In der Wissenschaft spiegelt der Mensch Gott, seinen Schöpfer, wider. Hieraus folgt, daß der geistige Mensch nicht ein bloßes Lichtfünkchen in einer unermeßlichen Finsternis ist. Er ist nie von Gottes Allheit getrennt. Sein Sein ist das Bild der einen unendlichen Individualität, des All-in-allem, das die Seele, Gott, ist. Indem der Mensch Gott widerspiegelt, hat er nichts zu verlieren, nichts zu fürchten, ist ihm nichts zur Last zu legen. Er ist unbesiegt und unversehrt. Als der freie und unwillkürliche Ausdruck seines göttlichen Ursprungs ist er vollständig im Charakter und in der Fähigkeit, Gutes zu tun. Die uns von Gott verliehene Fähigkeit, uns dieser Tatsachen des wahren Seins bewußt zu werden, ist der Beweis unvergänglicher Substanz, die jeden entgegengesetzten Einwand oder Umstand widerlegt. Durch die Christliche Wissenschaft können wir in der furchtlosen Würde unseres Alltagslebens die überaus fesselnde Erklärung Christi Jesu bewahrheiten (Luk. 9, 24): „Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten”.
Es wird uns gewöhnlich gesagt, daß unsere Wesenseinheit in der tollen Hast, uns in der modernen verwickelten Welt zu behaupten, verlorengehen könne. Wahr ist, daß wir unsere Wesenseinheit verlieren, sooft wir uns von Gott abwenden. In der göttlichen Widerspiegelung ist das unendliche Gemüt unsere Intelligenz, die stets tätig ist; ist der heilige Geist unsere Freiheit, die wir nie verlieren können. Annehmen, daß die Materie unsere Bedürfnisse befriedigen könne, oder daß uns der menschliche Wille in Knechtschaft halten werde, ist Unkenntnis Gottes. Unsere geliebte Führerin Mary Baker Eddy stand Gott von Angesicht zu Angesicht gegenüber, als sie in ihrem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 472, 473) schrieb: „In der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß alle Disharmonie des sterblichen Gemüts oder Körpers Trugvorstellung ist, die weder Wirklichkeit noch Identität besitzt, obwohl sie wirklich und identisch zu sein scheint”. Von leiblicher, seelischer und sittlicher Disharmonie bedrängt, tun wir gut daran herauszufinden, wie wir diese gewaltige Lehre verstehen lernen und anwenden können. Letzten Endes ist unsere Wesenseinheit unsere innigste Gefährtin, und sie sollte unsere teuerste sein. Wenn uns aggressive Gedankenbeeinflussung zu einer falschen Auffassung dessen, was wir sind und was wir tun müssen, verführt hat, wird es nie einen besseren Augenblick geben als den jetzigen, mit dem Trachten nach unserem wahren Selbst zu beginnen.
Als sich Gott unserer Führerin offenbarte, nahm sie Ihn als die Seele wahr. Diese Offenbarung der Art Gottes übertrifft alle früheren Lichtblicke von der Gottheit seit der Zeit Jesu. Sie veranlaßt das menschliche Bewußtsein, Gott als den unendlichen Vater-Mutter aller Seiner Ideen anzuerkennen. Sie schließt alle Individualität in Gott ein, anstatt sie unter den Menschenkindern aufzuteilen. Wenn wir dies sehen, geben wir eine materiell erdachte und menschlich organisierte mutmaßliche Wesenseinheit bereitwilliger auf. Schritt für Schritt kommen wir dann Gott näher und beweisen, daß die Seele das Ihre beansprucht und uns nicht aufgibt. Dieser zunehmende Verlaß auf Gott befreit uns, hier ein wenig, dort ein wenig, von den Plagen und Begrenzungen des materiellen Sinnes. Mrs. Eddy stellte die Unwahrheit von vielen Geistern und vielen Seelen bloß. Sie faßte alles zusammen als ein Gemisch von Gut und Böse, aus dem Persönlichkeiten vermeintlich bestehen. Ein würdiges Existenzziel ist, sich von irriger persönlicher Beeinflussung oder Beherrschung zu befreien. Wir gewinnen diese Freiheit nur, wenn wir uns von dem Augenschein der Sinne entschlossen abwenden. Der Apostel Johannes sagt uns im 1. Kapitel seines Evangeliums, daß die Kinder Gottes „nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind”.
