Manche Ereignisse in der Geschichte von Jakob, dem Sohn des Patriarchen Isaak, wie sie in dem Ersten Buch Mose berichtet werden, sind nicht sehr erfreulich zu lesen. Der hebräische Name Jakob bedeutet „Verdränger”; und es wollte so scheinen, als ob Jakob in seiner Jugend wie ein Verdränger handelte mit Bezug auf seinen betrogenen Bruder Esau. Es würde keinen Sinn haben, diese Sachen in der Heiligen Schrift zu erwähnen, wenn Jakob nicht später aus jenem Traum des Betrugs und der Doppelzüngigkeit erwacht wäre und so der menschlichen Familie ein wertvolles Beispiel davon gegeben hätte, wie der Irrtum aufgedeckt, überwunden und zerstört werden kann.
Nach langen Jahren, in denen es nicht an Betrügereien und Sünden mangelte, fand sich Jakob schließlich eines Tages allein — allein mit seinen unschönen Gedanken, unglücklichen Erinnerungen und ungelösten Problemen. Wohl mochte er von seinem Bruder Esau und von seinem Onkel Laban fliehen, doch niemals von seinem Denken!
Die Bibel berichtet, daß Jakob dann mit einem Manne rang. Wer war dieser Mann? Wer anders, als der falsche Begriff des Menschen, der Jakob genannt wurde. Wie doch der Irrtum, der nicht bekämpft und wissenschaftlich überwunden worden ist, auf uns zurück fällt! Jemand hat einmal richtig gesagt: „Die Menschen werden nicht für ihre Sünden sondern von ihren Sünden bestraft.”
In dem Werk „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 308) beweist seine Verfasserin Mary Baker Eddy ihren außergewöhnlichen geistigen Scharfsinn, wenn sie von Jakob und seinem geistigen Erwachen schreibt: „Jakob war allein, da er mit dem Irrtum rang — da er im Kampf lag mit einem sterblichen Begriff von Leben, Substanz und Intelligenz als in der Materie mit ihren falschen Freuden und Schmerzen bestehend —, als ihm ein Engel erschien, eine Botschaft von Wahrheit und Liebe, und die Sehne oder Stärke seines Irrtums schlug, bis er dessen Unwirklichkeit erkannte; und Wahrheit, die er dadurch verstehen lernte, verlieh ihm geistige Stärke in diesem Pniel der göttlichen Wissenschaft.”
Hier mögen wir wohl einhalten und nachdenken über eine Frage, die oft gestellt wird: Woher kam der Engel? Die Bibel erwähnt doch keinen derartigen himmlischen Boten. Was war der Engel? In einer andern inspirierten Darlegung in „Wissenschaft und Gesundheit” gibt Mrs. Eddy uns die Antwort, Sie schreibt (S. 574): „Gerade den Umstand, den dein leidender Sinn für schreckensvoll und quälend erachtet, kann Liebe zu einem Engel machen, den du ohne dein Wissen beherbergst.” Ist es daher nicht offenbar, daß dieses Erlebnis eines Kampfes mit den eigenen Irrtümern, wobei diese in all ihrer Häßlichkeit erkannt und nach mächtigem Ringen durch die Macht des Geistes überwunden wurden — ja dieses Erlebnis selbst — von der göttlichen Liebe in einen Engel, einen Segen, umgewandelt wurde?
Jeder Anhänger der Christlichen Wissenschaft kennt natürlich alles das, was Mrs. Eddy auf Seite 308 und 309 des Lehrbuches über jenes Ringen Jakobs geschrieben hat. Niemand sollte versäumen, diese erleuchtende Bibelerklärung zu studieren. Irgendwelcher Zweifel in bezug auf die Vergeistigung der Verfasserin von „Wissenschaft und Gesundheit” wird gar schnell verscheucht werden, wenn man über ihre inspirierte Bibelauslegung nachdenkt. Unsre Führerin erkennt, daß Jakob sich weigerte, dieses Erlebnis an sich vorübergehen zu lassen, ohne dadurch besonders gesegnet zu werden; sie zeigt, wie sein materieller Sinn gerügt und sein geistiger Sinn wiederhergestellt wurde. Zum Schluß schreibt sie (S. 309): „Also trat der Erfolg von Jakobs Kampf in die Erscheinung. Er hatte den materiellen Irrtum durch das Verständnis vom Geist und von der geistigen Macht besiegt. Dies wandelte den Menschen um. Er hieß nicht länger Jakob, sondern Israel, ein Fürst Gottes oder ein Streiter Gottes, der einen guten Kampf gekämpft hatte.”
