Petrus erkannte etwas, das wir alle, ihr sowohl wie ich, erkennen müssen, als er aus dem Kerker erlöst wurde, in dem der Haß, die Ketten und die Kriegsknechte des Herodes ihn gefangen halten wollten. Was er erkannte, war, daß Gott die Menschen „von allem Warten des ... Volks erretten“ kann (Apg. 12:11).
Ein Wörterbuch definiert „Warten“ oder „Erwartung“ als einen „Gemütszustand, in dem man in Gedanken nach etwas ausschaut, das sich ereignen soll; Voraussicht“. Dieses Etwas, nach dem man in Gedanken ausschaut, kann das Kommen von Bösem oder von Gutem bedeuten. In dem Fall von Petrus, und nur zu oft in unsern Tagen, bedeutet das Warten des Volks die allgemeine Erwartung des Bösen. Es ist die falsche Gedankeneinstellung der gottlosen materiellen Annahme, die in unwissender oder bösartiger Weise aus dem sterblichen Menschen ein Opfer ihrer Angriffe machen möchte.
Dieses Warten des Volks drückt sich in mannigfaltiger Art aus. Erbliche Belastung ist eine derselben. Weil einige Sterbliche, die Vorfahren genannt werden, gewisse unglückselige Charakterzüge oder Leiden hatten, sollen andere Sterbliche, die Nachkommen genannt werden, in gleicher Weise beschwert sein — das ist die Erwartung des Volks.
Zu gewissen Zeiten und unter gewissen klimatischen Bedingungen sollen gewisse körperliche Beschwerden auftreten; das ist die allgemeine Erwartung. Ansteckung ist ein weiterer Beweis von dem Einfluß allgemeinen Erwartens. Wenn jemand nach einem würdigen Ziel strebt, mit dem jedoch nicht alle einverstanden sind, so wird oft die Erwartung geäußert, daß dieses Streben und Planen fehlschlagen wird. So wird auch jemand, der moralisch oder ethisch einen unglückseligen Fehler begangen hat, der Erwartung des Volks gemäß zu unabwendbarem Unglück verdammt.
In Fragen der Gesundheit wird diese allgemeine Erwartung des Bösen in der Annahme ausgedrückt, daß gewisse Körper- oder Geisteskrankheiten unheilbar sind, daß andere lange Zeit für ihre Heilung beanspruchen, und daß wieder andere dauernde böse Nachwirkungen hinterlassen. Und wie oft kommt es vor, daß die Sterblichen alles, was das Zeugnis der materiellen Sinne als die Gemütsart eines Menschen bezeichnet, annehmen und erwarten, daß diese unveränderlich bleiben wird!
Doch diese Erwartung des Volks ist nicht etwa etwas, das man fürchten oder anbeten sollte. Sie geht nicht von dem einen wahren Gemüt aus, dem Vater alles wahren Bewußtseins. Ihr Ursprung ist im sterblichen Gemüt, dem Gegenteil des göttlichen Gemüts, und was da Böses für sich selbst oder andere erwartet, ist nichts weiter als sterbliches Gemüt, das beansprucht, das Leben, Gemüt und Bewußtsein und der Erhalter des Menschen zu sein.
Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, diesem irrigen, unechten Begriff der Erwartung, der Gott entthronen und das Böse auf den Thron setzen möchte, ja, der die Zukunft von Menschen und Völkern dem Fluch und Fehlschlag unterwerfen möchte, entgegenzutreten. Diese Wissenschaft offenbart euch und mir den wahren Begriff von Erwartung, den Gott, das einzige Gemüt des Menschen, immerdar im Bewußtsein Seines Sohnes pflanzt und erhält. Das ist die Erwartung des Volkes Gottes. Sie erkennt, daß ungeachtet dessen, was die Erwartung des lügenhaften sterblichen Gemüts behaupten mag, im Denken des Volkes gepflanzt und ernährt zu haben, Gott ewiglich alle wahre Individualität dazu antreibt, die fortwährende Entfaltung des Guten, und nur des Guten, zu erwarten, denn dies allein ist die Wirklichkeit der Schöpfung.