Mrs. Eddys Enthüllung der wahren Wesenseinheit des Menschen übersteigt nicht unsere Fassungskraft. Christus Jesus schilderte die zärtliche Absicht und das Verfahren der göttlichen Liebe, als er von dem guten Hirten sprach, der das verlorene Schaf sucht und zur Herde zurückbringt. Die Seele beansprucht das Ihre, gleichviel wie wenig Beachtung wir ihren Forderungen zuerst geschenkt haben mögen. Das göttliche Verfahren ist in den Gottesdiensten der christlich-wissenschaftlichen Kirchen schön veranschaulicht. Von allen Satzungen Der Mutterkirche wird nur eine jeden Monat im Sonntagsgottesdienst vorgelesen. Ihre Überschrift lautet: „Eine Richtschnur für Beweggründe und Handlungen” (Kirchenhandbuch, Art. VIII, Abschn. 1). Diese inspirierte Erklärung verankert des Menschen Individualität in Gott und rüttelt die Sterblichen auf, die Ketten zu zerbrechen, die sie an den mesmerischen Einfluß persönlicher Beherrschung binden. Haß und persönliche Zuneigung wirken durch andere und nur allzuoft auch durch uns gegen unsern geistigen Fortschritt. Sie haben nichts, womit sie wirken können, und niemand, gegen den sie wirken können, wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Von Gottes Gesetz regiert, finden wir des Menschen unendliche Individualität.
Des Menschen Individualität ist in Wirklichkeit vielseitig, geordnet und stark. Die Anwandlungen menschlichen Empfindens gegen die beständige und sichere Führung des göttlichen Prinzips austauschen, bringt keinen Verlust. Es bringt den Edelstein des ewigen Lebens. Es erspart das Zurückgehen vieler Schritte und das Vergießen vieler Tränen. Die göttlichen Eigenschaften scheinen durch den Menschen. Sie wirken durch ihn und für ihn. Der ernste Christliche Wissenschafter ist Tag für Tag gewissenhaft bestrebt, die Fallgruben Unehrlichkeit, Täuschung und Arglist zu meiden. Aber er sollte wissen, daß dies kein strenger Vorgang der Büßung, der Unterdrückung oder der Vorahnung zu sein braucht. Gott wirkt, weil Er das All ist. Das göttliche Verständnis regiert, weil es in Wirklichkeit kein anderes gibt. Dem materiellen Selbst, seiner vorgetäuschten Güte und seiner Schlechtigkeit entrinnen, heißt nicht, uns in eine geistige Leere hineindrängen. Weit entfernt davon: es bringt leuchtende Augen in das strahlende Bewußtsein, daß Gott uns in der Tat antreibt, bessert und befreit.
Jede Erklärung der Wahrheit des Seins in der Wissenschaft, ehrlich gemacht, hilft das Böse zerstören. Doch wir müssen das Böse als Böses sehen, ehe wir unsere Gelegenheit, unser Leben ohne es zu leben, wahrnehmen werden. Solange es gut oder unvermeidlich zu sein scheint, klammern wir uns daran oder sehnen uns danach und machen es in der Annahme zu einem Teil unserer Wesenseinheit. Es braucht niemand, der Zeuge der Tätigkeit der Wahrheit gewesen ist, zu überraschen, daß sich heftige Bewegungen in der Welt fühlbar machen. Es ist ein tief sitzender Glaube, daß der menschliche Wille ein Schöpfer und die Materie eine Schöpfung sei, und dieser Glaube muß als der Gewaltherrscher, der er tatsächlich ist, gesehen werden, ehe er überwunden werden kann. Wenn wir in das Aufdecken und die Zerstörung des Bösen einwilligen, wird die Unruhe für uns schmerzlos werden. Der einzige Kampfplatz, auf dem wir je stehen können, ist unser eigenes Bewußtsein. Und dort ist es unser Vorrecht, gelassen und furchtlos von Angesicht zu Angesicht vor Gott zu stehen. Das Aufgeben jedes Verlasses auf menschliche Mittel und Wege kann uns zwingen, unser Leben umzugestalten; aber es eröffnet uns neue Ausblicke. Es gibt weder Verlassenheit noch Verlust, wenn die Seele das Ihre beansprucht. Die Liebe geht uns voran, den Weg zu bereiten.
