Die meisten Menschen haben ein braves und zufriedenes Baby lieb; aber was empfinden sie angesichts eines trotzigen Kindes, das schreiend und strampelnd auf dem Boden liegt? Und was tun sie, wenn ein eigenwilliger Jugendlicher einen Lebensstil annimmt, der von den gesunden und vielleicht erprobten Wertvorstellungen seiner Familie erheblich abweicht?
Auch gibt es Eltern, die mit ihrem eigenen Leben nicht fertig werden und ihre Kinder beschimpfen oder mißhandeln. Andere Eltern dagegen sind allzu nachgiebig und ziehen ihre Kinder groß, ohne sie zu disziplinieren oder ihnen Maßstäbe zu geben.
Die Probleme mögen zwar groß und komplex erscheinen, doch die Lehren, die in der Bibel und den Schriften Mrs. Eddys enthalten sind, zeigen, wie Kindern und Eltern geholfen werden kann.
Christus Jesus liebte Kinder. Er hieß sie zu sich kommen und sagte zu seinen Jüngern: „ ... solcher ist das Reich Gottes.“ Mark. 10:14. Für seine Jünger waren die Kleinen einfach Kinder. Was sah Jesus in ihnen, und was blieb den Jüngern verborgen? Ihre wahre Natur — und wie oft sie sie zum Ausdruck brachten.
Mrs. Eddy schreibt im Glossarium zu Wissenschaft und Gesundheit: „Kinder. Die geistigen Gedanken und Vertreter von Leben, Wahrheit und Liebe.“ Im nächsten Absatz fährt sie fort: „Sinnliche und sterbliche Annahmen; gefälschte Bilder der Schöpfung, deren bessere Urbilder Gottes Gedanken sind, nicht im Embryo, sondern in der Reife; materielle Voraussetzungen von Leben, Substanz und Intelligenz, der Wissenschaft des Seins entgegengesetzt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 582. Jeder von uns hat die Fähigkeit und die Verantwortung, über die gefälschten Bilder hinauszuschauen und die geistigen Sprößlinge Gottes zu sehen. Statt in Gedanken ein strampelndes, trotzendes Kind als „unartige Range“ zu bezeichnen oder sich einem unmoralischen Jugendlichen gegenüber selbstgerecht zu verhalten, können wir über das hinausschauen, was die materiellen Sinne uns fälschlicherweise vermitteln, und Gottes strahlende Schöpfung sehen. Eine solche Einsicht hilft sehr, negative Charakterzüge zu heilen und durch Eigenschaften des wahren Seins zu ersetzen. „Mit der rechten Vorstellung vom Menschen in meinem Gemüt kann ich meine eigene Individualität, Gesundheit und Sittlichkeit und die anderer bessern; wenn ich indessen das gegenteilige Bild des Menschen als eines Sünders ständig im Bewußtsein trage, kann ich Gesundheit und Sittlichkeit ebensowenig fördern, wie es einem Künstler helfen würde, die Gestalt einer Königsschlange im Sinn zu haben, während er eine Landschaft malt“ Vermischte Schriften, S. 61., erklärt unsere Führerin, Mrs. Eddy. Doch wenn wir diesen Hinweisen entsprechend beten, setzen wir uns grundsätzlich nicht das Ziel, eine schlimme materielle Situation in gute zu verwandeln, sondern wir wollen die unbeeinträchtigte geistige Vollkommenheit eines jeden Kindes sehen, und zwar gerade dann, wenn Fehler zu bestehen scheinen.
Während eines Überseeflugs saß mehrere Reihen hinter mir eine Familie, die sich bemühte, ihr weinendes Baby zu beruhigen. Je mehr sie versuchten, das Kind zu beschwichtigen, desto lauter schrie es und raubte damit vielen müden Passagieren die Ruhe.
Ich beschloß, mich wegen dieser Situation an Gott zu wenden. Ich argumentierte folgendermaßen: Vater, Du bist der einzige wahre Vater und die einzige wahre Mutter; wir alle sind Deine geistigen Kinder. Ich weiß, daß Du unendlich gut und allumfassende Liebe bist und deshalb keinen von uns müde und reizbar gemacht hast. Auch hast Du keine materielle Situation geschaffen, die uns reizt. Da Du alles gemacht hast, gehören wir alle Dir, hier und jetzt; wir bringen Dich zum Ausdruck. Daher leben wir alle in Harmonie und sind zufrieden. Außerdem weiß und fühlt das jeder von uns — in seinem wahren Selbst, das Du geschaffen hast —, ganz gleich, was die materiellen Sinne behaupten mögen.
Das Baby hörte auf zu schreien. Die Familie atmete erleichtert auf. Und auch ich fand Ruhe — ich war nicht mehr erschöpft. Die Gegenwart der göttlichen Liebe war erkannt worden, und das Baby hatte darauf angesprochen.
Jeder Vater hat wohl schon einmal zu seinem Kind gesagt: „Als ich in deinem Alter war ...“ Doch um der heutigen Welt helfen zu können, müssen wir mehr tun, als nur auf die „gute alte Zeit“ zurückzublicken. Wir müssen eine höhere Vorstellung von Familie gewinnen. Die Bibel erklärt: „Es gibt ... nur einen Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ Eph. 4:4, 6 [n. der engl. King-James-Ausgabe].
