Christus Jesus erteilte uns eine unvergeßliche Lehre über das Beten, als er den Zöllner dem Pharisäer gegenüberstellte. Die Worte des Pharisäers waren voller Selbstlob, ja Arroganz. Er war die Vollkommenheit in Person — zumindest glaubte er das. Der Zöllner war weise genug, zu erkennen, daß er mehr Geistigkeit brauchte. Von ihm berichtete der Meister: „Ich sage euch: Dieser ging hinab gerechtfertigt in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.“ Luk. 18:14.
Ja, manchmal versäumen wir es ganz einfach, im Gebet das Richtige hervorzuheben. Wenn auch unsere Worte vermutlich nicht so offensichtlich fehlgehen wie die des Pharisäers, mögen sie doch nicht so treffend sein wie die des Zöllners. Aber selbst wenn wir gewöhnlich die richtigen Vorstellungen hegen: verfehlt vielleicht nicht die mentale Haltung, die sie hervorruft, das, worauf es ankommt? So wichtig richtige Aussagen auch sein mögen: hob nicht Jesus hervor, daß das geistige Empfinden, die Tönung unseres Bewußtseins, unseren Erklärungen Bedeutung verleiht?
Denken Sie nur, wie häufig wir Heilungszeugnisse in den christlichwissenschaftlichen Zeitschriften gelesen oder während der Mittwochabendversammlungen in einer Kirche Christi, Wissenschafter, gehört haben. Derjenige, der das Zeugnis abgab, mag einige Worte wiedergegeben haben, die zu seinem Gebet gehörten. Vielleicht erinnerten sie uns sehr an Begriffe und Wendungen, die wir selbst benutzten, aber ohne ersichtlichen Erfolg. Der Unterschied könnte sehr wohl in einer gewissen geistigen Qualität liegen, die den Worten des anderen besondere Bedeutung gab. Je stärker der Christus unsere Gedanken durchdringt, desto wirkungsvoller ist unser Gebet.
Es wäre wohl nicht fair, nahezulegen, daß in der christlich-wissenschaftlichen Behandlung, die wir uns geben, ein arroganter Ton mitschwingt. Aber empfinden wir wirklich ausgesprochene Demut? Vielleicht kann unser Denken nicht geradezu als „entmutigt“ bezeichnet werden; ist es aber von echter Überzeugung und einer tiefen geistigen Gewißheit erfüllt? Könnte es sein, daß die Behandlung bislang — ehrlich gesagt — etwas fade und routinemäßig gewesen ist, anstatt die Freude und Inspiration, die Lebenskraft und den Glanz des Christus auszustrahlen?
Wie können wir erreichen, daß unser Gebet von mehr Christlichkeit beseelt wird? Ganz gewiß ist das keine Frage der Technik. Noch ist es ein mechanischer Vorgang. Und doch kann die richtige Nuance im Gebet — die erforderliche Eigenschaft wie Erbarmen, Zuneigung oder Integrität — für die Wirksamkeit ausschlaggebend sein.
Die rechte gedankliche Haltung entspringt einer reinen und guten Absicht des Herzens; jenen Beweggründen, die von geistiger Integrität getragen sind und sich einstellen, wenn verstanden wird, daß der Christus, die Wahrheit, im Bewußtsein wirkt, und man sich diesem Wirken unterordnet. Gott offenbart sich uns beständig. Man kann sagen, daß das, was sich im Bewußtsein vom göttlichen Wesen zeigt oder entfaltet, der Christus ist; die Übermittlung des Guten, das in der individuellen Erfahrung zutage tritt. Mrs. Eddy erklärt das folgendermaßen: „Christus ist die wahre Idee, die das Gute verkündet, die göttliche Botschaft von Gott an die Menschen, die zum menschlichen Bewußtsein spricht.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 332.
Aber wir haben unseren Teil dazu beizutragen. Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, wir seien Sterbliche, die lediglich Worte wiederholen, und „die wahre Idee, die das Gute verkündet“ bis zu einem gewissen Grade in unsere Erfahrung bringen. Wenn wir den Christus ignorieren oder nicht für wichtig halten, entgeht uns sein Segen. Manchmal mögen wir, wenn wir zu Gott beten, erwarten, daß uns ein bestimmter Punkt der Metaphysik deutlicher wird. Und das mag auch tatsächlich geschehen. Aber in anderen Fällen verstehen wir vielleicht die genau richtigen metaphysischen Gesichtspunkte, brauchen jedoch eine neue Einstellung — eine tiefergehende Christlichkeit —, um die Aspekte der Wahrheit, an denen wir festhalten, mit dem rechten Empfinden zu stützen.
Erkennen wir bewußt an, daß es die Aufgabe des Christus ist, unseren Charakter und den Ausdruck unseres Bewußtseins umzuwandeln, dann wird unser Gebet jene innere Haltung widerspiegeln, die für das Heilen notwendig ist. Mrs. Eddy beschreibt, wie sie von dem Gebet, das nicht heilte, zu dem geistigen Sinn fand, durch den das Gebet Heilkraft erhält, und erklärt: „Er war die lebendige, pulsierende Gegenwart des Christus, der Wahrheit, die die Kranken heilte.“ Ebd., S. 351.
Das von Herzen kommende Verlangen, unserem Gebet durch mehr Christlichkeit einen neuen Charakter zu geben, wird uns die Mahnung des Paulus: „ ... betet ohne Unterlaß“ 1. Thess. 5:17. realistischer erscheinen lassen. Unser Leben wird unser Gebet, wird Ausdruck unserer Denkweise und unseres Handelns. Wenn Zufriedenheit und Klarheit, wenn Hoffnung, Geduld und Originalität für unser Gebet kennzeichnend werden (und zwar sowohl in unserer Lebensführung wie auch in spezifischen Behandlungen), stellen sich Heilungen leichter ein. Gesundheit und Sündlosigkeit werden schneller und sicherer erzielt, wenn das Gebet von Christlichkeit erfüllt ist.