Mrs. Eddys erste Schüler gingen als Bahnbrecher der Christlichen Wissenschaft in eine Welt hinaus, die sehr, sehr neu war. Sie schienen größtenteils freundlos, unerwünscht und spärlich versorgt zu sein. Diejenigen, die einigermaßen erfaßt hatten, daß ihre große Lehrerin die Wesenseinheit des Menschen in der Seele sah, wurden durch ihre Erfahrungen umgewandelt. Die Armseligkeit ihrer früheren Tage wurde umgestaltet. Mrs. Eddy hatte sie gelehrt, Krankheit und Sünde in Christi Namen zu heilen, und durch Gehorsam gegen ihre Lehre wurden sie wiedergeboren. Was sie vollbrachten, ja noch mehr, kann jeder Christliche Wissenschafter tun. Das Leben jedes wahren Nachfolgers Mary Baker Eddys im Krieg oder im Frieden, in Berühmtheit oder in Verborgenheit, macht in sehr dauernder und allgemeiner Weise Geschichte.
Boshafter tierischer Magnetismus hat keinen Anspruch auf die gottgegebene Wesenseinheit, die der Apostel Johannes erblickte, als er auf die Botschaft seines aufgestiegenen Meisters horchte. Der geliebte Jünger erreichte dieses erhabene Bewußtsein erst nach vielen Kämpfen mit den Abgöttereien und der Roheit des fleischlichen Gemüts. Mit der Liebe gewappnet, trat er diesen Angriffen unerschrocken entgegen und bewies, daß sie machtlos waren. In unserer Zeit brauchen Mrs. Eddys demütige Nachfolger nicht zurückzuweichen noch sich zu bedauern, wenn das aggressive Böse sie bedrängt. Sie dürfen nicht davonlaufen noch die Augen schließen. Das Böse gedeiht, wenn es übersehen wird. Vor Gott von Angesicht zu Angesicht stehend und gestützt auf des Christlichen Wissenschafters geistiges Verständnis des schließlichen Sieges des Guten, werden wir unsere wahre Wesenseinheit anziehen. Wenn wir Lichtblicke des Menschen als der Widerspiegelung Gottes gewinnen, wird die Seele das Ihre beanspruchen und uns als Boten der Liebe, nicht des Hasses; des Lebens, nicht des Todes besiegeln. Wir werden recht geführt werden, unversehrt und sicher sein. Manchmal mögen wir vielleicht vor diesen zähen Kämpfen mit dem Glauben der Welt an ein von Gott getrenntes Selbst zurückschrecken. Dies sind die wichtigen Stunden, wo wir Gott näher als je kommen müssen. Sein Wille ist geschehen. Nur durch unsere Zustimmung kann uns der menschliche Wille in einen Konflikt hineinzwingen, damit das Böse prahlend über das Gute triumphieren kann.
Die Christliche Wissenschaft erlöst und ermutigt die Menschheit. Sie läßt jeden menschlichen Zustand besser zurück, als sie ihn vorfand. Sie verkündigt allen, die hören wollen, die Aufforderung des heilenden Christus. Diejenigen, die innehalten und horchen, haben begonnen, die Seele das Ihre beanspruchen zu lassen, und werden in ihre wahren Namen und in ihre wahre Art wiedergeboren. Unsere inspirierte Führerin hat in Wissenschaft und Gesundheit (S. 323) geschrieben: „Angesichts der unendlichen Aufgaben der Wahrheit halten wir inne — warten wir auf Gott. Dann dringen wir vorwärts, bis der schrankenlose Gedanke voll Entzücken dahinwandelt und der unbeschränkte Begriff sich beschwingt, damit er die göttliche Herrlichkeit erreiche”.
