Ich wuchs als Kind in einer orthodoxen christlichen Familie auf, und immer, wenn ich jemanden sagen hörte: „Gottes Wille geschehe", wußte ich, daß sich etwas Schreckliches ereignet hatte. Entweder hatte ein tragisches Ereignis die Familie getroffen, oder jemandem war ein Unglück widerfahren.
Man hat Gottes Willen häufig für etwas Unergründliches, etwas Unverständliches gehalten. In Übereinstimmung mit der begrenzten Auffassung der Menschheit von der Gottheit wurde der göttliche Wille manchmal als eine mächtige Kraft zum Guten, dann aber auch als eine blinde Macht des Schicksals angesehen, die unerwarteterweise zuzuschlagen und zu fordern pflegt, daß das menschliche Wesen sich heldenhaft bemühe, die ihm durch eine falsche Auffassung von Gott auferlegten Lasten der Krankheit und des Todes zu tragen.
Christus Jesus lehrte seine Jünger, völlig dem Willen Gottes, des Vaters, zu vertrauen. Er erkannte Gottes Willen als die belebende Kraft seines Daseins und seiner Mission an, als das göttliche Gesetz des Guten, das alles wahre Sein erhält. Er sagte: „Ich bin vom Himmel gekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen des, der mich gesandt hat.“ Joh. 6:38; Und er lehrte seine Nachfolger, mit den Worten des Gebets des Herrn zu beten: „Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Matth. 6:10;
Die Christliche Wissenschaft offenbart Gott als das eine schöpferische Prinzip, das eine regierende Gemüt, dessen Wille stets alles, was Er erschafft, in einem Zustand fortdauernder Vollkommenheit erhält. Und sie beweist die Unwirklichkeit menschlicher Willenskraft als einer hypnotischen Macht des bösen Gemüts, von dem Christus Jesus sagte, es sei „ein Mörder von Anfang. .. denn die Wahrheit ist nicht in ihm“ Joh. 8:44;. Weiterhin enthüllt diese Wissenschaft des Gemüts-Heilens den geistigen Menschen, Gottes Ebenbild, und erklärt die Unwirklichkeit des sterblichen Begriffs vom Menschen.
Auf der Grundlage dieser offenbarten Wahrheiten von Gott und dem Menschen fährt die Wissenschaft fort, die Nichtsheit der Täuschung zu beweisen, daß sich das Leben von der Materie aus entwickele und dem Fleisch innewohne. Wenn wir unter Gebet diesem Gedankengang folgen, sind wir in der Lage, menschlichen Willen aufzugeben und Gottes Willen als das Gesetz zu beweisen, das jeden Aspekt unserer menschlichen Erfahrung regiert und beherrscht. Wir weilen bewußter im Himmelreich, dem Reich des Geistes, wo die zerstörerischen Kräfte des Materialismus und der menschlichen Willenskraft nicht den Anspruch erheben können zu handeln.
Anstatt menschlichen Willen anzuwenden, um materielle Zustände zu ändern, demonstriert die Christliche Wissenschaft den göttlichen Willen, der alles ausmerzt, was Gott nicht erschafft. Materielles Wissen kann nie eine Macht hervorbringen, sei sie nun aufbauend oder zerstörerisch, die den geistigen Menschen berühren oder beeinflussen könnte. Obwohl das sterbliche Gemüt bis in den Himmel bauen mag, kann sein Bau nicht von Bestand sein, weil er aus der substanzlosen Nichtsheit falscher Annahme gebaut ist. Die zerstörerischste Kundwerdung materieller Macht ist nur eine Nachahmung der allmächtigen Macht Gottes, der Wahrheit.
Alle materielle Kraft ist Illusion, denn Geist, die einzige Substanz, erfüllt allen Raum und ist allein allmächtig. Es gibt keine zerstörerische Kraft in der Harmonie des Seins, in der die Macht Gottes — Sein allmächtiger Wille — Seine Schöpfung geistiger Ideen ewiglich in ihrer Vollkommenheit erhält. Da Gott Alles ist, ist alles Geist, und Geist ist das Gute. Nichts existiert außerhalb des Geistes. Das, was Geist empfängt, erzeugt und zum Ausdruck bringt, hat an der Natur des Geistes teil. Der vollkommene Geist schließt kein zerstörerisches oder unvollkommenes Element in sich.
