Im Johannesevangelium wird von den Ereignissen berichtet, die sich, nachdem Jesus den Sturm gestillt hatte, am darauffolgenden Tage zutrugen, als er und seine Jünger über das Galiläische Meer zur Westseite fuhren.
Die Menschen, die gespeist worden waren, hatten gesehen, daß die Jünger ohne Jesus hinausgefahren waren. Sie begaben sich aber trotzdem auf die Suche nach ihm. Sie benutzten mehrere kleine Boote, die vielleicht die Nacht zuvor durch den starken Westwind von ihrer Vertäuung in Tiberias losgerissen worden waren, und fuhren nach Kapernaum, wo sie zu ihrer Überraschung Jesus vorfanden (s. Joh. 6:22–25).
Der Nazarener erkannte sofort den Beweggrund ihres offensichtlichen Interesses und fuhr dann in der Synagoge (s. Vers 59) mit seiner meisterhaften Predigt über das Brot des Lebens und wahre Jüngerschaft fort.
Vielen mangelte es an der geistigen Erkenntnis, um ihn richtig zu verstehen, und von da an wandten sie sich ab „und wandelten hinfort nicht mehr mit ihm“ (s. Vers 60–66). Würden seine eigenen Jünger ihn ebenfalls verlassen? Hier beginnt Simon Petrus als der Fürsprecher der Zwölf hervorzutreten. „Da antwortete ihm Simon Petrus: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ Zu der Zeit erwähnte Jesus auch, daß er sich der Schwäche eines seiner Auserwählten bewußt war (s. Vers 67–71).
Der Ruhm des Nazareners war nicht auf die galiläische Provinz beschränkt, denn wie Matthäus berichtet, „kamen zu Jesus Pharisäer und Schriftgelehrte von Jerusalem“, denen mehr daran lag zu debattieren, als belehrt zu werden. Sie fingen an, die Jünger zu kritisieren, weil diese die ritualistische und religiöse Tradition mißachteten, nur um vom Meister an die nie veraltenden und reinen Grundlagen des mosaischen Gesetzes erinnert zu werden, die zu der Frömmelei ihrer traditionsgemäßen Auslegung im Gegensatz standen (s. Matth. 15:1–9; vgl. Mark. 7:1–13).
Die alten Städte Tyrus und Sidon, in die er jetzt reiste, lagen an der Mittelmeerküste, ungefähr 80 Kilometer von Kapernaum entfernt. In den Evangelien wies Jesus mehr als einmal darauf hin, daß er als erstes seine Mission unter seinen eigenen Landsleuten erfüllen müsse. Auf dieser Reise belohnte er jedoch die Ausdauer und den Glauben einer Heidin, einer Griechin aus Syrophönizien, die ihn bat, ihr Töchterchen, das von einem „bösen Geist übel geplagt“ wurde, zu heilen. Sie erhielt seine gütige Zusage mit den folgenden Worten: „O Weib, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter ward gesund zu derselben Stunde“ (s. Matth. 15:21–28; vgl. Mark. 7:24–30).
Jesus mied noch immer den Verwaltungsbezirk des Herodes Antipas, und so führte ihn sein Weg nördlich von Galiläa nach Osten, in die Dekapolis, ein Gebiet, dessen Grenzen nicht eindeutig festgelegt waren und in dem ursprünglich zehn verbündete griechische Städte lagen. Markus spricht von der Heilung eines Menschen, „der taub und stumm war“, und Matthäus berichtet, daß viel Volks geheilt wurde (vgl. Mark. 7:31–37; Matth. 15:29–31).
Wo immer er auch hinging, die Kunde von der Gegenwart des galiläischen Propheten verbreitete sich schnell. Große Menschenmengen versammelten sich, und sie blieben, um seinen Lehren zu lauschen und von ihm geheilt zu werden. „Zu der Zeit ... rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Mich jammert des Volks, denn sie haben nun schon drei Tage bei mir ausgeharrt und haben nichts zu essen. Und wenn ich sie ohne Speise ließe heimgehen, würden sie auf dem Wege verschmachten; denn etliche sind von ferne gekommen“ (s. Mark. 8:1–3; vgl. Matth. 15:32).
Nicht sehr weit von dieser Stelle entfernt hatten die Jünger an der Speisung der Fünftausend teilgenommen — ein Ereignis, von dem alle vier Evangelisten berichten —, und doch waren sie wieder verdutzt, als sie für so viele Speise beschaffen sollten. Was für sie sieben Brote und einige kleine Fische waren, betrachtete der Meister, nachdem er Dank gesagt hatte, als ausreichend, um über viertausend Menschen zu speisen, wobei sieben Körbe übrigblieben (s. Matth. 15:33–38; Mark. 8:4–9).
