Musiker sind in ihren Instrumenten wählerisch und anspruchsvoll. „Aber wissen Sie“, sagte der Violinist Eugene Fodor in einem Interview, „es kommt immer noch auf den Musiker und das Leben an, das er der Musik verleiht. Ohne dieses Leben ist die Geige lediglich ein anderes Instrument.“ Oklahoma City Times, 13. September 1979.
Das christliche Heilen kann gewissermaßen ebenfalls als ein Instrument betrachtet werden. Doch ist es nicht „lediglich ein anderes Instrument“. Idealerweise ist christliches Heilen für jeden Menschen geeignet; es läßt sich auf jedes Bedürfnis unbegrenzt anwenden. Die Macht des Christus, der Wahrheit, stellt Gesundheit, Harmonie und Heiligkeit auf Erden wieder her und erhält sie aufrecht. Jedesmal wenn wir diese Macht bewußt anwenden, wächst unser Verständnis von Gott und befähigt uns, anderen und uns selbst zu helfen. Wer es sich zu seiner Lebensaufgabe macht, die Wahrheit zu beweisen, daß der Mensch das Ebenbild Gottes ist, kann in allem, worauf seine Gedanken ruhen, die göttliche Wirklichkeit zutage treten lassen, und dies wird seine ganze Erfahrung durchdringen.
Ständige Erfolge sind für den Ausüber der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr'istjәn s'aiәns), was ständig gute Vorführungen für den Musiker sind. Doch darf er nicht nur die Resultate des Übens lieben, sondern er muß Gott, die Quelle der guten Leistungen, lieben. In der Metaphysik wie in der Musik stehen Leistung und Übung ganz deutlich im Verhältnis zueinander. Wenn man den Bariton Sherrill Milnes fragt, wie er zu einem Superstar geworden sei und wie er einer bleibe, „erwähnt er nicht einmal die Stimme“, berichtet der Interviewer W. U. McCoy. „Er spricht über Wunsch und Hingabe, über eine Glaubwürdigkeit, die einer inneren Überzeugung entspringt, und über das Verlangen, sich mitzuteilen.“ Wie McCoy berichtet, behauptet Milnes, „daß die Vorführung, verglichen mit der damit verbundenen Arbeit, nur die Spitze des Eisbergs ist“ The Oklahomans, Beilage zu The Sunday Oklahoman, 24. Februar 1980..
Die Fähigkeit zu heilen beruht auf beständigem geistigem Wachstum. An einigen Musikhochschulen werden den angehenden Musikern abgesonderte Übungsräume zur Verfügung gestellt. Doch die Übungsräume der Christlichen Wissenschafter sind die Kämmerlein individueller Herzen, in die allein Gott hineinsieht, der dann unsere treue Befolgung Seiner Unterweisungen belohnt.
Wenn wir still und beharrlich die Wahrheit hegen, kann ihre Wirkung nicht verborgen bleiben. Das stille Gebet zeigt sich in lebendigen Antworten. In dem Maße, wie der Glaube durch geistiges Verständnis und selbstlose Liebe geläutert wird, können wir unweigerlich Anzeichen von dem All-Wirken des göttlichen Gesetzes in unserer Erfahrung wahrnehmen. Je mehr wir uns dem Geist nähern, um so wirklicher wird für uns die ständige Gegenwart dieses Gesetzes.
Um wirksamer heilen zu können, müssen wir unsere Ausübung läutern und vervollkommnen. Christus Jesus bewies, wie die Treue eines einzigen Menschen zu dem göttlichen Gesetz, der Christlichen Wissenschaft, das Leben vieler beeinflussen kann. Der Meister umriß seine Lehren in zwei Weisungen, die eine Kurzfassung der Zehn Gebote darstellen. Auf diese Unterweisungen — nur einen Gott zu haben und seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben — Bezug nehmend, sagte Jesus: „Es ist kein anderes Gebot größer als diese.“ Mark. 12:31.
