Die Christliche Wissenschaft kam in mein Leben, als ich bereits einige Jahre verheiratet war und kleine Kinder hatte. Mein Mann und ich waren beide in einer traditionsgebundenen Religion erzogen worden. Keiner von uns war ein eifriger Kirchgänger, aber es wäre uns auch nicht eingefallen, unseren Glauben zu wechseln — d. h., bis ich mich für die Christliche Wissenschaft zu interessieren begann.
Bald besuchte ich die Gottesdienste regelmäßig und studierte emsig. Nach und nach wurde diese Wissenschaft zum größten Einfluß in meinem Leben, und ich trat Der Mutterkirche und einer Zweigkirche bei. Mein Mann hatte nichts gegen meine Hingabe an die Christliche Wissenschaft einzuwenden, noch war er dagegen, daß ich die Kinder ihren Lehren gemäß erzog, aber er selbst interessierte sich ganz einfach nicht dafür.
Anfangs war ich sehr froh über die Freiheit, zu Hause studieren und die wissenschaftliche Christlichkeit ausüben zu können. Aber bisweilen fühlte ich Enttäuschung, weil ich das Wertvollste in meinem Leben nicht mit meinem Mann teilen konnte. Ich sehnte mich danach, mit ihm in der Kirche ebenso verbunden zu sein wie daheim. Oft wünschte ich, er würde sein Denken und Handeln auf die Wahrheiten gründen, die für mich jetzt das Leben selbst bedeuteten.
Die Vertrautheit und das Verständnis, die mein Mann und ich zuvor miteinander geteilt hatten, wurden untergraben. Und allem Anschein nach waren mein Interesse an der Christlichen Wissenschaft und sein mangelndes Interesse daran schuld. Enttäuschung und Einsamkeit türmten sich drohend vor mir auf. Ich betete täglich und studierte das Kapitel „Die Ehe“ in dem Buch Wissenschaft und Gesundheit. Ein Abschnitt bewegte mein Herz ganz besonders. In ihm heißt es u. a.: „, Die aber gefreit hat, die sorgt, ... wie sie dem Manne gefalle‘, sagt die Bibel; und das ist ein beglük-kendes Tun.“ In einem darauffolgenden Satz erklärt Mrs. Eddy: „Zärtlichste Besorgtheit für das Glück des anderen und gegenseitige Aufmerksamkeit und Anerkennung sollten alle Jahre des ehelichen Lebens begleiten.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 58–59.
Ich begann einzusehen, daß das Problem nicht darin lag, daß ich ein Christlicher Wissenschafter war und mein Mann nicht; vielmehr hatte ich es versäumt, in ihm den Ausdruck des Christus zu sehen und zu schätzen, weil ich so sehr damit beschäftigt war, ständig zu bemerken, daß er kein Christlicher Wissenschafter war. Ich sah, wie weise Mrs. Eddys Worte waren. Jeder einzelne sehnt sich danach, als Gottes Kind erkannt und geschätzt zu werden. Eine solche Wertschätzung — die aufrichtige Anerkennung seitens eines jeden Partners, daß im anderen das Kind Gottes zum Ausdruck kommt — ist, wie ich lernte, die Grundlage für eine anhaltende Liebe in der Ehe. Eine Ehe ist eine echte Gemeinschaft, und ihre geistige Einheit wächst nur dann, wenn beide Partner beständig das Gute im anderen suchen und immer empfänglicher dafür werden. Anerkennung schließt Dankbarkeit ein, die in zärtlicher Fürsorge, Aufmerksamkeit und Zuneigung Ausdruck findet.
Der Bericht im Neuen Testament, wie Petrus und Andreas berufen wurden, hatte mich schon immer beeindruckt. Christus Jesus wandelte am Galiläischen Meer, wo die beiden fischten. Als er sie sah, sagte er einfach: „Folget mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen!“ Matth. 4:19. Und sie folgten ihm. Als Jesus Matthäus rief, der Steuergelder einzog, sagte er nur: „Folge mir!“ Matth. 9:9., und Matthäus tat es. War es lediglich Neugierde, die diese Männer dazu veranlaßte, ihre Beschäftigung umgehend aufzugeben und Jesu Jünger zu werden? Es schienen viel tiefere Gründe mitzuspielen. Könnte es die wunderbar klare Sicht des Meisters gewesen sein, die er vom Christus hatte, von der wahren Idee Gottes — eine Sicht, die so mächtig war, daß sie die Herzen der Männer ergriff und sie unwiderstehlich zu dem einen hinzog, der ihre wahre Natur erkannte? Ich glaubte, daß es das gewesen war.
Ich hielt an der geistigen Tatsache fest, daß jeder von uns in Wirklichkeit die individuelle Kundwerdung Gottes ist — ein Juwel, könnte man sagen —, und ich machte es mir zur täglichen Aufgabe, diese Gottähnlichkeit in meinem Mann zu finden und zu schätzen — manchmal im stillen, aber meistens faßte ich es in Worte und ließ ihn wissen, wie aufrichtig ich jeden Ausdruck des Guten in ihm liebte. Als ich das fortsetzte, fühlte ich, daß sich die Atmosphäre in unserem Heim besserte. Je mehr ich das Gute in meinem Mann schätzte, desto stärker zeigte es sich. Es breitete sich aus. Wir wurden alle liebevoller — mein Mann, meine Kinder und ich. Es herrschte wieder eine Atmosphäre der Eintracht und aufrichtigen Fürsorge, die nicht auf ähnlichen oder gegensätzlichen religiösen Bindungen beruhte, sondern auf dem geistigen Status, den jeder Partner als wundervolles, liebenswertes Kind Gottes hatte.
Jetzt, wo ich dies schreibe, ist mein Mann noch kein Anhänger der Christlichen Wissenschaft; aber ich weiß, daß seine Erkenntnis Gottes in des Vaters Händen liegt — und das trifft für jeden zu. Kein menschlicher Plan kann die erforderliche Vorbereitung des Herzens beschleunigen oder verbessern, denn sie ist Gottes Werk. In Wirklichkeit befindet sich niemand außerhalb der Allheit der göttlichen Wahrheit und Liebe; und deshalb schließen wahre Christen niemanden von ihrer Liebe aus. Ich lernte, daß unsere Zufriedenheit nicht davon abhängt, ob wir mit einem Christlichen Wissenschafter verheiratet sind oder was ein anderer ist oder tut, sondern von unserem eigenen Wissen, daß der Mensch untrennbar von Gott ist. Nur wenn wir täglich die Einheit des Menschen mit Gott demonstrieren, finden wir jenen Frieden, jene Freude und Zufriedenheit, die durch nichts zerstört werden können.
Wenn das Bemühen, im anderen den Christus zu sehen, eine Familie so reich segnen kann — stellen Sie sich einmal vor, welch wundervolle Ergebnisse es für unsere Welt zeitigen könnte! Wenn wir uns bemühen, in jedem unserer Mitmenschen das Kind Gottes zu sehen — wenn wir versuchen, einen Schimmer von dem Juwel zu erhaschen —, werden wir uns vor keiner Begegnung abwenden, bevor wir nicht irgendeine Form des Guten im anderen entdeckt, anerkannt und darauf reagiert haben. Das wird ein Herz nach dem anderen berühren! Und jedesmal wenn wir in einem anderen Gutes sehen und lieben, sehen und lieben wir mehr von Gottes Wesen. Dadurch werden alle gesegnet.
