Wir sind weit entfernt von dem Tage, an dem jemand, der vorsichtig am Althergebrachten festhielt, bemerkte: „Wenn unser lieber Herrgott gewollt hätte, daß wir fliegen, hätte er uns Flügel gegeben.“ Flugreisen werden heute nicht als ungewöhnlicher empfunden als Reisen zu Lande oder zur See. Der Mensch verlangt nicht länger „nach dem Mond“ — dem Unmöglichen. Er begibt sich auf den Mond und bringt etwas von ihm zurück. Und überall auf der Erde beobachten Millionen das Unternehmen aus der behaglichen Umgebung ihres eigenen Heims.
Die große Befreigung des Denkens in unserem Jahrhundert, in die Bahnen einer wissenschaftlichen Technologie gelenkt, bringt ständige Veränderungen im menschlichen Leben mit sich. Sie hat unser Universum sowohl kleiner als auch größer gemacht. Und sie regt zu tiefgehenden Fragen an.
In welcher Richtung bewegen wir uns? Und wollen wir dorthin? Vor einiger Zeit gab es ein Theaterstück mit dem Titel: „Haltet die Welt an — ich möchte aussteigen!“ Dieser Titel hatte eine gewisse Anziehungskraft. Die Kommunikationsmittel bringen in einem Augenblick die entferntesten Gegenden der Erde und den äußeren Weltraum an unsere Türschwelle, und das Reisen wird immer schneller, so daß viele das Empfinden haben, sie säßen auf einem durchgehenden Pferd oder ihre Skier schössen unter ihnen weg, einen viel zu steilen Hang hinunter. Wir fragen uns, wo all das enden wird und welchen Sinn es überhaupt hat. Wird es uns glücklicher machen oder noch mehr verwirren, weniger ängstlich oder noch ängstlicher?
Vor etwa siebzig Jahren fragte ein Reporter des New York Heralds unsere Führerin Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen WissenschaftChristian Science; sprich: kr´istjən s´aiəns., nach ihrer Einstellung zu den neuzeitlichen Erfindungen. Mrs. Eddy — sie war damals über achtzig Jahre alt — antwortete: „Oh, wir können uns ihnen nicht entgegenstellen. Sie führen alle zu einer neueren, verfeinerten, mehr vergeistigten Lebensweise. Sie trachten nach den feineren Elementen. Sie erhellen den Weg zu der Kirche Christi. Wir nutzen sie, wir machen sie zu unseren Ausdrucksmitteln. Sie bereiten den Weg für uns.“ The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 345 ; Und in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift erklärt sie mit der ganzen Elastizität eines geistig wissenschaftlichen Entdeckers: „Wir heißen die Zunahme des Wissens und das Ende des Irrtums willkommen, weil selbst die menschliche Erfindung ihren Tag haben muß, und unser Wunsch ist, daß auf diesen Tag die Christliche Wissenschaft, die göttliche Wirklichkeit, folge.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 95;
Die neuzeitlichen Erfindungen haben ihre Berechtigung darin, daß sie der Menschheit mehr Freiheit geben, über die Materie hinauszuschreiten und sich dem Geist zuzuwenden, nicht, die Zügellosigkeit im Materialismus zu nähren. Der Standpunkt, von dem aus wir neuzeitliche Erfindungen betrachten, ist genauso wichtig wie die Erfindungen selbst. Von dem zuverlässigen Standpunkt der ewigen Unwandelbarkeit der Wahrheit aus betrachtet, sind die menschlichen Erfindungen förderlich, nicht furchterregend. Sie deuten an, daß die Nebel des Materialismus sich lichten, die die Wirklichkeit von der unveränderlichen Beziehung des Menschen zum Geist als der Idee des Geistes umwölken möchten — der Idee, die nicht in oder von der Materie, sondern unbegrenzt ist und unendliche Fähigkeiten und Möglichkeiten besitzt.
Als Christliche Wissenschafter stellen wir unsere Gedankenkräfte darauf ein, die Gelegenheiten zur Erforschung des relativ unbekannten Reiches des Geistes zu ergreifen. Wir lassen uns die Israeliten vor alters eine heilsame Warnung sein, die Mose gegenüber murrten, als sie das Rote Meer vor sich hatten: „Haben wir's dir nicht schon in Ägypten gesagt: Laß uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben.“ 2. Mose 14:12; Selbst die menschliche Erfindung heißt uns voranschreiten, und sie kann der Menschheit dienstbar gemacht werden, indem sie die Menschen enger zusammenbringt.
Natürlich ist das Leben nicht so gemütlich wie früher. Mit der fortschreitenden Aufhebung von Zeit und Raum fiel auch der Schutzwall, der uns im vertrauten Familienkreis oder in der Ortsgemeinde umgab. Wir stellen fest, daß wir mit John Wesley, dem hervorragenden Prediger aus dem 18. Jahrhundert, sagen: „Ich betrachte die ganze Welt als meine Gemeinde.“ Journal of John Wesley, 11. Juni 1739; Es ist bemerkenswert, daß das Wort „Ausländer“ in den letzten zehn Jahren immer mehr aus der englischen Sprache verschwunden ist. Ein jeder fängt an zu erkennen, daß alle von uns Bürger der Welt sind und vielleicht bald Bürger des Universums sein werden.
Das hat natürlich seine Probleme. Es bedeutet, daß die oberflächliche physische Einheit durch mentales und geistiges Einssein untermauert werden muß, wenn wir unsere Welt nicht in die Luft sprengen wollen. Es bedeutet, daß wir die Erfindungen beherrschen müssen und nicht zulassen dürfen, daß sie uns beherrschen. Es bedeutet, daß wir uns dauernd Veränderungen anpassen müssen. Dies kann nicht ein für allemal geschehen.