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, erkannte die heilende Bedeutung dieser beiden großen Gebote. Sie fragt: „Welche Forderungen stellt die Wissenschaft der Seele?“ Dann erklärt sie, wie wir diese Forderungen erfüllen können; sie sagt: „Die erste Forderung dieser Wissenschaft ist:, Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.‘ Dieses mir ist Geist. Daher bedeutet dieses Gebot: Du sollst keine Intelligenz, kein Leben, keine Substanz, keine Wahrheit, keine Liebe haben außer der, die geistig ist. Und die andere Forderung ist ihr gleich:, Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘ Man sollte es von Grund aus verstehen, daß alle Menschen ein Gemüt, einen Gott und Vater, ein Leben, eine Wahrheit und eine Liebe haben.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 467.
Betrachten wir diese Forderungen als ferne Ideale für menschliche Ziele und deren utopisches Erlangen? Dann müssen wir lernen, daß die Weisungen Gottes sich auf weit mehr auswirken als nur auf diejenigen, die sie zu befolgen suchen. Sie sind mehr als fakultative „Beförderungsmittel“ für den Fortschritt der Gehorsamen — ja, sie sind unbedingt erforderlich für die geistige, wahre Natur eines jeden von uns.
Wenn wir bei der Ausübung der Christlichen Wissenschaft von dem Standpunkt ausgehen, daß wir wirklich einen allmächtigen Gott haben, und den von Ihm erschaffenen Menschen (unseren einzig wirklichen Nächsten) wahrlich lieben, verbinden wir uns mit dem unendlichen Guten. Letzten Endes muß keiner, selbst wenn eine Heilung äußerst vonnöten sein sollte, mehr oder weniger tun als der Summe und Substanz dieser Forderungen nachkommen.
Die geistige durch christlich-wissenschaftliche Ausübung herbeigeführte Wiedergeburt zum sündlosen, harmonischen Selbst läßt uns die uneingeschränkte Rechtsgewalt der zwei großen Erfordernisse erkennen, Gott und unseren Nächsten zu lieben. Es gibt nur einen Gott. Der gottähnliche Mensch ist liebevoll und liebenswürdig, da er vollkommen ist. Was die Ganzheit Gottes betrifft, so muß sich jeder selbst davon überzeugen, daß die geringste Abweichung von Gottes Forderungen — vollkommene Gesundheit, Harmonie und Heiligkeit für alle — selbstverständlich unmöglich ist. Jeder muß die unerschöpflichen Möglichkeiten allumfassender Vollkommenheit erforschen und sich in seiner besonderen Individualität und Vollständigkeit hervortun.
In Wirklichkeit hat die Schöpfung keine andere Wahl, als jeden Augenblick den Weisungen ihrer einzigen regierenden Intelligenz, bildenden Substanz und erhaltenden Energie — des göttlichen Gemüts — nachzukommen. Wir können uns den Forderungen Gottes nicht entziehen, die alles lenken, was wirklich existiert. Was uneinig oder ungehorsam, unharmonisch oder nicht geheilt zu sein scheint, muß daher ebenso wie ein Fehler in der Musik sofort korrigierbar und nachweislich unnötig sein.
Wenn wir das allumfassende Wesen von Harmonie und Gesundheit erkennen, brauchen wir niemand anders als uns selbst mit der Wahrheit zu verbessern und von der Wahrheit zu überzeugen. Es stimmt wohl, daß wir uns der Früchte der Gebete anderer erfreuen und dadurch geheilt werden können. Doch niemand anders kann die heilende, einzig für uns bestimmte Arbeit tun. Wir müssen sowohl die „äußeren“ widrigen Einflüsse als auch die „innere“ undisziplinierte Trägheit überwinden, die bei richtiger Ausübung ausgemerzt wird. Mrs. Eddy schreibt: „Um durch die Wissenschaft zu heilen, darfst du dich nicht in Unwissenheit über die moralischen und geistigen Forderungen dieser Wissenschaft befinden, noch darfst du ihnen ungehorsam sein. Sittliche Unwissenheit oder Sünde wirkt auf deine Demonstration ein und hindert deren Annäherung an die Norm der Christlichen Wissenschaft.“ Ebd., S. 483.
Als Norm für die Stimmung in der Musik gilt allgemein der Kammerton a’ (440 Schwingungen pro Sekunde). Doch die heilende Norm der Christlichen Wissenschaft ist der stets vollkommene Schöpfer und die vollkommene Schöpfung. Wie in einer großen Sinfonie stimmen alle geistigen Ideen Gottes mit der göttlichen Norm der Vollkommenheit überein und bedürfen keiner Berichtigung. Auf der menschlichen Ebene jedoch, wo Heilung erforderlich sein mag, müssen wir lernen, wie wir die geistige Wirklichkeit leben und uns darin üben können.
