hievon können wir bei der Betrachtung der Natur an einem ruhigen Sommertage wahrnehmen — die Sonne und die Vögel, die Bäume, die Blumen, die Bienen auf ihrer planmäßigen, ruhigen Suche, der fließende Strom, die lauen Lüfte: alle erfüllen ihre individuelle wesentliche Aufgabe in der geordneten Vollkommenheit des Ganzen. Der Mensch, der vom Gemüt regiert und ausgerüstet ist und geistige Herrschaft, göttliche Intelligenz besitzt, sieht die ewig friedliche Entfaltung des Seins und drückt sie aus.
„Mein Vater wirket bisher, und ich wirke auch”, sagte Jesus. Es gibt keine plötzliche, unerwartete, beziehungslose Aufgabe! Bei aller Arbeit, die die Menschen in Pflichterfüllung und nützlichem Dienen zu tun haben, können sie immer an das „Bisher” denken, das ihnen vorausgeht und sie leitet, an die Liebe, die sie inspiriert und regiert. Keine erforderliche Eigenschaft des Gemüts, kein Mut, keine geforderte Ausdauer, Entschlußkraft oder Erfindungsgabe, die nicht ihr „Bisher” in der Geschichte der ewigen Verfügbarkeit des Gemüts hätte! Und wir wissen, was die Quelle, die Art dieser Arbeit ist, was ihre hervorragenden Kennzeichen sind. Denn auf Seite 519 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt Mary Baker Eddy: „Gott ruht im Wirken”. Sie läßt es jedoch nicht dabei bewenden, damit die Menschen nicht fortfahren zu denken, daß ihre eigene menschliche Tätigkeit etwas sei, was mit Anstrengung und Unentschlossenheit, in Unruhe und Unbeständigkeit ausgeführt werden muß, weil es nicht an der Art des Göttlichen teilnimmt. Sie fährt fort: „Die höchste und lieblichste Ruhe, sogar vom menschlichen Standpunkt, ist in heiliger Arbeit”.
Und alle Arbeit, die die Menschen unternehmen, mag sie äußerlich noch so unbedeutend oder sogar materiell erscheinen, ist heilig, wenn sie die Eigenschaften des Gemüts auf sie anwenden, wenn sie bei der Ausführung wissen, daß Erhöhung und Belohnung nicht in der Tat, sondern im Begriff vom Dienen liegen.
Es ist gesagt worden, daß auf jeder Bergeshöhe Ruhe sei. Kein Wunder, daß Jesus, der aus der Höhe geistiger Gemeinschaft von Sohnschaft sprach und sie bewies, der ganzen Menschheit Ruhe bieten konnte. Jeder, so mühselig und beladen er auch sein mag, der seine sterbliche Last mit ihren Verantwortungen, ihrem Ehrgeiz, ihrem Mißtrauen gegen sich und andere, ihren Strafen für vergangene Versäumnisse und ihren Befürchtungen künftiger Verbindlichkeiten niederlegt, findet Ruhe. Er lernt jede Aufgabe nicht vom Tal des Zweifels und der Drohung aus beginnen, nicht als winziger, unbedeutender Fleck in einem Weltall voller Zufälle und Fallgruben, wo physische und mentale Forderungen dem einzelnen so oft unerfüllbar erscheinen. Er hat von jener erhabenen Bergeshöhe der Ruhe das „Bisher” des Gemüts mit seinen ewigen Verheißungen.
Was war die Ruhe, die Jesus den Menschen anbot, anders als das Bewußtsein des geistigen Selbst, wodurch alle Krankheiten, alle Streitigkeiten, alle Mühseligkeiten und Unterdrückungen überwunden werden? „Darum ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes”, erklärte der Verfasser des Briefs an die Hebräer. Aber er wußte, daß das sterbliche Gemüt, daß sich krampfhaft oder vielleicht selbstzufrieden an seine Lasten klammert, zögert, die Einladung des Christus zu beachten; denn er fügte hinzu: „So lasset uns nun Fleiß tun, einzukommen zu dieser Ruhe”.
Das Vertrauen in das Wirken, in dem Gott ruht, bringt Reinheit und Stärke in das menschliche Leben. Es zeigt den Menschen, wie sie dem Prinzip gemäß statt ihm zuwider arbeiten können. Und dieses Vertrauen in den göttlichen Plan und in unsere Erfüllung dieses Plans ist für Ruhe unbedingt notwendig.
Das geringste sterbliche, selbstische, persönliche Planen, das kleinste Maß menschlichen Willens, die Furcht oder das Verlangen, daß andere menschliche Willen oder Umstände uns nachteilig oder vorteilhaft beeinflussen können, gefährdet unsere Ruhe, zerstört die Fortdauer, die göttliche Reihenfolge, die die Beziehungen des Wirkens Jesu mit seinem Vater kennzeichnete—die Bergeshöhe wird für das Tal der Unentschlossenheit, für einen Glauben, der kein Glaube sondern Zweifel ist, aufgegeben.
In der Christlichen Wissenschaft kommen die Menschen zu der Eerkenntnis, daß die ganze Unruhe des sterblichen Denkens einzelner und ganzer Völker, alle Krankheitsannahmen, ob sie physisch, mental oder politisch zu sein scheinen, aus dem Glauben hervorgehen, daß das Böse Macht sei und Befriedigung oder Leiden bringen könne. Die Wissenschaft des Christentums beweist, daß inmitten aller Unruhe, alles Unbehagens sterblicher Trugvorstellung hier und jetzt Ruhe zur Verfügung steht, keine eingebildete Ruhe der Untätigkeit, sondern die Ruhe beständiger, unaufhörlicher Arbeit. Und der ewigen Versicherung des Christus gemäß fallen Müdigkeit und Schwere von uns ab.
In der heiligen Arbeit des Beweisens, daß das „Bisher” das Jetzt des ununterbrochenen Seins ist, wissen die Menschen, daß die Tätigkeit, welche Alltätigkeit ist, das Erbe und das Wesen des Menschen ist. Wie klar uns doch Mrs. Eddy daran erinnert, daß wir diese Ruhe heute haben, daß sie nicht in einem weit entfernten Himmel überirdischen Versprechens ist! Dem, der nicht nur willens, sondern auch entschlossen ist, sein sterbliches Selbst zu überwinden, bringt sie die Versicherung (Miscellaneous Writings, S. 125): „Dann wird er im Reiche Gottes—in der Herrschaft der Gerechtigkeit—inwendig in ihm von neuem Christi Kelch trinken. Er wird zur Rechten des Vaters sitzen—sitzen, nicht wartend und müde stehen, sondern im Schoße Gottes ruhen”.
