Wer hätte nicht den Wunsch, praktisch anzuwenden was er weiß! Selbst ganz unabhängig von der Christlichen Wissenschaft ist das Ziel alles Unterrichts, erst das Wissen, dann aber auch die Anwendung des Gewußten zu lehren. Wieviel mehr sollte der Christliche Wissenschafter die Offenbarung, die ihm geworden ist, in Anwendung bringen!
Die Grundlage aller christlich-wissenschaftlichen Praxis oder Betätigung ist das geistige Verständnis. Bloße Annahme oder blinder Glauben ist nicht ausreichend. Die Annahme ist die Zustimmung des menschlichen Gemüts zu einer Vorstellung, die es selbst gebildet hat, und ist daher ebenso wandelbar und veränderlich wie das sogenannte Gemüt selbst. Annahme hat weder Beständigkeit noch Grundlage. Nur das geistige Verständnis, das die Offenbarung des göttlichen Gemüts ist, demonstriert die Macht des Gemüts. Im menschlichen Leben tritt es in Erscheinung als das, was die Menschheit erhebt, segnet, regeneriert und heilt.
Prinzip und Praxis können nicht getrennt werden. In ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 111) schreibt Mary Baker Eddy: „Das Prinzip der göttlichen Metaphysik ist Gott; die Betätigung der göttlichen Metaphysik ist die Nutzbarmachung der Macht der Wahrheit über den Irrtum; ihre Regeln demonstrieren ihre Wissenschaft.“ In all ihren Schriften finden wir interessante Bemerkungen über „Prinzip und Praxis“, die der Forscher selber mit Hilfe der Konkordanzen aufsuchen kann.
Das Hauptwort „Praxis“ wird in Wörterbüchern definiert als „tatsächliche Ausübung und Anwendung von erworbenen Kenntnissen; ... besonders solch tatsächliche Ausübung und Anwendung, die beruflich oder gewohnheitsmäßig betätigt wird,“ und das Zeitwort „praktizieren“ bedeutet etwas „beruflich oder gewohnheitsmäßig ausüben oder betätigen“. Die tatsächliche Praxis oder Betätigung der Christlichen Wissenschaft ist nicht etwas, das gelegentlich ausgeübt werden kann; es bedeutet das gewohnheitsmäßige, beständige, tägliche, ja sogar stündliche Leben und Sein des geistigen Bewußtseins. Nicht so sehr, was man an einem gewissen Augenblick denkt oder sagt, sondern was man gewohnheitsmäßig ist in seinem Denken und Leben, ist bei der Demonstration der Christlichen Wissenschaft von Bedeutung. „Das Lebenselement, das Herz und die Seele der Christlichen Wissenschaft, ist Liebe,“ erklärt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 113); ihre Betätigung trägt die Früchte des Geistes; ihre Regeln sind Gehorsam, Ehrlichkeit, Keuschheit, Selbstbeherrschung, Selbstzucht, Demut, Aufrichtigkeit, Hingabe und uneigennützige Liebe.
Das Hauptelement bei der Betätigung der Christlichen Wissenschaft ist die Befolgung des Ersten Gebots (2. Mose 20:3): „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Sie erfordert unbedingtes Gottvertrauen; denn sie geht keinen Vergleich ein mit materialistischen Methoden und duldet kein Schwanken. Die Früchte der christlich-wissenschaftlichen Betätigung sind Harmonie, Frieden und brüderliche Liebe. Da sie die Wirksamkeit des göttlichen Prinzips darstellt, das die Liebe ist, treibt die wissenschaftliche Behandlung die Furcht aus. In dem Denken, das vom Prinzip beherrscht wird, bleibt kein Raum für Zweifel oder Ungewißheit, für wankendes Vertrauen oder Unbeständigkeit; auch ist die Wirksamkeit des Prinzips keiner Schwankung, Umkehrung oder Niederlage ausgesetzt.
Bei der christlich-wissenschaftlichen Betätigung ist es das gesegnete Vorrecht aller, das anzuwenden, was sie wissen, ehe sie Beistand von einem andern erbitten. Der Christliche Wissenschafter, der sich bestrebt, das anzuwenden, was er weiß, hält unentwegt an allem fest, was Mrs. Eddy autorisiert hat. Er erkennt die Entdeckung unsrer Führerin als die vollständige Offenbarung der Wahrheit an, der lebendigen Wahrheit, die nicht stereotypiert werden kann, und die sich immer weiter entfaltet, die Offenbarung, die in all ihrer Reichhaltigkeit und Vollständigkeit in den Blättern ihrer von Gott inspirierten Schriften enthalten ist. Und er erkennt in der Bewegung, die sie gründete, das menschliche Erscheinen der göttlichen Idee. So unterstützt er unsre Führerin und die christlich-wissenschaftliche Bewegung mit unwandelbarer Treue.