Wir entwickeln unsere Fähigkeit zu heilen durch christlich-wissenschaftliche Behandlung. Jedesmal wenn wir eine Behandlung geben, müssen wir uns klar machen, daß jeder einzelne in vollständiger Übereinstimmung mit der Forderung lebt, einen Gott zu haben und die ganze Menschheit zu lieben. Und jedesmal wenn wir eine falsche Vorstellung von Gott und dem Menschen konsequent behandeln und als das erkennen, was sie ist — nämlich nichts —, ebnen wir den Weg, um durch Verständnis und Demonstration die Wahrheit über Gott und den Menschen aufzurichten — nämlich daß Er Alles-in-allem ist.
Einen Ausüber, der eine christlich-wissenschaftliche Behandlung gibt, könnte man in gewisser Hinsicht mit einem Musiker vergleichen, der all sein Können darauf konzentriert, ein bestimmtes Musikstück zu meistern. Manchmal geschieht dies spontan. Doch geduldige Arbeit mag vonnöten sein, um kaum bemerkbare und hartnäckige Fehler aufzudecken und zu berichtigen. Mrs. Eddy erklärt: „Die Natur des einzelnen, hartnäckiger als die Umstände, wird immer für sich rechten — für eigene Gewohnheiten, Neigungen und Süchte. Diese materielle Natur strebt danach, den Waagebalken zuungunsten der geistigen Natur zu neigen, denn das Fleisch streitet wider den Geist — wider alles und alle, die dem Bösen widerstehen — und wiegt schwer gegenüber der hohen Bestimmung des Menschen. Diese Einsicht ist weder ein Argument für Pessimismus noch für Optimismus, sondern sie plädiert für die freie sittliche Selbstbestimmung — für absolutes Freisein von jeglichem Zwang, einer Macht zu gehorchen, die in der Christlichen Wissenschaft als machtlos erkannt werden sollte und erkannt wird.“ Vermischte Schriften, S. 119.
Unsere Ausübung der Christlichen Wissenschaft mag auf den ersten Blick monoton erscheinen. Doch sie ist niemals überflüssig. Wie ein Fodor oder Milnes nach vollkommener Darbietung strebt, gibt der Ausüber der Christlichen Wissenschaft seine Arbeit nicht auf, ehe die Heilung vollständig ist.
Dadurch, daß wir uns konsequent und beständig die göttlichen Forderungen vor Augen führen und sie befolgen, gewinnen wir eine vollere Anerkennung der Reichweite ihres Wirkens. Nur wenn wir von ganzem Herzen den Gesetzen Gottes treu sind, erkennen wir, daß ihre Herrschaft über jeden Aspekt unseres Lebens unangetastet und unversehrt ist. Unaufhörlich entdecken und demonstrieren wir unsere göttlichen Fähigkeiten — und zwar in dem Verhältnis, wie wir uns der Ausübung unentwegt widmen.
Wenn wir ein Heiler der Christlichen Wissenschaft sein wollen, brauchen wir nicht zu warten, bis uns jemand bittet, einer zu sein. Wenn wir mit unseren eigenen Bedürfnissen beginnen, finden wir viel Arbeit! Letzten Endes verlangt die Ausübung dieser Wissenschaft, daß wir an der Wahrheit über jeden und alles, dessen wir uns bewußt sind, festhalten und sie beweisen. Wenn wir nicht davon ablassen, Gottes Forderungen verstehen zu lernen und zu demonstrieren, werden wir unsere angeborene Fähigkeit zu heilen entwickeln und sie gebeterfüllt zu höchster Leistung führen. Und wenn sich jemand an uns um Hilfe wendet, sind wir bereit und erwarten in ruhiger Gewißheit „professionelle“ Ergebnisse. Da christlich-wissenschaftliches Heilen von Gott kommt und Gott selbst Seine Gesetze aufrechterhält, können wir gleich von dem ersten schwankenden, selbstvergessenen Versuch an zuversichtlich sein, daß die Christliche Wissenschaft heilt.
