„Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr“ (5. Mose 6:4). So klang der bewegende Aufruf des Moses an die Kinder Israel in einer Mahnung zum Gehorsam. Gar oft wurden die Kinder Israel aus ihrer Lethargie, ihrem Behagen in der Materie, der Nachfolge anderer Götter, mit jenem Ruf aufgerüttelt: „Höre, Israel.“ Es ist interessant zu bedenken, daß das englische Wort für „gehorchen“ von einem lateinischen Zeitwort mit der Bedeutung „hören“ abgeleitet ist, und ursprünglich war der Ausdruck für „hören“ gleichbedeutend mit „gehorchen“. Im Lehrbuch der Christian Science „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ stellt Mary Baker Eddy in beredter Weise die folgende Frage (S. 256): „Wer ist es, der Gehorsam von uns fordert?“ und sie selbst antwortet: „Er, von dem es in der Sprache der Bibel heißt:, Er macht's, wie er will, beide mit den Kräften im Himmel und mit denen, so auf Erden wohnen; und niemand kann seiner Hand wehren, noch zu ihm sagen: Was machst du?' “
Eine der grundlegenden Lehren des Lebens ist Gehorsam. Glücklich ist der Mensch, der in seiner frühen Kindheit gelernt hat zu hören und zu gehorchen. Wo Gehorsam gegen Gott die Regel ist, da herrscht Harmonie. Verwirrung, Zweifel, Ungewißheit und Unruhe sind die Früchte des Ungehorsams.
Vom geistigen Standpunkt aus ist Gehorsam nicht eine Frage persönlicher Entscheidung. Dem Gesetz des göttlichen Prinzips und seiner Wirksamkeit gehorchend, bewegt sich die mächtige Symphonie des Seins wie ein gewaltiges Ganzes und drückt den Rhythmus des Geistes und die Harmonie der Seele aus. Hier gibt es keine Möglichkeit für Abweichungen oder Ungehorsam, auch nicht ein Haarbreit, denn das göttliche Gemüt oder Prinzip, das Gott ist, ist der Handelnde, und die Schöpfung ist der Ausdruck von Gottes All-Wirken.
In „Wissenschaft und Gesundheit“ sagt Mrs. Eddy (S. 295): „Gott schafft und regiert das Universum, einschließlich des Menschen. Das Universum ist von geistigen Ideen erfüllt, die Er entfaltet, und diese sind dem Gemüt gehorsam, das sie schafft.“ Der Prophet Jesaja drückt einen ähnlichen Gedanken in jenen schönen Worten aus (40:26): „Hebet eure Augen in die Höhe und sehet! Wer hat solche Dinge geschaffen und führt ihr Heer bei der Zahl heraus? Er ruft sie alle mit Namen; sein Vermögen und seine starke Kraft ist so groß, daß es nicht an einem fehlen kann.“
Auf der Grundlage des einen Gemüts, des einen Ichs, gibt es keine Möglichkeit für Ungehorsam, Abweichung, Aufstand oder Fehlschlag. Das zwingende Gesetz der Prinzips behauptet sich selbst; es ist das Gesetz der Liebe, ein Gesetz der Erhaltung, Bewahrung, Beschirmung und ewigen Fortdauer für alles, das Gott widerspiegelt. Die Idee Gottes kann niemals außerhalb Gottes sein, sondern besteht innerhalb Seiner Unendlichkeit als Gottes freier und furchtloser Ausdruck, der in rhythmischer Harmonie die Herrlichkeit des Geistes widerspiegelt und offenbart. Unter der Regierung des Prinzips kann die Idee nicht von ihrem ewigen Lauf abgelenkt werden.
Wir brauchen nur die Ordnung des Weltalls zu betrachten, um ein Gesetz zu erkennen, das weit über dem menschlichen steht, ein Gesetz, das weder von dem Hochmut menschlicher Leistungen noch von der Verzweiflung menschlichen Elendes berührt werden kann. Das göttliche Gesetz ist nicht etwa weit entfernt von den menschlichen Angelegenheiten; es ist überall wirksam, und es hebt alle sogenannten menschlichen Gesetze auf und macht sie ungültig. Das geistige Gesetz regiert und beherrscht alles vom unendlich Kleinen an bis zum unendlich Großen. Wind und Welle, Vogel und Baum und Blume gehorchen diesem Gesetz. Als der Ausdruck Gottes ist der Mensch die Verkörperung und Erfüllung dieses Gesetzes. Es ist ebenso natürlich und unvermeidlich für den Menschen dem Gesetz Gottes zu gehorchen wie für die Sonne zu scheinen. Christus Jesus bewies dies, indem er jedes sogenannte physische Gesetz aufhob, die Kranken heilte und die Toten erweckte. Die Christian Science wiederholt heutzutage diese Beweise.
