Frage: Manchmal wird behauptet, Christliche Wissenschafter hielten Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift für eine zweite Bibel, die die Heilige Schrift ersetze oder ihr sogar überlegen sei.
Antwort: Dieser Punkt muß unbedingt geklärt werden, denn nach Ansicht der Christlichen Wissenschafter kann kein Buch den Platz der Bibel einnehmen. Sie halten Wissenschaft und Gesundheit keineswegs für eine „zweite Bibel“ oder einen Ersatz der biblischen Offenbarung. Ein Schlüssel ersetzt nicht die Tür, die er aufschließen soll — er öffnet sie. Und die Christlichen Wissenschafter finden, daß Mrs. Eddys Lehren ihnen ein besseres Verständnis für die Bedeutung, Tiefe und umgestaltende Kraft der Bibel erschließen. Sie studieren die Bibel täglich (im englischen Sprachraum wird in der Hauptsache die King-James-Ausgabe benutzt; deutschsprachige Leser studieren vorwiegend die Lutherbibel). Im großen und ganzen sind sie mit ihr vermutlich ebensogut vertraut wie jede andere Gruppe von Christen.
Im Lauf der Jahre haben viele Christliche Wissenschafter die gleiche Dankbarkeit bekundet, die jemand, der noch ziemlich neu in der Christlichen Wissenschaft war, in einem Zeugnis zum Ausdruck brachte, das in Wissenschaft und Gesundheit im Kapitel „Früchte der Christlichen Wissenschaft“ veröffentlicht wurde. Darin heißt es u. a.: „Die Bibel, von der ich sehr wenig wußte, wurde mein beständiges Studium, meine Freude, mein Führer. Das Exemplar, das ich zur Zeit meiner Heilung kaufte, ist vom ersten Buch Mose bis zur Offenbarung mit Notizen versehen. Drei Jahre lang war es beständig in meinen Händen, bis der Umschlag abgenutzt und die Blätter lose geworden waren, weshalb es durch ein neues ersetzt wurde. Die zweite und dritte Morgenstunde fand mich oft bei eifrigem Studium über den Blättern, die mir von Tag zu Tag heiliger wurden...“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 693.
Frage: Stellen die Christlichen Wissenschafter Mary Baker Eddy nicht auf eine Stufe mit Jesus Christus und räumen sie ihr nicht sogar seinen Platz ein?
Antwort: Nein, keineswegs. Und wenn sie es täten, wären sie ganz bestimmt nicht Mrs. Eddys Nachfolger, denn nichts könnte in größerem Gegensatz zu ihrer Lehre stehen. Kritiker zitieren immer wieder Bruchstücke ihrer Erklärungen oder aus dem Zusammenhang gelöste Sätze. Doch Mrs. Eddy selbst unterschied kategorisch zwischen ihrer eigenen Rolle als Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft und der Einzigartigkeit Jesu als Erlöser der Menschheit, die wahrhafte Verkörperung des Christus.
Eine ehrliche, gründliche Würdigung ihrer Bemerkungen zu diesem Thema kann keinen Zweifel an ihrer klaren Einstellung aufkommen lassen. Als sie einmal in einer Depesche von einer Zeitung gefragt wurde, ob sie meine, sie sei der „zweite Christus“, gab sie eine sehr charakteristische Antwort: „Schon die Frage schockiert mich.“ Sie fuhr dann fort: „... von mir in irgendeiner Weise als von einem Christus zu denken oder zu sprechen ist gotteslästerlich.“ Pulpit and Press, S. 74, 75. Und in der würdevollen Antwort, die Mark Twain auf diese Frage von ihr erhielt, erklärte sie: „Meine Beziehung zu diesem Jahrhundert ist die einer christlichen Entdeckerin, Gründerin und Führerin. Ich betrachte Selbstvergötterung als gotteslästerlich.“ Verschiedenes, S. 302.
Frage: Aber wie benutzen Mrs. Eddy und ihre Nachfolger die Bibel? Es wird behauptet, sie lösten Bibelstellen aus dem Zusammenhang heraus und benutzten sie, um Vorstellungen zu unterstützen, die mit der Bibel gar nicht übereinstimmen.
Antwort: Mrs. Eddy suchte nach der lebendigen, praktischen Bedeutung, die die Bibel im täglichen Leben hat, und war überzeugt, diese Bedeutung gefunden zu haben. Mrs. Eddy bezieht sich beständig und ganz natürlich auf die Bibel, diskutiert viele Geschichten und Abschnitte aus der Bibel und zitiert oftmals Bibelverse, um etwas treffend zu erläutern. Doch ihre ganze Lehre zielt darauf ab, die geistige Bedeutung der Bibel, die wissenschaftlichen oder ewig gültigen geistigen Gesetze zu vermitteln, die der Heiligen Schrift zugrunde liegen. Es ist nicht typisch für Mrs. Eddy, eine bestimmte Bibelstelle herauszugreifen, sie aus ihrem Zusammenhang zu lösen und dann ein ganzes theologisches Argument darauf aufzubauen. Das entspricht tatsächlich viel eher der Methode, mit der so manche religiösen Eiferer ihre eigenen Doktrinen legalistisch zu rechtfertigen und Lehren, denen sie nicht zustimmen, zu diskreditieren suchen.
Ein Beispiel dafür ist ihr häufiger Verweis auf den ersten Brief des Johannes (1:8), um Mrs. Eddys Darstellung des zu Gottes Ebenbild erschaffenen Menschen zu widerlegen, der „der Sünde ... unfähig“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 475. ist. Der Bibelvers lautet: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ Diese Aussage bezieht sich natürlich auf den „alten Menschen“ Eph. 4:22., der abgelegt werden muß, den Menschen, „der in Sünde empfangen und in Missetat geboren“ Zitiert in Wissenschaft und Gesundheit, S. 476. ist. Würden Mrs. Eddys Kritiker aber im ersten Brief des Johannes bis Kapitel 3, Vers 9 weiterlesen, fänden sie heraus, daß der Verfasser dieser Epistel genau das sagt, was auch sie in bezug auf den wahren, von Gott erschaffenen Menschen erklärt: „Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde, denn was er von Gott empfangen hat, das bleibt in ihm; und kann nicht sündigen, denn er ist von Gott geboren.“ Mit anderen Worten, wer die Bibelverse und Mrs. Eddys Aussagen in ihrem vollen Zusammenhang liest, entdeckt, daß beide denselben grundlegenden Unterschied zwischen dem Menschen machen, der als das geistige Kind Gottes verstanden wird, und den irrenden Sterblichen, die in der Tat von neuem geboren werden müssen.
Man wird weder der Heiligen Schrift noch Mrs. Eddys Werken gerecht, wenn man vereinzelte Schriftstellen und Zitate gegeneinander ausspielt. In Antwort auf die Frage, ob die Lehren der Christlichen Wissenschaft mit der Heiligen Schrift übereinstimmen oder nicht, schlägt Mrs. Eddy vor, die Entscheidung dem einzelnen zu überlassen und in diesem Punkt nicht die Meinung eines anderen zu akzeptieren. In Wissenschaft und Gesundheit sagt sie: „Lieber Leser, du kannst dir die Wissenschaft des Heilens selbst beweisen und dich also vergewissern, ob die Verfasserin dir eine korrekte Auslegung der Heiligen Schrift gegeben hat.“ Ebd., S. 547.
Im nächsten Monat wird die Frage erörtert: Die Christliche Wissenschaft — kalte Abstraktion oder lebendiges Christentum?