Mrs. Eddy verwirft die Annahme, daß der menschliche Wille sich Gott, der allmächtigen Wahrheit, entgegenstellen könne, und schreibt: „Willenskraft ist nur ein Erzeugnis der Annahme, und diese Annahme begeht Raub an der Harmonie. Der menschliche Wille ist ein tierischer Trieb, nicht ein Vermögen der Seele. Daher kann er den Menschen nicht richtig regieren. Die Christliche Wissenschaft enthüllt Wahrheit und Liebe als die Triebkräfte des Menschen. Der Wille — blind, halsstarrig und ungestüm — wirkt gemeinsam mit Begierden und Leidenschaften. Aus diesem Zusammenwirken entsteht sein Übel. Daher kommt auch seine Machtlosigkeit, denn alle Macht gehört Gott, dem Guten, an.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 490;
Wenn wir erkennen, daß Gott das einzige Gemüt und die Quelle allen wahren Denkens ist, wie die Christliche Wissenschaft enthüllt, bemühen wir uns eifrig, den menschlichen Willen zurückzuweisen, ja jeden sterblichen Einfluß, der uns im Denken und Handeln auf Wege lenken mag, die dem Willen des Vaters entgegengesetzt sind. Unser Verständnis, daß Wahrheit und Liebe die einzigen Triebkräfte des Menschen sind und daß Gott allumfassendes, unendliches Gemüt ist, hilft uns, die Unwirklichkeit — die tatsächliche Nichtsheit — der aggressiven Kräfte des Bösen zu demonstrieren, die uns sonst mit ihrem Anspruch auf Macht und Herrschaft überwältigen könnten.
Menschliche Willenskraft ist niemals ein heilender Faktor. Mrs. Eddy warnt uns davor, die Kranken durch die Anwendung von Willenskraft zur Gesundheit führen zu wollen. Sie schreibt: „Menschliche Willenskraft ist nicht Wissenschaft. Der menschliche Wille gehört den sogenannten materiellen Sinnen an, und sein Gebrauch ist zu verurteilen. Wenn man die Kranken durch die Anwendung der Willenskraft zu heilen sucht, so ist das nicht die metaphysische Betätigung der Christlichen Wissenschaft, sondern bloßer tierischer Magnetismus." Und sie fügt hinzu: „Menschliche Willenskraft kann die Rechte der Menschen verletzen. Sie bringt dauernd Böses hervor und ist kein Faktor in der Wissenschaft des Seins. Wahrheit, und nicht der körperliche Wille, ist die göttliche Kraft, die zur Krankheit sagt:, Schweig und verstumme!‘ “ ebd., S. 144;
Aus obigem geht klar hervor, daß menschliche Willenskraft keinen Platz in einer christlich-wissenschaftlichen Behandlung hat. Der Meister, der ebenso demütig wie mächtig war, erklärte: „Ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen des, der mich gesandt hat.“ Joh. 5:30; Gottes Wille ist das Gesetz der Wahrheit, die Macht des Gemüts, die der Mensch als Gottes Bild und Gleichnis verkörpert, und diese Macht ist unbegrenzt. Wenn wir eine spontanere Kundwerdung dieser Macht der Wahrheit in unserer Praxis sehen möchten, müssen wir allen menschlichen Willen aufgeben, alle vorgefaßten Meinungen darüber, wie, wann und wo eine Heilung zustande kommen sollte.
Wenn wir Gott als die einzige Ursache oder das einzige Prinzip alles dessen anerkennen, was wirklich existiert, können wir die heilende Macht der Wahrheit und Liebe beweisen. Wenn eine Heilung sich zu verzögern scheint, müssen wir eine klarere Erkenntnis davon bekunden, was der Wille des Vaters ist. Mehr von der Macht und Weisheit des Geistes, Gottes, muß widergespiegelt werden, und dies geschieht, indem wir mehr Hingabe, mehr Liebe, mehr Reinheit, mehr Wachsamkeit, mehr Intelligenz zum Ausdruck bringen. Diese Vergeistigung des Denkens wird das Kennzeichen dafür sein, daß der Christus, die wahre Idee Gottes, zum menschlichen Bewußtsein kommt. Sie wird aggressive Suggestionen der Furcht und Unwissenheit, des Zweifels an der Macht der Christlichen Wissenschaft, zu heilen, sowie Vertrauen auf materielle Mittel beim Heilen auslöschen. Wenn der Christus zum menschlichen Bewußtsein kommt, wird Gottes Wille geschehen, und die rechte Tätigkeit des menschlichen Organismus ist wiederhergestellt.
Gott ist unendlicher Geist. Er erschafft den Menschen zu Seinem Ebenbild und Gleichnis. Gottes Wille ist das allerhabene Gesetz der Wahrheit und des Guten, das die ganze Schöpfung erstellt, regiert und erhält. Sein Wille geschieht ewiglich. Wenn wir von diesem Standpunkt ausgehen, sehen wir die Wahrheit der von Gott regierten, geistigen Selbstheit des Menschen. Freudig ergeben wir uns dem Willen Gottes und rufen aus: „Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen.“ Ps. 40:9.