Wer unverheiratet ist, hat manchmal das Gefühl, nicht gebraucht zu werden oder daß ihn keiner haben will, und er sehnt sich nach der Ehe, um mit jemandem zu teilen, was er zu geben hat, und um selber geliebt und geschätzt zu werden. Andererseits, wer verheiratet ist, kann sich genauso unglücklich fühlen oder sogar noch unglücklicher. Er spürt vielleicht, daß ihm diese Verbindung nicht gibt, was er sich von jemandem erhofft hatte, den er lieben könnte und der ihn selbst lieben würde.
Die Scheidungsrate steigt in vielen Ländern in jedem Jahr weiter an. Es ist daher offensichtlich, daß die Ehe an sich nicht immer der Weg ins Glück ist, eher allzuoft der Weg ins Unglück. Die Erkenntnis tut not, daß wir an dem Verständnis unserer ewig vollkommenen Beziehung zu Gott als Sein geistiger Ausdruck arbeiten müssen. In dem Verhältnis, wie wir uns unserer Einheit mit Ihm bewußt sind und Seine Eigenschaften widerspiegeln, haben wir eine Grundlage für Harmonie in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen. Wenn wir aber von Personen das erwarten, was wir von Gott beanspruchen sollten, gibt es oftmals Disharmonie und Enttäuschung. In Rückblick und Einblick gibt uns Mrs. Eddy folgende ermutigende Hinweise: „Dem himmlischen Plan gemäß dienen die Erdenschatten dazu, die Neigungen zu läutern und das menschliche Denken zurechtzuweisen, auf daß es sich freudig von einem materiellen, falschen Begriff von Leben und Glück abwende, hin zu geistiger Freude und zu der wahren Wertschätzung des Seins.
Das Erwachen aus der irrigen Vorstellung, daß Leben, Substanz und Gemüt in der Materie seien, ist noch unvollständig; aber ich preise Gott für die klaren, nachhaltigen Lektionen der Liebe, die auf dieses Erwachen hinzielen.“ Rückbl., S. 21;
Ein junger Mann, der heiraten wollte, fragte sich: „Ist es möglich, daß zwei Menschen, die einander lieben, zusammen den Berg ersteigen können? In zu vielen Ehen ist der eine auf dem Berg, während der Partner immer und immer wieder nur um den Berg herumwandert.“
Zwei Menschen haben nicht immer dieselbe Einstellung zu etwas und teilen nicht immer dieselbe Vorstellung davon. Sie verstehen auch nicht unbedingt einen Abschnitt in genau derselben Weise und gewinnen daraus nicht immer dieselbe Inspiration. Zwei Menschen finden nicht immer an denselben Freunden und Vergnügungen Gefallen. Da sie getrennter Herkunft sind, unterschiedliche Vorbilder in bezug auf die Ehe und unterschiedliche Bekanntschaften und Tätigkeiten gehabt haben, mögen sie, was ihre Bedürfnisse und Befürchtungen, ihre Ziele und Freuden betrifft, sehr unterschiedlicher Auffassung sein.
Soll unsere Beziehung ein Schrittstein zu neuen geistigen Höhen sein, dann müssen wir die Wahrheiten des wirklichen Seins lieben und betätigen. Man mag seinen Partner nicht gleich auf den Berg mit sich hinaufbringen, aber man weiß: wenn man auch auf dem Pfad vorausgeht, kann man seinen Partner führen, ermutigen und segnen durch das, was man selbst bereits gesehen hat und kennt.
Wenn wir glauben, daß wir im wesentlichen versuchen, zwei Menschen zusammenzubringen und zusammenzuhalten, dann liegt ein Gefühl des Getrenntseins vor. Unterschiede werden hervortreten, und das führt zu Streß, Unzufriedenheit und Frustration. Wir können uns aber von dem endlichen, begrenzten Begriff von einer Person abwenden und ein Verständnis von der wirklichen Identität jedes einzelnen als der geistigen, vollkommenen Idee des Gemüts, Gottes, erlangen. Und wir können uns vornehmen, mehr von dem verstehen zu lernen, was ein jeder von Gott empfängt und was jeder einzelne tatsächlich aufgrund seiner Einheit mit Gott gibt. Dann wird die Beziehung in zunehmendem Maße harmonisch und gesegnet.
Eine junge Frau sagte, sie fühle sich unbehaglich bei dem Gedanken, von ihrem Mann Geld zu erbitten und zu erhalten, denn sie hatte vor der Ehe selbst ihren Lebensunterhalt bestritten. Sie fragte einen Ausüber der Christlichen Wissenschaft, wie sie ihren Mann, der sich in seiner Laufbahn großen Anforderungen gegenübersah, am besten metaphysisch unterstützen könnte. Sie wollte wissen, wie sie beten sollte, wenn er sorgenvoll, gehetzt, abgespannt und müde zu sein schien. „Warum sollten Sie nicht die Unterstützung, die er Ihnen geben kann, genauso selbstverständlich und dankbar annehmen, wie er die Ihre akzeptiert?“ fragte der Ausüber.
