Gegen Ende seiner irdischen Laufbahn saß Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi mit seinen Jüngern zusammen und unterhielt sich mit ihnen. Er sehnte sich danach, von ihren Lippen irgendein Anzeichen dafür zu hören, daß sie die gewaltige Bedeutung seiner Mission erfaßten und verstanden, wer er war.
Es war Petrus, der die Antwort gab, die der Meister so gern hören wollte. „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Jesus erwiderte schnell und freudig: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Und er ließ die Verheißung folgen: „Ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Kirche, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Matth. 16:16–18 [n. der engl. King-James-Ausgabe];
Das Wort „Kirche“ wird hier zum erstenmal in der Bibel erwähnt. Aber seit den Tagen Abrahams, der nach einer „Stadt“ suchte, „die einen festen Grund hat“ Hebr. 11:10;, sind aus Steinen Altäre errichtet und sind Tempel erbaut worden, die das Verlangen der Menschen erkennen ließen, ihre Einheit mit ihrem Schöpfer zu fühlen. Allmählich entwickelte sich ein höherer Begriff von Kirche, dessen Höhepunkt in der Definition von „Kirche“ zu finden ist, die uns die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns), Mary Baker Eddy, im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, gegeben hat: „Der Bau der Wahrheit und Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht.
Die Kirche ist diejenige Einrichtung, die den Beweis ihrer Nützlichkeit erbringt und die das Menschengeschlecht hebt, das schlafende Verständnis aus materiellen Annahmen zum Erfassen geistiger Ideen und zur Demonstration der göttlichen Wissenschaft erweckt und dadurch Teufel oder Irrtum austreibt und die Kranken heilt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 583;
Heute stehen unsere Kirchen zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Viele von uns sehnen sich danach, aktivere, heilende Mitglieder in der Kirche zu werden, die unsere Führerin, Mrs. Eddy, gründete. Wir möchten sie stärken und erweitern, damit „die Pforten der Hölle ... sie nicht überwältigen“.
Wie können wir dies am besten tun?
Wenn wir uns einem persönlichen Problem gegenübersähen, würden wir auf unsere geistige Identität zurückgreifen. Wir würden uns klarmachen, woraus unser Selbst, seine Beziehung zu Gott, seine Sicherheit, seine Vollständigkeit und Vollkommenheit besteht. Wir würden uns vergegenwärtigen, daß das einzige Wir, das es gibt, Gottes göttliche Idee ist. Und weil wir wissen, daß solch ein Verständnis Heilung bringt, würden wir energisch an diesen geistigen Tatsachen festhalten, bis das Problem dem Gesetz Gottes gewichen ist.
Wenn das Problem unsere Kirche betrifft, packen wir es in derselben Weise an. Wir halten daran fest, daß „der Bau der Wahrheit und Liebe“, die geistige Identität der Kirche, sicher ist — ebenso sicher wie unsere eigene geistige Identität. Was gelegentlich angegriffen zu werden scheint, ist die menschliche Einrichtung, Die Mutterkirche und ihre Zweige. Durch die Bemühungen jedes einzelnen jedoch, der wirklich liebt, wofür unsere Kirche eintritt, und der richtig betet, wird diese Einrichtung geschützt und erhalten werden.
Was kann dieses Verständnis von der wirklichen Identität der Kirche für die Institution tun? Es gibt der menschlichen Organisation alles, was sie braucht, indem es die göttliche Idee „Kirche“ auf jedem Gebiet der Kirchentätigkeit deutlicher sichtbar macht. Die göttliche Tätigkeit, die in dem „Bau der Wahrheit und Liebe“ vor sich geht, ist die treibende Kraft und befähigt die Institution, ihre Arbeit zu tun.
Das Wort Gottes wartet nicht passiv darauf, gebraucht oder nicht gebraucht zu werden; es übt einen aktiven Impuls aus. Und in dem Maße, wie wir diese Tatsache zugeben und in unseren Gebeten für die Kirche daran festhalten, berichtigt sie alle menschlichen Zustände, die der Berichtigung bedürfen. „Der Bau der Wahrheit und Liebe“ ist nicht untätig wie ein materieller Bau. Er ist lebendig. Und unser individuelles Verständnis von diesem göttlichen Bau — d. h. das Aufrichten dieses göttlichen Baues in unserem Herzen — treibt die menschliche Einrichtung bei der Erfüllung ihrer Mission voran und stützt sie.
Mrs. Eddy führt dies in einem Brief an eine Kirche aus, die schuldenfrei geworden war und eingeweiht wurde. Sie sagt: „Der lobenswerte Erfolg dieser Kirche und ihre vereinten Bemühungen, ein Gebäude zu erstellen, um darin den Unendlichen anzubeten, hatten ihren Ursprung in dem Tempel, der zuerst im Herzen ihrer Mitglieder errichtet wurde — in der selbstlosen Liebe, die ohne Hände baut, ewig im Himmel des Geistes.“ Und sie fährt fort: „Gott gebe, daß diese Einigkeit erhalten bleibe und daß ihr fortfahrt, zu bauen und wieder zu bauen, auszuschmücken und diesen geistigen Tempel mit Gnade, Wahrheit, Leben und Liebe zu erfüllen.“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 195.