Jesus und seine Jünger fuhren noch einmal über das Galiläische Meer zur Westküste. Die scharfen Herausforderungen seitens der Pharisäer und Sadduzäer hatten nicht nachgelassen. Und nach einer offenbar kurzen Begegnung mit ihnen, bei der sie irgendein Wunder (oder „Zeichen“) begehrten, ging er von ihnen fort „und trat wiederum in das Schiff und fuhr hinüber“ (s. Mark. 8:10–13; vgl. Matth. 15:39; 16:1–4).
Die Sorge der Jünger, daß sie für diese kurze Bootsfahrt nicht genügend Proviant hätten, gab dem großen Lehrer Gelegenheit, sie vor einem Nachlassen des Glaubens zu warnen. Um das alles durchdringende Wirken des Himmelreiches zu veranschaulichen (s. Matth. 13:33), hatte er sich zuvor des Beispiels vom Sauerteig bedient. Und nun erklärte er anhand desselben Beispiels das Wirken des Bösen. „Er gebot ihnen und sprach: Schauet zu und sehet euch vor vor dem Sauerteig der Pharisäer und vor dem Sauerteig des Herodes“ (Mark. 8:15). Wie Matthäus berichtet (16:12), verstanden sie schließlich, daß er sie nicht vor dem Sauerteig des Brotes warnte, „sondern vor der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer“ — wir würden vielleicht sagen, vor dem Einfluß einer unmenschlichen Religion und Regierung.
Hier berichtet Markus von einer anderen Heilung in Bethsaida — einer Heilung von Blindheit (s. 8:22–26).
Cäsarea Philippi, eine Binnenstadt nördlich des Gebietes, wo Jesus gewirkt hat, wurde bald der Schauplatz einer wichtigen Entwicklung. Als Jesus seine Jünger fragte, für wen die Menschen ihn hielten, antworteten sie, daß sie glaubten, er verkörpere Johannes den Täufer, Elia, Jeremia oder einen anderen Propheten. Auf seine weitere Frage: „Wer saget denn ihr, daß ich sei?“ antwortete Simon Petrus: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Während aus verschiedenen Stellen der Evangelien hervorgeht, daß Jesu Messiasamt bereits erkannt worden war, wird in Cäsarea Philippi die Bedeutung dieser Offenbarung klarer. Der Meister wies darauf hin, daß der unvergängliche Felsen der Wahrheit, den das Bekenntnis des Petrus darstellte, die Grundlage seiner Kirche war, und bei dieser Gelegenheit sagte er zum erstenmal seinen endgültigen Sieg über den Tod voraus. (S. Matth. 16:13–28; vgl. Mark. 8:27–38; Luk. 9:18–27.)
Ungefähr eine Woche später, wahrscheinlich auf dem schneebedeckten Berge Hermon, trug sich zu, was als die Verklärung bekannt ist (s. Matth. 17:1–8; Mark. 9:2–8; Luk. 9:28–36).
Nur Petrus, Jakobus und Johannes war es vergönnt, bei Jesus zu sein, als dieser die Tochter des Jairus vom Tode auferweckt hatte (s. Mark. 5:37; Luk. 8:51). Nun nahm er ebendiese drei mit sich „und ging auf einen Berg, zu beten. Und da er betete, ward das Aussehen seines Angesichts anders, und sein Kleid ward weiß und glänzte“ (Luk. 9:28, 29).
Sie sahen, wie Mose, der große Gesetzgeber, und Elia, der die Prophezeiung darstellt, mit Christus Jesus sprachen, durch dessen Kommen ihre höchsten Erwartungen erfüllt wurden. Sie „erschienen verklärt und redeten von dem Ausgang, welchen er erfüllen sollte zu Jerusalem“ (Vers 31). Die Jünger waren eingeschlafen. Es soll Petrus gewesen sein, der die ersten impulsiven Worte sprach: „Meister, hier ist für uns gut sein! Lasset uns drei Hütten machen, dir eine, Mose eine und Elia eine.“ Dann überschattete sie eine Wolke, und sie hörten eine Stimme, die sagte (Vers 35): „Dieser ist mein auserwählter Sohn; den sollt ihr hören!“
Jesus und die Jünger waren wieder allein, und als sie den Berg hinabstiegen, gebot er den dreien: „Ihr sollt dies Gesicht niemand sagen, bis des Menschen Sohn von den Toten auferstanden ist“ (Matth. 17:9; vgl. Mark. 9:9). Wie Markus berichtet, befragten sie sich: „Was mag das heißen: auferstehen von den Toten?“ (9: 10.) Sie konnten auch die auf Maleachi 3:23 gegründeten Lehren der Schriftgelehrten nicht verstehen, die besagten, daß der Prophet Elia der Vorgänger des Messias sei. Jesus erklärte, daß diese Prophezeiung auf Johannes den Täufer Bezug nahm (s. Matth. 17:13).
