Kains Aufbegehren: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ 1. Mose 4:9; ist heute von besonderer Bedeutung angesichts der Tatsache, daß die Regierungen sich mit der Frage auseinandersetzen, wer für den Gesundheitsdienst verantwortlich ist und wie er am besten gewährleistet werden kann. Diejenigen, die eine Entscheidung treffen müssen, fühlen sich hin und her gerissen zwischen dem Recht des einzelnen auf die bestmögliche Versorgung und den enormen Kosten, die ein solches System auf nationaler Ebene mit sich bringen würde.
Was aber als Finanzbedarf für den Gesundheitsdienst, als erforderliche Programme und als Subventionen erscheint, ist tatsächlich ein Aufruf zu einem tieferen Verständnis, daß Gott den Menschen versorgt. Die Menschen wenden sich materiellen Hilfsmitteln zu, um etwas für die Gesundheit zu tun, weil sie glauben, sie seien materiell und hätten daher materielle Bedürfnisse. Aber das materielle Dasein ist wie eine Filmkulisse. Es ist nichts Wahres oder Substantielles daran. Ja, es ist nur eine falsche Vorstellung.
Wenn wir diese mentale Fassade beiseite schieben, indem wir ihr alle Wirklichkeit bestreiten, beginnen wir, das geistige Wesen des Menschen als Gottes Widerspiegelung zu erkennen. Diese Widerspiegelung oder Idee ist präzise, klar; sie kann von ihrer Quelle nicht getrennt werden. Was der Mensch ist und was er benötigt, kommt vom göttlichen Gemüt und ist in ihm enthalten. Versorgung durch Gemüt ist unbegrenzt; die Zahl der Ideen, die Gott bewußt versorgt, ist grenzenlos, ebenso wie die verschiedenen Möglichkeiten, durch die Er diese Betreuung zum Ausdruck bringt, unendlich sind. Wer erkennt, daß Gott Seine Kinder vollkommen versorgt, kann das auch sofort beweisen.
In der Bibel finden wir viele derartige Beweise. Die Christliche Wissenschaft erklärt erschöpfend deren wissenschaftliche Grundlage. Sie zeigt, daß Gottes Fürsorge für den Menschen unparteiisch und gerecht ist, denn Gott ist Prinzip. Er gibt nicht einigen Ideen bessere Gesundheit als anderen. Da die Schöpfung rein geistig ist, gibt es keine Gesetze physischer Vererbung, noch gibt es eine materielle Umgebung oder materielle Umstände, denen der Mensch zum Opfer fallen könnte.
Gott ist sich selbst erhaltendes Leben. Daher kann das Leben und die Versorgung Seines Ebenbildes niemals in irgendeiner Weise auf die Materie angewiesen sein. Unser Vater-Mutter Gott ist Liebe. Er erhält und hegt daher jede einzelne Seiner Ideen. Gottes Fürsorge schließt jede Möglichkeit für menschliche Wünsche aus.
Unsere Führerin, Mrs. Eddy, erklärt das folgendermaßen: „Gänzlich getrennt von diesem sterblichen Traum, dieser Täuschung und Verblendung des Sinnes, kommt die Christliche Wissenschaft, um den Menschen als Gottes Ebenbild zu offenbaren, als Seine Idee, mit Ihm zugleich bestehend — Gott, der alles gibt, und der Mensch, der alles hat, was Gott gibt.“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 5;
Auf dieser Grundlage heilte Christus Jesus die Lahmen und Kranken, die Krüppel und Geisteskranken. Seine Heilungen beweisen, daß wir uns in Zeiten körperlicher Not stets an die göttliche Wahrheit wenden und sichere Hilfe finden können. Sie zeigen, daß wahre Gesundheit ein Zustand des göttlichen Bewußtseins ist; daß sie nichts mit sogenannten Organen, Geweben und Muskeln zu tun hat, sondern allein von der Christlichkeit unseres Denkens abhängt.
Tatsächlich ist jeder einzelne für seine körperliche Gesundheit selbst verantwortlich. Aber diese Verantwortung kann er nur dann auf sich nehmen, wenn er bereit ist, die Verantwortung für das eigene Denken zu tragen. Die Quelle körperlicher Gesundheit ist das Bewußtsein, daß der Mensch Gottes Gleichnis ist. Wenn wir uns als Gottes Idee sehen, von Seiner unendlichen Fürsorge umgeben, wissen wir, daß uns keine Macht, die sich Krankheit nennt, angreifen kann, daß sich kein Übel auf uns in irgendeiner Weise übertragen kann und daß nichts in uns der angeblichen Versuchung erliegt, krank zu sein. Halten wir an den geistigen Tatsachen des Seins fest, wird Krankheit geheilt, indem die Vorstellung, daß Gesundheit ein unberechenbarer, angreifbarer Zustand der Materie sei, durch die Idee ersetzt wird, daß sie auf einer unveränderlichen Grundlage beruht, nämlich Gott.
