Für mich liegt die entscheidende Bedeutung der Christlichen Wissenschaft darin, daß sie Gott als Vater und Mutter erklärt. Meine Liebe zu dieser Idee geht auf meine erste Begegnung mit der Kirche zurück.
Meine Eltern hatten ernste Probleme in ihrer Ehe, und ich war darüber tief betrübt.
Als ich zwölf Jahre alt war, lud mich eine Freundin für das Wochenende ein. Das bedeutete, daß ich eine christlich-wissenschaftliche Sonntagsschule mit ihr besuchen würde.
Am Sonntagmorgen saß ich dann in einer Gruppe ungefähr gleichaltriger Mädchen, und die Lehrerin sprach die ganze Zeit darüber, daß Gott unser Vater und unsere Mutter ist. Sie machte mir klar, daß Gott der Vater und die Mutter meiner Eltern und von mir war. Sie erklärte, daß dieser Vater-Mutter Gott alle Seine Kinder liebt und sie nur in Harmonie sieht. Sie ahnte nicht, was das für mich bedeutete. Ich war Feuer und Flamme nach dieser Stunde. Ich ging nach Hause und erzählte meiner Mutter die ganze Woche nur von dieser Sonntagsschule.
Ich wollte sie wieder besuchen, aber meine Mutter sagte: „Das kannst du nicht machen, du gehörst einer anderen Kirche an.“ Aber ich ließ nicht locker und plagte sie; ich war den Tränen nahe. Schließlich packte sie die Neugierde; sie brachte mich in die Sonntagsschule und ging selbst in den Gottesdienst.
Nach der Kirche sagte sie: „Du hast vollkommen recht. Hier ist etwas Besonderes.“ Von diesem Zeitpunkt an besuchte sie die christlich-wissenschaftlichen Gottesdienste, und mein Bruder und ich gingen in die Sonntagsschule.
Langsam veränderte sich die Lage zu Hause. Die Bibel verheißt uns: „Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden; denn er verläßt sich auf dich.“ Jes. 26:3; Meine Mutter studierte täglich die Christliche Wissenschaft, was unserer Familie Frieden und größere Harmonie brachte. Es gab weniger Streit, weniger medizinische Behandlungen und weniger finanzielle Schwierigkeiten. Wir waren glücklicher und bei besserer Gesundheit.
Für mich ist das ein Zeichen, daß die Kirche lebendig ist und Kinder ganz natürlich Zufriedenheit in ihr finden. Wenn wir die tiefere Bedeutung unserer Gottesdienstbesuche verstehen, ist es natürlich, die Kirche zu lieben. Die Kirche gedeiht, wenn wir individuell die ewige Wahrheit besser verstehen, die immer gegenwärtig ist. Wir nehmen dieses Verständnis mit in die Sonntagsschule, an unseren Arbeitsplatz, zur Hausarbeit und in den Familienkreis.
Ich wünschte, wir erreichten mehr junge Leute durch diese Lebendigkeit der Kirche. Ich glaube, es liegt an den Erwachsenen — Ihnen und mir. Wir müssen mehr tun, als lediglich unseren Kindern zu sagen, was wahr ist; wir müssen die Wahrheit tatsächlich leben und lieben.
In ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für 1902 schreibt Mrs. Eddy: „Leben und leben lassen, ohne viel Geschrei nach Auszeichnung oder Anerkennung; der göttlichen Liebe dienen; die Wahrheit obenan auf die Tafel seines Herzens schreiben — das spricht für einen gesunden Verstand und eine vollendete Lebensführung und ist mein menschliches Ideal. Die Wissenschaft vom Menschen und vom Universum, die im Gegensatz zu allem Irrtum steht, bricht sich Bahn, und Wahrheit eilt ihr entgegen und heißt sie willkommen. Sie läutert alle Völker und Religionen, alle Ethik und alles Wissen und macht die Kinder zu unseren Lehrern.“ ’02, S. 2.
Nur selten betrachten wir Kinder als unsere Lehrer. Und doch wollen sie durch ihre Fragen der Wahrheit auf den Grund gehen. Darum geht es meines Erachtens beim Lehren.
Bevor ich die christlich-wissenschaftliche Sonntagsschule entdeckte, konnte ich nie jemanden finden, der meine Fragen über Gott beantwortete; jedenfalls waren die Antworten nicht logisch oder annehmbar. Und doch fühlte ich in meinem Herzen, daß Er ein Gott der Liebe war, der nur Gutes für Seine Kinder bereithielt. In meiner eigenen Ehe und bei meinen Kindern wurde immer wieder die grundlegende Lehre bewiesen: Gott, das Leben selbst, ist Liebe. Wenn wir das erst einmal verstehen, ist es nicht schwer, uns Seiner Herrschaft zu beugen.