Menschlich betrachtet, ist diese Aufgabe gewaltig. Krisen, beständiger Widerstand und Reibungen mögen dabei ins Spiel kommen. Wenn wir aber die Aufgabe vom Standpunkt der geistigen Wirklichkeit aus betrachten, ist sie weniger unangenehm, denn wir erkennen, daß es nur unser Denken ist, das sich durch geistiges Verständnis ändern muß. Mrs. Eddy sagt: „Dem körperlichen Sinn erscheint es, als ob die Sonne auf- und untergehe und die Erde stillstehe; aber die astronomische Wissenschaft widerspricht dem und erklärt, daß sich das Sonnensystem nach einem anderen Plan bewegt. Der ganze Augenschein des physischen Sinnes und alles durch die physischen Sinne erlangte Wissen muß der Wissenschaft, der unsterblichen Wahrheit aller Dinge, Raum geben.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 493;
„Der Wissenschaft, der unsterblichen Wahrheit aller Dinge“, Raum zu geben ist abenteuerlich und gleichzeitig erholsam — leicht, und doch so wunderbar wirkungsvoll. Es bringt das Himmelreich in unser Blickfeld, und wir erkennen Gott als den universellen Vater-Mutter, den Menschen als Sein geliebtes Kind und die unwandelbare Brüderschaft, die sich im Schmelztiegel der göttlichen Wissenschaft beständig entfaltet.
Wir betrachten diese Welt des Wandels von der geistigen Stille der Unwandelbarkeit Gottes aus. Wir erkennen, daß die gewaltigen Errungenschaften der Wissenschaft und Technik, die die Macht von Zeit und Raum durchbrechen, den Tag verkünden, wo wir, wie Jesus, sie samt und sonders allein durch die Macht des Geistes ausschalten werden — genauso wie damals, als er augenblicklich auf der anderen Seite des Sees war (siehe Joh. 6:21) oder als er mit Mose und Elia auf dem Berge sprach (siehe Matth. 17:1—3).
Christus Jesus wollte niemals, daß wir uns von menschlichen Verpflichtungen zurückzögen. Er betete für seine Jünger aller Zeiten: „Ich bitte nicht, daß du sie von der Welt nehmest, sondern daß du sie bewahrest vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich auch nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit ... auf daß sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; daß auch sie in uns seine.“ Joh. 17:15–17, 21;
Die Mutterkirche wendet sich der Welt zu, inniger und umfassender als je zuvor, um ihre Aufgabe bei der zunehmenden Einheit der Menschheit zu übernehmen. Ihr Vortragsrat bahnt sich den Weg in das Innere Afrikas und dringt tiefer in den Orient vor, um auch dorthin, lauschend und zum Guten beitragend, die frohe Botschaft von der ewigen Individualität des Menschen als des geliebten Kindes Gottes, der Liebe, zu bringen. Gegenwärtig ist vorgesehen, Wissenschaft und Gesundheit jedes Jahr in einer neuen Sprache herauszubringen, und auch andere Veröffentlichungen erscheinen in vielen Sprachen.
Die materielle Wissenschaft hat uns auf dem Weg, materiell zu einer einzigen Welt zu werden, ein großes Stück weitergebracht. Doch mit dieser Einheit sind gleichzeitig vielfältige. Spaltungen und Reibungen zutage getreten. Es ist die Mission der Christlichen Wissenschaft, der Menschheit ein so tiefes Verständnis von der unwandelbaren Vaterschaft und Mutterschaft Gottes zu vermitteln, daß wir unsere Brüderschaft erkennen. Das ist die wahre geistige Einheit. Das Kirchenzentrum der Christlichen Wissenschaft, das jetzt in Boston entsteht, ist ein Hinweis auf den immer stärker werdenden Wunsch der Christlichen Wissenschafter, die Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Menschheit auf diese Weise zu erreichen.
Menschliche Erfindungen mit ihrem materiellen Begriff von Einheit sind Nachahmungen dieser machtvollen geistigen Einheit. Während wir jetzt Ereignisse im Fernsehen verfolgen, werden wir schließlich den Menschen durch die Linse der göttlichen Wissenschaft betrachten. Während wir jetzt mit dem Düsenflugzeug oder der Rakete reisen, um einander zu sehen, werden wir schließlich verstehen, daß wir untrennbar, ein Herz und eine Seele im Reich des Gemüts sind. Die Zauberer Pharaos konnten Aarons Wunder, die Verwandlung des Stabes in eine Schlange, nachahmen. Doch es gab einen großen Unterschied. „Aarons Stab verschlang ihre Stäbe.“ 2. Mose 7:12.
Bis der Tag der endgültigen Wahrheit seinen Höhepunkt in unserem Bewußtsein erreicht, mögen wir für diese Erfindungen dankbar sein, die in ihrem Zuständigkeitsbereich nützlich sind, ein weniger materielles Denken symbolisieren und gute Dienste leisten, bis das Verständnis die absolute Wahrheit des Seins erreicht. Wir können uns den ständigen Veränderungen, die sie in das menschliche Leben bringen, leicht anpassen, zutiefst überzeugt von Gottes unveränderlicher Güte und dem unwandelbaren Einssein des Menschen in der Allheit des Geistes.
Zeige mir, Herr,
den Weg deiner Gebote,
dass ich sie bewahre
bis ans Ende.
Psalm 119:33