Offensichtlich war die Zweigkirche, an die unsere Führerin schrieb, erfolgreich, weil ihre Mitglieder zuerst den wahren Begriff von Kirche in ihrem Herzen aufrichteten.
Das Verständnis, das fortfährt, „zu bauen und wieder zu bauen, auszuschmücken und diesen geistigen Tempel ... zu erfüllen“, wird unseren Begriff von der menschlichen Einrichtung leiten und erheben. Solch ein Verständnis ersetzt unsere begrenzten und belasteten Annahmen. Es fördert Liebe und gegenseitige Wertschätzung unter den Mitgliedern, bringt geistige Zusammenarbeit und Einheit, ebenso wie es uns führt und den Weg weist. Es hilft uns, die Vitalität, Versorgung, Energie und Fähigkeit zu demonstrieren, die unsere Kirchen zur Durchführung einer jeden Aufgabe benötigen.
Einer der tröstlichsten Aspekte der Offenbarung der göttlichen Wissenschaft, die Mrs. Eddy zuteil wurde, ist vielleicht, daß menschliche Probleme niemals außerhalb der Reichweite der göttlichen Fürsorge liegen. Gott bietet uns Hilfe, wo und wenn wir sie brauchen. Diese Hilfe ist der Christus. Der Christus, Gottes wahre Idee, ist immer im menschlichen Bewußtsein wirksam und gibt uns den Antrieb, den wir benötigen. Jedes Anzeichen des Guten deutet auf die Tätigkeit des Christus hin.
Die zahllosen Erklärungen über den menschlichen Begriff von Kirche in Mrs. Eddys Schriften zeigen, welche Bedeutung sie dieser Einrichtung beimaß. Und es ist die Institution, der im zweiten Absatz ihrer Definition von „Kirche“ die Aufgabe zugetragen wird, „das Menschengeschlecht“ zu heben, „das schlafende Verständnis“ zu erwecken und „die Kranken“ zu heilen. Hier ist der Christus am Wirken, hier ist die geistige Idee tätig.
Das Heilen wird vielleicht zu häufig nur als Aufgabe der Ausüber der Christlichen Wissenschaft angesehen. Aber viele Heilungen finden während der Gottesdienste statt, und es können noch viele mehr stattfinden. Damit dies geschehen kann, müssen wir immer wieder auf Gottes Wort lauschen und dem Christus gemäß leben — unser Denken geistig so klar erhalten, daß nichts die heilende Wahrheit der Bibel und des Buches Wissenschaft und Gesundheit daran hindern kann, in unserem täglichen Leben wirksam zu sein.
In seiner Bergpredigt betont Christus Jesus, wie wichtig es ist, daß wir uns mit unserem Bruder versöhnen, bevor wir unsere Gabe auf dem Altar opfern (s. Matth. 5:23, 24). Was würde heute in unseren Gottesdiensten geschehen, wenn jedes Mitglied sich bemühte, vor dem Kirchenbesuch alle Feindseligkeit, alle Kritik, allen Eigenwillen oder jegliche Eigenschaft abzulegen, die verhindern möchte, daß das heilende Licht der Wahrheit hindurchscheint? Dies kann erreicht werden, wenn wir an dem wahren Zweck der Kirche festhalten, der sich auf wirkliches Christentum gründet.
Jeder Gedanke, den wir über die Kirche hegen, muß den „Bau der Wahrheit und Liebe“ verherrlichen. Jede Kirchentätigkeit muß das Ergebnis der göttlichen Tätigkeit sein, die in dem geistigen Bau vor sich geht. Dann werden wir feststellen, daß Begrenzung der Fülle, Belastung der Freude und Entmutigung größerer Festigkeit Raum gibt.
Gottes Wort definiert die wahre Kirche; und Christus verherrlicht das menschliche Erscheinen der wahren Kirche, die Institution. Wenn wir auf das Wort lauschen, dann erweitert dies unser Verständnis von dem „Bau der Wahrheit und Liebe“. Wir erkennen, daß wir nur dann eine Kirche haben, wenn sie sich auf das göttliche Prinzip gründet.
Folgendes ist der Prüfstein für alles, was wir in der Kirche tun: Beruht es auf dem göttlichen Prinzip, und geht es von ihm aus? Das wird der Fall sein, wenn wir den Christus unsere Tätigkeit leiten und unser Wesen umwandeln lassen. Ein Wandel von einer materiellen Anschauung zur göttlichen Wahrnehmung findet statt und bringt verbesserte Umstände mit sich. Wenn wir uns ernsthaft bemühen, das Wort Gottes in die Tat umzusetzen, wird unsere Kirche die höhere Bedeutung des Christentums ausdrücken, indem sie „das Menschengeschlecht hebt, das schlafende Verständnis ... erweckt ... und die Kranken heilt“.