Was sollten wir nun über die Jakobe der heutigen Tage sagen, über die von uns, die in einem fernen Lande des materiellen Sinnes geweilt haben, im Banne der Eigenliebe und des Eigensinns, beschwert mit Krankheiten und Disharmonien, und uns nun schließlich ganz allein finden im Ringen mit dem Irrtum? Vor allem, laßt uns nicht dieses Ringen als ein Unglück ansehen. Es muß zu Jakobs Ehre gesagt werden, daß wir nirgends hören, daß er sich dem Selbstbedauern hingab und etwa sagte: „Warum muß ich nun solch ein Problem haben?” Die Bibel berichtet, daß er die ganze Nacht durch rang —„bis die Morgenröte anbrach”. Um drei oder vier Uhr Morgens gab er nicht etwa den Kampf auf und sagte: „Zu was ist es nütze?” Er fuhr fort mit seinem edlen Ringen, bis das Licht der Wahrheit über ihm aufging und die Nichtigkeit und Machtlosigkeit der Irrtümer enthüllte, die ihn betrogen und beherrscht hatten.
Weiter, laßt uns fest entschlossen sein, daß die Erfahrung uns segnen muß, daß sie uns geistig höher führen muß, als sie uns antraf. So werden auch wir würdig sein, einen neuen Namen zu empfangen: Israel —„der Macht hat wie ein Fürst”. Wer von uns, der mit den Suggestionen des sterblichen Gemüts gerungen — Suggestionen von Krankheit oder Schmerz, Entmutigung oder völliger Verzweiflung — und sie beim Morgengrauen in das Bereich der Illusion verbannt gesehen hat, kann nicht von Segnungen zeugen, die er bis dahin nicht gekannt hatte?
Doch, mag da jemand einwerfen, wie kann einer der große Schmerzen leidet oder scheinbar im Banne der Furcht oder Sorge ist, Segen darin finden? Das ist natürlich unmöglich. Der Segen kommt erst, wenn der Wissenschafter, der seine Herrschaft als Königskind fordert, sich zu der herrlichen Erkenntnis erhebt, daß der Irrtum, mit dem er gerungen hat, unwirklich ist, daß er kein Gesetz, keinen. Ursprung, keine Gegenwart, keine Wirklichkeit besitzt. Er ist in der Tat gesegnet, wenn er, weil sich ihm eine schmerzhafte Annahme des sterblichen Gemüts als unwahr erwiesen hat, dazu geführt wird, die viel heimtückischere Suggestion der sogenannten Lustempfindung desselben sterblichen Gemüts als irrig zu erkennen und aufzugeben, und so die Befriedigung einer konsequenten Folgerichtigkeit kennen zu lernen. Kurz, um Shakespeares wohlbekannte Worte zu gebrauchen: „Süß ist die Frucht der Widerwärtigkeit”, wenn sie uns zwingt, uns rückhaltlos der Wahrheit über Gott und den Menschen zuzuwenden, und in geistigem Verständnis den Segen eines engeren Wandels mit dem liebenden himmlischen Vaters zu finden.
Scheint die Nacht deines Ringens endlos zu sein? Nur Mut, du Gottesstreiter; du erhältst einen neuen Namen in der Christlichen Wissenschaft, wenn du Anspruch erhebst auf dein Erbteil als Gotteskind. Durch das Dunkel, das nicht lange währt, halte fest an deinem ewigen Einssein mit dem unerschöpflichen Leben und der sieghaften Wahrheit. Fordere den Segen, der in jeder Prüfung deines Glaubens zu finden ist. Kann der Fürst Gottes irgend etwas anderes als der Gesegnete des Vaters sein? Salomon schrieb: „Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe.”