Vom Standpunkt des persönlichen Sinnes aus betrachtet—des Sinnes, der den Menschen mehr als eine menschliche Person als eine Idee Gottes ansieht—scheint der Mensch ein unabhängig handelndes Wesen zu sein, das wählen kann, ob es gehorsam oder ungehorsam sein will; das glaubt, daß es ein unabhängiges Gemüt hat, und daß es sein Vorrecht ist, selbst die Entscheidungen zu treffen in bezug auf sein Tun and Lassen. Ja, die Menschen sind oft ganz stolz auf dieses sogenannte Recht der freien Wahl und rühmen sich der Herrlichkeit persönlicher Leistungen.
Der Standpunkt des persönlichen Sinnes ist jedoch völlig verblendend und gänzlich falsch. Er stellt eine irrige Prämisse dar, mit einem umgekehrten Begriff der wahren geistigen Tatsachen. Von dieser Grundlage aus ergeben sich Verwirrung, Bestürzung, Ungewißheit und Qual. Das sterbliche Gemüt errichtet eine Mauer der Hemmung. Oft scheint unser Pfad verdunkelt zu sein, und Widerstand, Selbstsucht, Schüchternheit und Zweifel scheinen den Weg zu versperren. Man weiß nicht, worin der Gehorsam besteht. Dann sollte man sich einfach und ruhig der geistigen Wirklichkeit zuwenden, und sein Geburtsrecht als der geliebten Idee Gottes behaupten.
Anstatt auf steilem Pfade einen Berg zu ersteigen, bedrückt von einer schweren Last, wäre es nicht besser, ein Luftzeug zu nehmen und sich über die Schwierigkeiten zu erheben? In der Wissenschaft steht uns das Mittel zum Überwinden von Schwierigkeiten stets zur Verfügung. Wachsam und selbstlos betet man mit den Worten Mrs. Eddys (Gedichte, S. 14):
„Deiner Stimme lausch' ich gern,
um nicht irr' zu gehen,“
und alsobald wird der Ausblick sich aufklären, und das göttliche „Höre, Israel“ des geistigen Verstehens wird im Herzen widerhallen und den Weg erhellen.
Gehorsam ist nicht Resignation; es ist nicht Unterwürfigkeit Personen gegenüber, noch das Unterwerfen unter eine ungerechte Vorschrift. Der menschliche Wille kann keinen Gehorsam fordern und keinen Gehorsam erwecken. Gehorsam gestattet keinen Groll, keinen störrischen Eigensinn, keine Widerspenstigkeit, keinen Streit. Gehorsam ist die Frucht der Liebe und drückt sich in der menschlichen Erfahrung als unwandelbares Festhalten am Prinzip aus, und er offenbart sich im treuen Befolgen der ethischen und moralischen Gesetze.
Die Kraft der Menschen und Nationen ist abhängig von ihrem Festhalten am Prinzip und dessen stets wirksamem Gesetz der geistigen Entfaltung. Der einzige Widerstand, den es gibt, besteht in der Annahme eines von Gott getrennten Gemüts. Diese Annahme ist machtlos, denn sie ist nicht auf die Wahrheit gegründet. In dem einen Gemüt gibt es keinen Widerstand—nichts, das widerstehen, noch irgend etwas, dem widerstanden werden könnte. Nichts kann den nie endenden Ausdruck des unendlichen Gemüts hemmen. Zu verstehen, daß in Wirklichkeit der Mensch ebensowenig das himmlische Gesetz übertreten wie die Erde ihre Bahn verlassen kann, bricht den Bann der Sünde.
Unter dem sich selbst behauptenden Gesetz des göttlichen Prinzips gibt es keinen Raum für Unbotmäßigkeit, noch Gelegenheit für Trennung in der Einheit des allumfassenden Gesetzes der Liebe. „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr.“
