Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Die Metamorphose des Schattens

Aus der Juni 1982-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


„... jeder ... wird [sein] wie eine Zuflucht vor dem Wind und wie ein Schutz vor dem Platzregen, wie Wasserbäche am dürren Ort, wie der Schatten eines großen Felsens im trockenen Lande.“ (Jesaja 32:2.)

Der Schatten ist ein an geistigen Lehren reiches Symbol. Das Wort mag uns zuerst als ein Symbol beim Lesen der Psalmen aufgefallen sein. In der englischen Übersetzung des dreiundzwanzigsten Psalms wird im vierten Vers vom „Schatten“ gesprochen und damit angedeutet, daß selbst der Tod durchsichtig ist und die tröstende Gegenwart Gottes nicht verbergen kann. Im einundneunzigsten Psalm nimmt der „Schatten“ mehr Substanz an — wenn man diese beiden Wörter überhaupt zusammen gebrauchen kann: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.“ Ps. 91:1, 2. Hier ist der „Schatten“ ein Zufluchtsort, eine Stätte der Sicherheit und des Schutzes.

Viele Menschen lernen diese Psalmen schon in jungen Jahren auswendig und werden mit ihrer Bedeutung so vertraut, daß sie sich in Zeiten der Not an sie erinnern und Hilfe finden. Wenn das Symbol des Schattens nicht länger die Durchsichtigkeit des Todes, sondern die eigentliche Substanz des Schutzes darstellt, wird Gott als die große Allmacht erkannt, in deren Fürsorge wir uns nicht fürchten können.

Der menschlichen Vorstellung nach mag der Mensch unbedeutend erscheinen und sich im Schatten des Allmächtigen verbergen. Liegt darin nicht eine Lehre? Sagte unser Meister Christus Jesus nicht: „Ich kann nichts von mir selber tun“ Joh. 5:30. sowie: „Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut seine Werke.“ 14:10.? Und Mrs. Eddy sagte: „Jesus demonstrierte die Unfähigkeit der Körperlichkeit wie auch die unendliche Fähigkeit des Geistes, und auf diese Weise half er dem irrenden menschlichen Sinn, seinen eigenen Überzeugungen zu entrinnen und in der göttlichen Wissenschaft Sicherheit zu suchen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 494.

Wenn wir Sicherheit in der göttlichen Wissenschaft finden, sitzen wir sozusagen „unter dem Schirm des Höchsten“ und bleiben „unter dem Schatten des Allmächtigen“. Beständigkeit ist hier die wichtige Lehre. In unserem Hochmut, unserem Vertrauen auf unsere eigenen persönlichen Überzeugungen mögen wir törichterweise versucht sein, uns für kurze Zeit in den schützenden Schatten, den das Wissen um Gott bietet, zu begeben und ihn dann wieder zu verlassen. Können wir uns aber in Wirklichkeit jemals aus Gottes Gegenwart entfernen oder von den herrschenden Gesetzen der göttlichen Wissenschaft getrennt werden?

Wir lernen also die Bedeutung des Schattens besser verstehen, wenn wir erfassen, was es heißt, unter dem Wissen um Gottes Größe zu sitzen und tatsächlich dort zu bleiben. Während sich dann der Schatten verändert, mögen wir eine völlig neue Lehre entdecken — die noch genauer und lohnender ist als die von einem mächtigen Gott, der einen recht kleinen Menschen beschützt. Diese Lehre verstand ich zu Beginn meines Studiums der Christlichen Wissenschaft kaum, doch sie veränderte mein ganzes Leben.

Ich war in ein Lesezimmer der Christlichen Wissenschaft im Zentrum einer Großstadt gegangen, in dem immer viel Betrieb herrschte. Viele Menschen suchten es während ihrer Mittagspause auf; Probleme, die dringend einer Lösung bedurften, wurden in das Studierzimmer gebracht. Und an diesem Tag ging es besonders lebhaft zu. Ich erinnere mich, daß ein Mann, der in meiner Nähe saß, fast ständig hustete. Und ich hatte mit meinem eigenen Problem zu kämpfen; ich bemühte mich, die Vorstellung von der Widerspiegelung zu erfassen, wie Mrs. Eddy sie lehrt. Ich war sehr besorgt, daß ich möglicherweise nicht Gottes Willen tat. Beim Studium der Christlichen Wissenschaft hatte ich erkannt, daß man sein Leben Gottes Willen unterordnen kann. Ich sehnte mich danach, das mit meinem Leben zu tun; ich befürchtete, den rechten Weg verfehlt zu haben.

Plötzlich kam mir durch den Vergleich mit einem Schatten ein hilfreicher Gedanke: Ich stellte mir Gott als ein Flugzeug vor, das dicht über der Erde flog; Sein Schatten war deutlich zu sehen. Aber ich befand mich nicht unter dem Schatten; ich war der Schatten. Ich bewegte mich so, wie Gott sich bewegte.

Ich fühlte mich in den Bereich der Gewißheit und des Gehorsams erhoben. Ich erinnere mich, daß der Mann neben mir zu husten aufhörte. Und ich war von dem besonderen Frieden erfüllt, den ich verspürt hatte, als die Christliche Wissenschaft den tiefen Wunsch in mir erweckte, Gottes Willen zu suchen.

