„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!” Ist je ein lieblicheres Loblied vernommen worden als das, das die Hirten auf dem Felde hörten, die vor nahezu 2000 Jahren „des Nachts ihre Herde hüteten”? Jahr für Jahr hören wir die Erzählung mit immer gleicher Anteilnahme.
Vielleicht wundern wir uns, warum nur die einfachen Hirten die Verkündigung in jener gesegneten Nacht hörten. Sie gingen ihrer Arbeit nach und hüteten und bewachten treu die ihnen anvertrauten Schafe, erwarteten aber zweifellos kein besonderes geistiges Ereignis. Muß ihr Denken jedoch für die himmlische Botschaft nicht einigermaßen vorbereitet gewesen sein? Ja, obgleich die Religion ihrer Zeit großenteils aus Bräuchen und menschlichen Lehren zu bestehen schien, gab es doch wie immer fromme Geistiggesinnte wie sie darunter, die die höhere Bedeutung der Heiligen Schrift erkannten und das geistige Licht brennend erhielten. Schon vorher war dem Zacharias „der Engel des Herrn” erschienen und hatte ihm gesagt, es werde ihm ein Sohn geboren werden, Johannes, dessen Aufgabe es sein werde, „zuzurichten dem Herrn ein bereitet Volk”; und später verkündigte der Engel Gabriel der Jungfrau Maria, daß sie das Jesuskind gebären sollte.
Zu jener Zeit muß in der kleinen Gruppe Israeliten, die in Palestina wohnten, in der Tat viel tiefes, geistiges Denken und Streben geherrscht haben. Und die Engel wurden nicht nur gehört, sondern ihre Verheißungen gingen auch in Erfüllung und gipfelten darin, daß der lang erwartete Messias als das Kind Jesus erschien, betreffs dessen der Engel zu den Hirten gesagt hatte: „Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.” In der ganzen Bibel finden wir Fälle, wo Engel Geistiggesinnten Botschaften der Freude, des Trostes und der Führung brachten.
Zuweilen mögen wir uns fragen, wie und warum die Engel so kamen, und wer sie waren. Mary Baker Eddy hat an vielen Stellen ihrer Schriften genau Aufklärung über diesen Punkt gegeben. Aus ihrer Begriffsbestimmung für „Engel” im Glossarium in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 581) erfahren wir, daß sie „Gottes Gedanken” sind, „die zum Menschen kommen.” Wir wissen, daß Gott immer gegenwärtig ist, und daß daher Seine Gedanken immer gegenwärtig sind und immer „zum Menschen kommen”; weshalb diejenigen, die wie die Hirten wahrhaft empfänglich sind, sie hören.
Es ist also unsere Aufgabe, zu erkennen, worin Empfänglichkeit besteht. Um für die Botschaften Gottes, des Geistes, empfänglich zu sein, muß man geistig hören. Wir alle sind mit dem geistigen Sinn, der über alles menschliche Denken hinausreicht und das Göttliche berührt, ausgerüstet. Und gerade wie die Fähigkeiten Gedächtnis und Verstand durch Übung entwickelt werden, kann dieser geistige Sinn dadurch gepflegt werden, daß man über das nachdenkt, was geistig ist. Genau dies machen die Lehren der Christlichen Wissenschaft uns heute zur Pflicht. Mrs. Eddy sagt uns in Wissenschaft und Gesundheit (S. 209): „Der geistige Sinn ist eine bewußte, beständige Fähigkeit, Gott zu verstehen”, und durch ihre Verkündigung der geistigen Gesetze Gottes und ihre Anleitung, wie sie in menschlichen Angelegenheiten anzuwenden sind, hat sie andere befähigt, diesen geistigen Sinn auszubilden und zu entwickeln und dadurch Engel, „Gottes Gedanken”, zu hören und deren Segnungen zu empfangen.
Kinder sind von Natur für den geistigen Sinn empfänglich. Jesus sagte: „Ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel.” Kinder sollten daher ermutigt werden, Geistigkeit zu Pflegen und auf himmlische Botschaften zu horchen. Engel sind uns allen nahe, und auch wir können sie hören, wenn wir unsere Gedanken mehr Gott und den Dingen des Geistes zuwenden. Mrs. Eddy sagt in ihrer Begriffsbestimmung ferner, Engel sind „geistige Eingebungen, die rein und vollkommen sind; die Inspiration der Güte, Reinheit und Unsterblichkeit, die allem Bösen, aller Sinnlichkeit und aller Sterblichkeit entgegenwirkt.”
Eine Christliche Wissenschafterin war einst großer Verfolgung ausgesetzt. Als sie einen christlich-wissenschaftlichen Ausüber um Hilfe bat, machte sie die Bemerkung, daß es scheine, als ob die Luft voller Teufel sei, sie zu quälen. Der Ausüber widerlegte dies durch den Gedanken, der im Brief an die Hebräer in die schönen Worte gekleidet ist: „Ihr seid gekommen zu dem Berge Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu der Menge vieler tausend Engel.” Als die Wissenschafterin diese Worte hörte, sah sie die geistige Wahrheit sofort, und sie war augenblicklich befreit von der Furcht und der Verwirrung, die sich ihrer anscheinend bemächtigt hatten. Noch nach Jahren sagte sie, daß dieses Bewußtsein „einer Menge vieler tausend Engel” ihr immer geblieben sei; daß es sie gestützt und ermutigt und bei vielen Gelegenheiten befähigt habe, die Macht und Anwendbarkeit der Wahrheit bei seelischem und leiblichem Leiden zu beweisen.
Für uns alle sind diese Engelscharen immer gegenwärtig; sie singen immer, und sie leiten und behüten uns immer, und durch den geistigen Sinn können auch wir uns ihrer Gegenwart bewußt sein. Durch den in ihrem Bewußtsein hoch entwickelten geistigen Sinn entdeckte Mrs. Eddy die Christliche Wissenschaft und lehrte sie auch andere, und seither scheint „der Engel seiner Gegenwart” (engl. Bibel) vielen Anhängern dieser Wissenschaft näher zu sein. Weder Waffengeklirr noch Maschinengetöse noch das sich laut geltend machende sterbliche Gemüt kann seine Stimme übertönen, wenn man gelernt hat, darauf zu horchen. Es ist angebracht, daß wir auf den Geist horchen; denn Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit (S. 299): „Engel sind Vertreter Gottes. Diese aufwärts schwebenden Wesen führen niemals zum Selbst, zu Sünde oder zu Materialität, sondern sie leiten uns zu dem göttlichen Prinzip alles Guten, dem jede wirkliche Individualität, jedes Bild oder Gleichnis Gottes zustrebt. Geben wir ernstlich auf diese geistigen Führer acht, dann verweilen sie bei uns, und wir beherbergen, ohne ... Wissen Engel.’” So tragen wir dazu bei, daß die biblische Verheißung in Erfüllung geht, die in einem bekannten Lied im Liederbuch der Christlichen Wissenschaft in die Worte gefaßt ist:
O hört, die Zeit kommt näher schon,
Die die Propheten sahn,
Wo durch die kalte, dunkle Nacht
Die Liebe bricht sich Bahn,
Wo Huldigung die neue Erd’
Dem Friedefürst bringt dar,
Und wo die ganze Menschheit singt
Das Lied der Engelschar.