Aber auf die Weisungen der Liebe zu warten und sie zu befolgen heißt nicht, daß die Antwort — menschlich gesehen — uns immer das bringt, was wir erhofften oder unseren Wünschen entspricht. Als unsere Tochter fünf Jahre alt war, sträubte sie sich, zur Sonntagsschule zu gehen. Ich war verblüfft. Ich ging so gern in die Kirche, und bis dahin war sie immer gern in die Sonntagsschule gegangen. Nachdem ich monatelang gebetet und einen Ausüber hinzugezogen hatte, beriet ich schließlich die Sache mit ihrem Vater, der überhaupt nicht zur Kirche ging. Vielleicht sollte ich einmal hören, was er gern hätte, dachte ich. Hatte ich jemals seine Einstellung zur religiösen Erziehung unseres Kindes erwogen?
Der Gedanke, daß unsere Tochter in eine andere Sonntagsschule gehen würde, traf mich hart. Ich konnte mich nicht damit abfinden, daß ich sie nicht mit in die christlich-wissenschaftliche Kirche nehmen würde. Nach langem Ringen und Beten war ich aber schließlich überzeugt, daß es von einem christlichen Standpunkt aus wichtig war, die Meinung ihres Vaters zu berücksichtigen.
Ich fragte meinen Mann, ob er unsere Tochter mit in eine andere Kirche nehmen möchte. „Ich wüßte nicht wohin“, antwortete er. Doch ich empfand, daß es in diesem Fall nicht gut wäre, sie zum Sonntagsschulunterricht zu zwingen. Wir kamen zu dem Schluß, daß es im Augenblick das beste wäre, die Kleine Sonntag morgens bei ihrem Vater zu lassen.
Natürlich gibt es endlos viele Beispiele dafür, wie Eltern — durch Gebet ermutigt — darauf bestanden, daß ihr rebellierendes Kind die Sonntagsschule besuchte, damit seine geistige Erziehung nicht unterbrochen werde. Und später stellte sich heraus, daß sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. In unserem Fall jedoch hatte die ablehnende Haltung andere Dimensionen, und gesunder Menschenverstand gemeinhin oder autoritäres Verhalten schienen einfach nicht angebracht. Am wichtigsten war es, mein Denken über den Eigenwillen zu erheben. Ich mußte die Rolle der beunruhigten Mutter zurückweisen, die besorgt ist, daß mentale Kräfte am Werk sein könnten. Ich mußte anerkennen, daß das eine Gemüt allmächtig und stets gegenwärtig ist und es keine entgegengesetzte Mentalität geben kann.
Ich lernte, von ganzem Herzen darauf zu vertrauen, daß dieses Kind nicht von der Fürsorge seines Vater-Mutter Gottes getrennt sein konnte. Ich bemühte mich, besser zu verstehen, daß dieses Kind von Wahrheit und Liebe umgeben war, und erlangte dieses Verständnis auch. Gott bringt sich beständig durch Seinen Christus zum Ausdruck und offenbart sich uns, wo immer wir auch sind. Durch diese beständige Offenbarung werden das Leben, die Intelligenz und Integrität des Menschen aufgedeckt.
Es gelang mir, mich diesem geistigen Denken hinzugeben und freudig auf Gott zu vertrauen. Ich war überzeugt, daß ich angesichts der besonderen Umstände die richtige Entscheidung getroffen hatte. Für einige Zeit blieb nun unsere Tochter Sonntagmorgens bei ihrem Vater, während ich in die Kirche ging.
Dann kam sie eines Morgens zu mir und sagte: „Mutti, ich möchte gern wieder mit dir in die Sonntagsschule gehen.“ Die Freude, die ich in diesem Moment empfand, könnte ich nie in Worte fassen. Von nun an war unsere Tochter eine begeisterte Schülerin in der Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft. Später wurde sie Mitglied Der Mutterkirche, hatte Klassenunterricht und ist auch jetzt noch eine aufrichtige Christliche Wissenschafterin.
Diese Erfahrung lehrte mich, daß die Beziehung zwischen Kindern und Kirche, ebenso wie die Erziehung, individuell, nicht dogmatisch, sein muß. Diese Beziehung entwickelt sich ruhig und ausgeglichen, wenn wir erkennen, daß wir alle Gottes geistige Sprößlinge sind und nicht eine Ansammlung untereinander verwandter Egos, die durch Zeit und Tradition gebunden sind. Kinder und Eltern werden gesegnet und wahrhaft erzogen, wenn die Eltern diese Wahrheit leben, die, wie wir hoffen, unsere Kinder in der Sonntagsschule lernen und annehmen werden.