Am späteren Nachmittag erhielt ich einen Anruf von jemandem, der mir eine Arbeitsstelle anbot, die außerordentlich verlockend war. Ich sagte: „Ich werde es mir überlegen.“ Aber ich war sicher, daß ich das Angebot nicht annehmen würde, denn ich wollte nichts tun, bevor Gott es tat! Als ich mich später mit einer Ausüberin der Christlichen Wissenschaft darüber unterhielt, wurde mir bewußt, daß zwischen der im Lesezimmer gewonnenen Einsicht und dem Stellenangebot ein Zusammenhang bestand. Gott hatte sich bewegt! Oder genauer gesagt, ich hatte einen Schimmer von Gottes Herrschaft erlangt, und das öffnet natürlich neue Wege. Zwei Wochen darauf bot mir der Arbeitgeber dieselbe Stellung noch einmal an, was gar nicht üblich war; und diesmal sagte ich selbstverständlich zu.

Etliche Jahre danach, als ich längst mehr über die Widerspiegelung gelernt hatte, wurde eine neue Biographie unserer Führerin von Robert Peel mit dem Titel Mary Baker Eddy: The Years of Discovery (Mary Baker Eddy: Die Jahre der Entdeckung) veröffentlicht. Ich fand es äußerst interessant, darin einen Auszug aus der Broschüre The Science of Man (Die Wissenschaft vom Menschen) zu finden, die Mrs. Eddy im Unterricht ihrer ersten Klassen verwendet hatte. Sie enthielt Fragen und Antworten; zwei davon lauten:

Frage: Was ist also Gott?

Antwort: Die Seele des Menschen und des Universums.

Frage: Ist Gott der Mensch?

Antwort: Nein, Gott und Mensch sind völlig verschieden und doch vereint. Seele oder Gott ist nicht der Mensch, noch ist das, was wir Seele nennen, im Menschen; doch sie sind stets als Substanz und ihr Schatten verbunden. Seele ist die Substanz, der Mensch ihr Schatten.

In seinen Ausführungen erklärt Robert Peel: „Bemerkenswert ist, daß Mrs. Eddy hier das Wort, Schatten‘ benutzt, während sie später den Menschen als Widerspiegelung, Ausdruck, Offenbarwerdung bezeichnet. Doch scheint in der Schrift The Science of Man die eigentliche Idee, Mensch‘ durch die überwältigende Wirklichkeit Gottes schattenhaft und substanzlos zu werden.“ Mary Baker Eddy: The Years of Discovery (Boston: The Christian Science Publishing Society, 1966), S. 249.

Mrs. Eddy verfeinerte beständig die erste Niederschrift ihrer Lehren. Der Mensch tritt aus der schattenhaften Vorstellung vom Dasein immer mehr hervor. Es wird deutlich erkennbar, daß seine Substanz der Sohn Gottes, der Christus, ist. Mrs. Eddy schreibt in ihrem Gedicht „Weihnachtsmorgen“:

Du lieber Christus, nie gebor’n,
Doch immer hier,
Nicht Mutterleid noch Wiegenlied
Gehört zu dir.

Der nächste Vers erklärt den Schatten, wie er jetzt verstanden wird:

Du heil’ge Gott-Idee, das Kind
Auf Bethleh’ms Flur —
Gehegt, geliebt, im Fleisch — es war
Dein Schatten nur!Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 23.

Dieser Schatten, der menschliche Jesus, war selbst „im Fleisch“ geliebt, voll guter Werke. Er bewies, daß das vollkommene Menschentum dem Christus gleicht wie ein Schatten seiner Substanz.

Jesaja verhieß, „daß ein jeder ... sein wird ... wie der Schatten eines großen Felsens im trockenen Lande“. Die Frage, ob dies als eine Verkündigung vom Kommen des Messias zu verstehen sei oder als eine Erkenntnis der Substanz eines gerechten und gottähnlichen Menschen, wird immer wieder diskutiert. Die Tatsache, auf die es jedoch ankommt, ist, daß dieser Schatten des Felsens — dieses erlöste menschliche Wesen —, das seinem Original, dem Christus, so sehr entspricht, die große Hoffnung in einem trockenen Land ist.

Die Kirche, die auf diesen Felsen Christi gegründet ist, wirft ihren Schatten in Form einer Institution, die uns zum wahren Wesen des Menschen erhebt. Und unser aller Leben mag zu dem Schatten werden, in dem künftige Generationen Zuflucht finden und beginnen können, geistig zu wachsen — geschützt wie Wüstenpflanzen, die im Schutz eines großen Felsens einen Platz zum Gedeihen haben.

Und wenn wir noch eine weitere Lehre aus unserem Symbol ziehen können, dann wird sie vielleicht durch den Dichter vermittelt, der die Geschichte als den verlängerten Schatten eines Menschen bezeichnete. Zweifellos ist der Werdegang unserer geliebten Kirche Christi, Wissenschafter, in gewissem Sinne der Schatten ihrer Gründerin Mary Baker Eddy. Dieser Schatten wird in kommenden Zeiten länger werden, wenn wir ihren Lehren treu bleiben — ein Schatten, der groß genug ist, um das Wachstum der ganzen Menschheit zu beschützen.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Juni 1982

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.