In Gottes Familie gibt es keinen rauhen oder gewalttätigen Vater, keine allzu nachsichtige oder hilflose Mutter, kein trotziges, unmoralisches oder kriminell veranlagtes Kind, denn der eine Vater-Mutter Gott hat solche Eltern oder Kinder niemals erschaffen. Die Wendung „über allen und durch alle und in allen“ besagt, daß das wirkliche Selbst eines jeden von uns geistig ist und nur die sanften Eigenschaften des Vaters, der göttlichen Liebe, zum Ausdruck bringt. Und zwar immer!
Sie meinen, die Welt hat eine solche Liebe wirklich nötig? Sie haben recht! Und Liebe ist nicht etwas, was nur zur Weihnachtszeit abgestaubt und anderen entgegengebracht werden sollte. Die absolute Wahrheit ist, daß die Liebe unseres Vater-Mutter Gottes Seine Idee, den Menschen, zu allen Zeiten umgibt; und wenn wir das anerkennen und uns wirklich klarmachen, können wir Gottes Liebe ebenso fühlen wie jene Passagiere. Vor allem müssen wir bestätigen, daß die göttliche Liebe Geist ist und daß wir und die Liebe Gottes, die wir widerspiegeln, völlig geistig und niemals materiell sind. Das ist die heilende Erkenntnis, durch die ein Kind von jeglichem Problem befreit und in das Bewußtsein der Liebe gebracht wird.
Wir können unmöglich Gott, den Vater, und Sein strahlendes, gesundes, geliebtes Kind erschauen und gleichzeitig in einem Kind einen unglücklichen, kranken, ungeliebten Sterblichen sehen. Eine dieser Anschauungen muß weichen.
In Wirklichkeit gibt es weder Millionen erwachsener Gemüter noch Millionen unentwickelter Gemüter. Eine solche Annahme ist der Nährboden für Reibereien. Es gibt nur ein unendliches Gemüt, den Vater-Mutter Gott, und der Mensch ist Seine Widerspiegelung. Durch Mrs. Eddys klare Vorstellung vom wirklichen Wesen des Menschen wurden schon oft ernste hartnäckige Disharmonien beseitigt. In ihren Biographien wird von vielen solchen Fällen berichtet. Mrs. Eddy sagt in den Vermischten Schriften: „Was immer menschlich empfangen wird, weicht vom göttlichen Gesetz ab; daher sein sagenhafter Ursprung und sicheres Ende. Nach der Heiligen Schrift — Paulus erklärt scharfsinnig, ‚denn von Ihm und durch Ihn und zu Ihm sind alle Dinge‘ — ist der Mensch unfähig zu erzeugen: nichts kann getrennt von Gott, dem Guten, dem allwissenden Gemüt, gestaltet werden. Was menschlichen Ursprungs zu sein scheint, ist eine Fälschung des Göttlichen — nämlich menschliche Vorstellungen, sterbliche Schatten, die über das Zifferblatt der Zeit huschen.“ Verm., S. 71.
Was aber tun wir, wenn Kinder mißhandelt werden, zurückgeblieben oder trotzig sind? (In Wirklichkeit sind sie ja unsere Brüder und Schwestern, da wir alle denselben Vater haben.) Kann die göttliche Wahrheit diese Zustände tatsächlich heilen? Wenn wir in den Spiegel schauen, sehen wir unser exaktes Spiegelbild, das nur tun kann, was wir tun. Unser Spiegelbild kann sich unmöglich in einen festen Körper verwandeln, aus dem Rahmen herausspringen und selbständig handeln. Gleichermaßen ist der Mensch die exakte Widerspiegelung Gottes und Seiner guten Eigenschaften. Wie absurd ist es doch, zu denken, daß Gottes Kind einen materiellen Körper und ein eigenes Gemüt entwickeln, sich von der unendlichen Liebe losreißen und unrecht handeln könne! Gott, Seele, ist das einzige Leben; und als Widerspiegelung Gottes ist der Mensch individuell, einzigartig, vollkommen.
Die Fehler, die Eltern in einem Kind sehen, sind ebenso trügerisch wie Zerrbilder, die durch einen fehlerhaften Spiegel hervorgerufen werden. Die Eltern müssen verstehen, daß ein solches Übel nicht wahr ist; und das werden sie tun, sobald sie einsehen, daß die Widerspiegelung des Vater-Mutter Gottes nie verzerrt sein kann. Dann wird für sie das wahre Bild so klar und scharf, daß die Schwierigkeiten verschwinden; und das nennen wir Heilung.
Als Christus Jesus an das Krankenbett von Jairus’ Tochter gerufen wurde, meinten die Leute, es sei zu spät und das Kind sei tot. Aber Jesus akzeptierte dieses verzerrte Bild vom Menschen nicht für einen Augenblick. Er sagte zum Vater des Kindes: „Fürchte dich nicht; glaube nur, so wird sie gesund!“ Luk. 8:50. Jesus weigerte sich, das trügerische Bild des Todes anzuerkennen, und nahm die wirkliche Identität des zwölfjährigen Mädchens so deutlich wahr, daß es augenblicklich wiederhergestellt wurde.
Wir können helfen, den Nöten der Kinder in aller Welt zu begegnen, indem auch wir uns vergegenwärtigen, daß Gott der Vater aller ist und den Seinen alles Gute zukommen läßt.