Jede christlich-wissenschaftliche Behandlung nimmt die Annahme der mentalen „Malpraxis“ auf. Das Wort Malpraxis bedeutet schlechte oder falsche Praxis. Alle Folgerungen des sogenannten menschlichen, sterblichen Gemüts, das sich auf die Annahme und Theorie der Materie stützt, all sein materialistisches Wissen, seine Abgötterei und weltliche Anbetung, sein Blendwerk und seine Ausschweifungen, seine menschlichen Beziehungen und sein zu persönlicher Besitzerstolz, seine Selbstüberhebung und seine Laster, seine materielle Gewalt und seine Herrschsucht, sein selbstgefälliges menschliches Gutsein und persönliches Verantwortlichkeitsgefühl, zusammen mit wandelbarer Liebe, mit Eifersucht, Neid und Zwist, mit schrecklichen Krankheiten und betrüglicher Sophisterei — das alles ist gewissermaßen Malpraxis, die mythische Wirksamkeit eines mythischen Gemüts, die Gesamtsumme und das Wesen des Nichts. Alle diese Seiten müssen jedoch mental aufgenommen werden — auf ihr Nichts zurückgeführt werden — von der Grundlage des All-Wirkens des einen göttlichen Gemüts aus, welches Gott ist.
In „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 126) lesen wir: „Alle Wissenschaft ist göttlich. Der menschliche Gedanke hat niemals auch nur den geringsten Teil des wahren Seins ersonnen.“ Die Bosheit, ebenso wie die Unwissenheit, des menschlichen Denkens ist unwahr und machtlos. Der Irrtum ist bloß eine Verneinung, unter welcher Maske er auch erscheinen mag, und er kann ebensowenig die Wahrheit hindern oder verdunkeln, wie die Dunkelheit nicht in das Licht einzudringen und es auszulöschen vermag.
Das eigene individuelle Annehmen der irrigen Schlußfolgerung, daß wir Sterbliche sind, die in einer Welt andrer Sterblicher leben, ein jeder von uns ein Erzeugnis der Geburt und ein Opfer des Todes, ist eine Phase der mentalen Malpraxis. Das Annehmen dieser aggressiven Suggestion bringt, der Annahme nach, alle jene Übel, die unsres Fleisches Erbteil sind. Die ganze Unwahrheit des Lebens in der Materie, zusammen mit den Schlußfolgerungen und Handlungen, die sich daraus ergeben, wirkt wie Malpraxis — das falsche Wirken eines angeblichen Gemüts, das von Gott getrennt ist — und ist eine Verneinung der Wahrheit. Auf Seite 31 des Werkes „Miscellaneous Writings“ findet man die Antwort unsrer Führerin auf die Frage: „Was betrachten Sie als mentale Malpraxis?“
Was kann dann das Einzelwesen tun, um sich dagegen zu verteidigen? Der Prophet Jeremia fragte (Jer. 8:22): „Ist denn keine Salbe in Gilead, oder ist kein Arzt da?“ In der Tat gibt es ein Heilmittel, denn die Offenbarung der Christlichen Wissenschaft lehrt, daß Gott unendlich, Alles, ist, und daß der Mensch das Ebenbild und Gleichnis Gottes, der Sprößling der Gottheit, die Idee des Gemüts, ist, nicht das Erzeugnis der Materie. Der Mensch verweilt ewig im Gemüt und ist vom Prinzip beherrscht, von der Liebe umgeben und in der Seele verankert. Vor der Größe solch einer Erklärung unsres wahren Selbst wird der persönliche Sinn zum Schweigen gebracht, die Furcht wird vertrieben, die Schwankungen des materiellen Sinnes hören auf, und die Knechtschaft des Fleisches verschwindet vor dem geistigen Sinn, der Substanz der Seele.
Mit Recht sagte Paulus (2. Kor. 10:3–5): „Ob wir wohl im Fleisch wandeln, so streiten wir doch nicht fleischlicherweise. Denn die Waffen unsrer Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott, zu zerstören Befestigungen; wir zerstören damit die Anschläge und alle Höhe, die sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alle Vernunft unter den Gehorsam Christi.“
Die Freude wahrer Betätigung in der Wissenschaft besteht darin, alle Vernunft unter den Gehorsam Christi gefangenzunehmen, und das macht einen würdig, den Namen eines Christlichen Wissenschafters zu tragen.