Mary Baker Eddy gibt uns einen offenbarenden Begriff der Schöpfung, wenn sie mit Bezug auf die Schöpfung Gottes sagt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 502, 503): „Diese Schöpfung besteht in der Entfaltung geistiger Ideen und deren Identitäten, die von dem unendlichen Gemüt umfaßt und immerdar wiedergespiegelt werden.“ Dies ist weit entfernt von dem, was die Sterblichen gewöhnlich erwarten, als die Wirklichkeit des Seins erscheinen zu sehen. Geistige Ideen sind die harmonischen Begriffe Gottes, die das Leben, das Bewußtsein und die Tätigkeit jedes einzelnen Seiner Kinder ausmachen.
Unsere einzig wahre Auffassung und Erwartung für morgen, für den nächsten Monat, für das nächste Jahr, für das nächste Jahrhundert ist die Erwartung, die unser Gott und Schöpfer uns gibt. Der geistig erwartungsvolle Sinn weiß, daß im Leben und Bewußtsein des Menschen nur das in Erscheinung treten kann, was Leben, Wahrheit und Liebe ausdrückt. Keine unwahre Theorie menschlicher Belastung, kein Fluch der Verdammung, keine auf Unwissenheit oder Bosheit beruhenden menschlichen Meinungen — die allesamt Auswüchse des unwahren sterblichen Gemüts sind — können die göttliche Wirklichkeit verdrängen, nämlich, daß das ewige Gemüt immerdar seine aufbauenden Ideen im Menschen entfalten läßt. Diese das-Böse-überwindenden, Gesundheit-und-Harmonie-bringenden Ideen sind die ewige Substanz des Ebenbildes des Vaters.
Um also vor „dem Warten des ... Volks“ beschützt zu werden, müssen wir uns klarmachen, daß das Denken der Sterblichen — einiger weniger oder auch aller — nicht der Herr und Gebieter über das Leben, die Bestimmung, die Gesundheit oder die Tätigkeit des Menschen ist. Gott ist der einzige, der jetzt und immerdar diese vitalen Dinge für die Seinen bestimmt.
Joseph durchkreuzte die Erwartungen eifersüchtiger Brüder. Daniel weigerte sich, den falschen Erwartungen seiner Feinde zum Opfer zu fallen, als Darius ihn in die Löwengrube werfen ließ. (Siehe Dan. 6.) Christus Jesus widerstand den Erwartungen des Volks, indem er Beschwerden heilte, die als unheilbar betrachtet wurden: Aussatz, Wassersucht, Lähmung, Stummheit, Blindheit, Taubheit. Er zeigte uns den Weg.
Die Erwartung des Volks sollte nie als ein Gesetz für den Menschen angesehen werden. Sie ist die irrige, falsche Annahme, die niemals mit ihren unwahren Behauptungen die sichere Fortdauer der Gesundheit, der Harmonie, der wertvollen Leistungsfähigkeit und des Friedens verdrängen, stören oder auch nur im geringsten beeinträchtigen kann, da der Wille oder das Gesetz Gottes auf ewig bestimmt haben, daß diese sich im Leben und Bewußtsein Seiner Offenbarwerdung als Seine Schöpfung entfalten sollen.
Laßt uns täglich das Warten des Volks verneinen, indem wir es als das erkennen, was es ist, nämlich als einen völlig irrigen Begriff der Erwartung, der von dem einen bösen sterblichen Gemüt stammt. Laßt uns jenen von der Wahrheit verliehenen Begriff der Erwartung beanspruchen, der jede Stunde des Wartens Gott anheimstellt, welcher in uns und in allem wirksam ist, das die Allmacht der göttlichen Liebe offenbart. So können wir mit dem Psalmisten singen (Ps. 62:5): „Sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoffnung.“