Mrs. Eddy schreibt: „Die Christliche Wissenschaft löscht in den Gemütern der Kranken die irrige Vorstellung aus, daß sie in der Materie oder kraft derselben leben oder daß ein sogenannter materieller Organismus die Gesundheit und das Dasein der Menschen beherrsche; und sie führt uns dazu, Ruhe zu finden in Gott, der göttlichen Liebe, die den Menschen mit allen Dingen versorgt, die für sein Wohlergehen erforderlich sind.“ Grundzüge der Göttlichen Wissenschaft, S. 12; In diesem Licht betrachtet, ist der Mensch weder seines Bruders Hüter noch ist sein Bruder für ihn verantwortlich. Aber diese Tatsache ist keine Entschuldigung dafür, die bitteren Nöte der Menschheit zu ignorieren.
Der Mensch empfängt nicht nur Gottes allumfassende Liebe, er spiegelt sie auch wider. Die selbstlose Liebe, die wir für unsere Familie und unsere Freunde empfinden, ist Gottes Liebe. Und je besser wir die universale Natur der göttlichen Liebe verstehen, um so tiefer und umfassender wird unsere Liebe. Wenn sich unsere Liebe auf jenes Gebot gründet, das uns Jesus anempfahl: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ Matth. 22:39;, ist sie vor den Untiefen des persönlichen Sinnes und fehlgeleiteter menschlicher Tätigkeit sicher.
Andere so zu lieben ist ein heiliges Vorrecht, denn unseres Meisters Gebot ist ein Aufruf, sie als Gottes Widerspiegelung zu sehen. Daher drückt sich wahre christliche Liebe in Fürsorge für andere aus — einer Fürsorge, die weit mehr ist als bloße Mildtätigkeit. Nicht was wir für jemanden tun, sondern wie wir über ihn denken, das macht unsere Fürsorge wirklich christusgleich.
Ein wissenschaftlicher Christ schreibt seinem Nächsten immer Geistigkeit, Gesundheit und Kraft zu. Er läßt sich nicht dazu verleiten, über andere in sterblichen Begriffen zu denken, wie „körperlich“, „alt“ oder „kränklich“. Er bestärkt seinen Freund in dem Verständnis, daß er der von Gott geschaffene Mensch ist und Gott ihm Seine Fürsorge zuteil werden läßt. Er spiegelt Gottes Liebe wider und verdeutlicht dadurch das Zusammentreffen des Menschlichen mit dem Göttlichen. Für jemand anders zu sorgen mag manchmal eine anstrengende und undankbare Aufgabe sein. Aber Christi Jesu liebevoller Zuspruch: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ 25:40; ist der Lohn für unsere Fürsorge.
Mrs. Eddy beleuchtet die wissenschaftlich christliche Grundlage für den Gesundheitsdienst in ihrer Antwort auf die Frage: „Können Sie sich selbst helfen?“ Sie schreibt: Gott gibt einem jeden jeden Kraft, und ich vertraue auf Seine Verheißung:, Siehe, ich bin bei euch alle Tage‘ — das heißt immer und auf allen Wegen... Es mag Ausnahmefälle geben, wo ein Christlicher Wissenschafter, der mehr zu überwinden hat als andere, zeitweilig Hilfe braucht; dann ist es recht, daß einer, des andern Last‘ trägt und so, das Gesetz Christi‘ erfüllt.“ Vermischte Schriften, S. 39.
Christliche Betreuung heißt nicht, die Last des einen einem anderen aufzuerlegen. Wir tragen des anderen Last, wenn wir erkennen, daß der Anspruch des Irrtums keine Macht hat, ihn zu bedrücken oder zu versklaven — wenn wir die Unwirklichkeit dieses Anspruchs erkennen. Dadurch unterstützen wir ihn in seinem Bemühen, den Anspruch durch Gebet auszulöschen.
Während ich in einer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, Mitglied im Pflegekomitee war, bat mich ein Kirchenmitglied um Hilfe, und zwar zu einer Zeit, wo ich es selbst nicht besuchen und niemanden finden konnte, der das für mich hätte tun können. Mein Verantwortungsgefühl und meine Sorge um diese Frau waren sehr groß. So betete ich um Führung. Der Gedanke, daß der Mensch als Gottes Idee immer von Gott versorgt wird, kam mir so klar, daß der suggestive Gedanke an einen hilfsbedürftigen Sterblichen verschwand. Ich lauschte nur auf das, was Gott mir über Sein Wesen und über Seine Fürsorglichkeit für alle Seine Kinder offenbarte. Einige Minuten später erhielt ich zu meiner großen Erleichterung einen Anruf von diesem Mitglied. Die Frau sagte mir, sie habe soeben eine wunderbare Heilung erlebt, und es sei nicht mehr nötig, jemanden vorbeizuschicken.
Bis die Welt völlig zur Wahrheit des Seins erwacht ist, wird alles, was mit dem Gesundheits- und Pflegedienst zusammenhängt, weiter bestehen. Jedoch wird er viele Änderungen erfahren. Der gesamte Begriff von einem Gesundheitsdienst wird nach und nach von einer höheren Warte aus gesehen. Anstatt daß Sterbliche sich bemühen, anderen Sterblichen durch materielle Mittel zu helfen, werden die Menschen erkennen, daß Gottes Liebe zu ihnen als Seiner Idee unergründlich ist, denn allein diese Erkenntnis wird unsere menschlichen Nöte vollständig stillen. Wenn wir diese Liebe immer mehr empfinden, werden auch wir sie zum Ausdruck bringen und so dazu beitragen, die ganze Menschheit zu erleuchten und zu erheben.