Die junge Frau war erleichtert und erfreut. Sie verstand nun klarer, daß die Partnerschaft in ihrer Ehe tatsächlich auf Gegenseitigkeit beruhte.
Wenn man daran arbeitet, ein besseres Verständnis von den geistigen Eigenschaften und Ideen zu bekommen, die man von Gott erhält, und von dem, was man von Gottes Gaben zu geben hat; wenn man klarer in dem Ehemann und der Ehefrau dasselbe Gesetz des Gebens und Empfangens sieht, verstärkt dies die Gegenseitigkeit in ihren Beziehungen, wobei jeder die Bedürfnisse des anderen stillt.
Wir müssen wahrscheinlich von der Erwartung ablassen, daß sich jemand zum „idealen“ Ehemann oder zur „idealen“ Ehefrau entwickeln wird, und statt dessen von der Erkenntnis ausgehen, daß das Ideal durch die geistigen Wahrheiten, die wir über den Menschen behaupten, zunächst in unserem eigenen Bewußtsein Gestalt annehmen muß. Wenn die körperlichen Sinne bezeugen, daß es am Guten fehle, sollten wir — anstatt darum zu beten, daß sich der Partner ändern möge — lieber darum beten, daß wir selber eine reinere Transparenz für die Strahlen der Wahrheit werden, die erneuern, erleuchten, inspirieren und heilen. Viele Stunden damit zuzubringen, die Wahrheit über den Menschen und seine unwandelbare Gottes-kindschaft zu studieren und dann eine Person daraufhin zu beobachten, ob sie sich schon geändert habe, das ist nicht die rechte Art und Weise, den anderen zärtlich zu lieben und ihm den aufwärtsführenden Pfad zu erleuchten.
Die Einheit der ehelichen Beziehung wird unter anderem dadurch gestärkt, daß wir über das Körperliche hinausschauen und uns von unseren geistigen Sinnen darüber belehren lassen, was den wahren Menschen als die Offenbarwerdung Gottes ausmacht. Als Christus Jesus auf den Unterschied zwischen der menschlichen Natur und unserer wirklichen und unsterblichen Identität als dem vollständigen, geistigen Sprößling des Geistes hinwies, sagte er: „Die Kinder dieser Welt freien und lassen sich freien; welche aber gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten, die werden weder freien noch sich freien lassen.“ Luk. 20:34, 35; Wenn „die Kinder dieser Welt“ mit dem Motiv heiraten, zu segnen, und entschlossen sind, einander innerlich nahe zu sein und ihren Verpflichtungen nachzukommen, können sie darum beten, die Beziehungen so zu neuem Leben zu erwecken, daß alles Unharmonische und rein Persönliche vergeht, und die Gottes-kindschaft jedes Partners zu beweisen.
Heiratet jemand nur aus selbstsüchtigen Beweggründen — vielleicht im Gedanken an das Alter oder wegen wirtschaftlicher Unsicherheit oder um einer unglücklichen Situation zu entfliehen —, so wird diese Ehe wohl kaum eine herzliche, gottgesegnete Verbindung sein. Wenn man eine sexuelle Abnormität zu verbergen sucht, indem man sie in eine „normale“ Beziehung kleiden möchte, so wäre das unehrlich und würde wohl unglücklich enden. In solchen Fällen wäre ein geistiges Erwachen und eine Läuterung der Motive und Wünsche notwendig, bevor eine Ehe fähig wäre, zu segnen und dem einzelnen zu helfen, mehr Geistigkeit zu gewinnen.
Mrs. Eddy definiert „Auferstehung“ als „Vergeistigung des Denkens; eine neue und höhere Idee von der Unsterblichkeit oder dem geistigen Dasein; die materielle Annahme, die dem geistigen Verständnis weicht.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 593. Ob wir nun glücklich oder unglücklich verheiratet sind, ob wir nun allein sind und uns die Ehe wünschen oder aber allein sind und auch allein bleiben möchten: wir müssen danach streben, aus dem illusorischen, persönlichen Begriff von uns selbst oder einem anderen „aufzuerstehen“ und unser Denken zu vergeistigen, bis wir die harmonischen, bleibenden Eigenschaften Gottes spüren. Wir müssen bereitwillig jeden begrenzten Begriff vom Glück aufgeben — die Vorstellung, daß das Glück durch Personen zu uns komme oder durch Personen von uns genommen werde.
Wir können uns freuen, daß das Glück allen Menschen zugehört, denn Gott freut sich Seiner Schöpfung, und Freude wird universell im Menschen ausgedrückt.