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Der Zeuge

Aus der März 1975-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Hintertür schlug zu, als Anita in die Küche gelaufen kam. „Mutti! Mutti!“ schluchzte sie. „Sieh dir mal mein Plakat an.“ Sie warf ein zerrissenes, schmutziges Stück Zeichenpapier auf den Küchentisch.

„War das Wolfgang wieder?“ fragte die Mutter.

Anita nickte. „Es war eins der drei besten Plakate in der ganzen Klasse und das hat er daraus gemacht.“ Tränen rannen ihr übers Gesicht. „Du hast es dir nicht einmal ansehen können.“ Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und vergrub den Kopf in den Armen auf dem Tisch. „Dieser große Schuft! Er ist gemein, und ich hasse ihn.“

Die Mutter legte einen Apfel vor Anita hin. Sie hatten wirklich ein Problem. Dieser große Junge aus einer anderen Schule hatte angefangen, Anita zu belästigen, wenn sie nach Hause ging. Mehrere Wochen lang hatte er schon ihre Arbeiten zerstört. Einmal hatte er sie vom Gehsteig hinunter in den Schmutz gestoßen und dabei ihre Jacke zerrissen.

„Liebling“, sagte die Mutter ruhig, „wir haben doch beschlossen, dieses Problem in der Christlichen Wissenschaft auszuarbeiten, nicht wahr?“

„Aber, Mutti, ich habe es versucht“, sagte Anita. „Jedesmal, wenn ich Wolfgang auf mich zukommen sah, sagte ich mir, daß er das vollkommene Kind Gottes sei. Aber er haßt mich einfach. Und ich weiß nicht, warum.“ Ihr Kinn begann wieder zu beben. „Die Christliche Wissenschaft hilft diesmal einfach nicht.“

Nach einigen Augenblicken antwortete die Mutter nachdenklich: „Weißt du, Christus Jesus fragte niemals, warum jemand eine Krankheit hatte, nicht wahr? Und wir werden unsere Zeit nicht damit verschwenden, zu fragen, warum Wolfgang sich so verhält. Vielleicht halten wir an Gedanken fest, die wir völlig ändern müssen.“

„Zum Beispiel?“

„Nun, was sagt die Bibel darüber, wie Gott den Menschen schuf?“

Anita dachte einen Augenblick nach. „In der Sonntagsschule lasen wir, daß Gott den Menschen zu Seinem Ebenbild schuf.“ S. 1. Mose 1:27;

„Das stimmt“, nickte die Mutter, „und ist dieser Mensch jemand, der haßt oder gehaßt wird?“

„Nein, ich glaube nicht“, sagte Anita und fügte dann schnell hinzu: „Aber ich hasse ganz bestimmt das, was Wolfgang tut.“

„Niemand erwartet, daß dir Handlungen gefallen, die verkehrt sind, Liebling. Aber Handlungen sind nicht der Mensch, oder doch?“

Anita schüttelte den Kopf. „Was kann ich tun, Mutti?“ fragte sie verzweifelt.

Die Mutter war still. Anita wußte, daß sie auf die Antwort lauschte, die Gott, das göttliche Gemüt, ihr geben würde. Plötzlich lächelte ihre Mutter. „Ja richtig, wir brauchen nur dem Befehl zu gehorchen, den Gott uns gibt.“

Anitas Augenbrauen schossen in die Höhe. „Gottes Befehl?“

„Ja. Eins der Zehn Gebote sagt uns:, Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.‘ 2. Mose 20:16; Liebling, weißt du, was es bedeutet, ,falsch Zeugnis‘ zu reden?“

„O ja“, antwortete Anita schnell. „Ich habe ein Fernsehprogramm gesehen, in dem ein Mann auf der Zeugenbank in einem Gerichtssaal saß und erzählte, wie jemand war. Dann erzählte ein anderer Zeuge, was diese Person getan hatte. Der Zeuge muß schwören, daß er die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagt. Aber manchmal lügt ein Zeuge, und das ist gegen das Gesetz.“ Anita hielt inne. „Ach, ich verstehe. Wer lügt, redet, falsch Zeugnis‘, nicht wahr, Mutti?“

„Genau“, stimmte die Mutter zu. „Wenn wir also wissen, daß Wolfgang Gottes vollkommenes Kind ist, und dann sagen, daß er ein Schuft sei, was tun wir dann?“

Anita bekam ganz große Augen vor Überraschung. Sie flüsterte beinahe: „Ich rede also falsch Zeugnis wider Wolfgang. Ich verstoße gegen das Gesetz — wenigstens gegen Gottes Gesetz.“

Dann stellte die Mutter ihr eine andere Frage, die sie sogar noch mehr überraschte. „Hast du auch falsch Zeugnis wider dich selbst geredet?“

„Wider mich selbst?“ wiederholte sie.

„Ja. Hast du dich als ein verängstigtes Mädchen gesehen, das außerhalb der schützenden Fürsorge Gottes ist? Als ein Mädchen, das von jemandem schlecht behandelt und gehaßt werden kann? Es ist genauso wichtig, daß du die Wahrheit über dich selbst verstehst wie über Wolfgang — die Wahrheit, daß du Gottes Kind bist, liebevoll, geliebt und sicher.“

„Ich habe nicht in dieser Weise über mich gedacht. Weißt du, mir sind da eben einige Worte von Mrs. Eddy eingefallen., Bist du mit dem Panzer der Liebe angetan, so kann menschlicher Haß dich nicht erreichen.‘ Wissenschaft und Gesundheit, S. 571. Ich werde mich in den Panzer der Liebe einhüllen!“

„Gut! Und denke daran, Anita, Haß kann dich überhaupt nicht erreichen — ganz gleich, ob er dir als das Denken anderer oder als dein eigenes Denken erscheint.“

Einige Tage danach zerriß Wolfgang wieder eine Arbeit, aber diesmal lief Anita nicht weinend nach Hause. Und sie wiederholte nicht bloß Wahrheitserklärungen. Sie versuchte mit aller Kraft, wirklich zu verstehen, daß sowohl sie als auch Wolfgang in Gottes Liebe eingehüllt waren. Es war nicht leicht, und es änderte sich nichts über Nacht. Aber als Wolfgang sie nach ein paar Wochen wiedersah, riß er ihr nicht ihre Arbeiten weg und schubste sie auch nicht. Er sah sie an und sagte nur schroff: „He, du.“

Eines Tages stürzte Anita ins Haus und schwenkte lachend ein Plakat. „Hurra, Mutti! Weißt du was? Du kennst doch Bill, Wolfgangs Freund? Er fing an, nach meinem Plakat zu greifen, und Wolfgang hielt ihn an und sagte richtig hart:, Laß sie in Ruhe. Sie ist meine Freundin.‘ Bill starrte ihn nur an. Und ich auch. Was sagst du dazu, Mutti?“

Die Mutter lachte. „Ich glaube, ihr legt jetzt beide richtiges Zeugnis ab.“

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