Wir waren sechs Kinder, ohne Vater und ohne Mutter. Ich, die Älteste, war sechzehn, während das Jüngste nur ein Kleinkind von drei Jahren war, ein zartes, kleines Mädchen, das, wie wir alle, sehr der mütterlichen Liebe und Fürsorge bedurfte.
Ich möchte die darauffolgenden paar Jahre meines jungen Lebens und den jähen Umschwung von liebender Fürsorge zu kalter und herzloser Behandlung nur flüchtig berühren. Wir waren in der Lage, alles, was für uns getan wurde, zu entgelten, aber das machte scheinbar keinen Unterschied. Die traurigen kleinen Gesichter sprachen nur zu deutlich von der ertragenen Härte, und obwohl mir das Herz wehtat — mehr um der Kleinen als um meiner selbst willen —, konnte ich sie nicht davor bewahren.
All diese Erfahrungen waren nicht umsonst, und ich bin äußerst dankbar, daß ich eines Tages die schweren Zeiten vergessen und denjenigen, die uns das Leid zugefügt hatten, vergeben und sie aufrichtig lieben konnte und daß sie diese Liebe auch voll erwiderten. Wer weiß, ob diese Erfahrung nicht nötig war, um diese große Lektion zu lernen?
Durch diese ersten großen Prüfungen wurde mein Denken mehr auf geistige Dinge gelenkt, und obwohl ich wie ein Kind war, das im Dunkeln tappt, sah ich immer einen Lichtschimmer, der meinen Pfad erhellte, mir Hoffnung gab, mich tröstete und ermunterte. Ich hatte das Gefühl, daß Gott auf eine Weise für mich sorgte, die ich nicht verstand, und daß, wenn der Weg schwer erschien, es Gottes Wille war und alles zu meinem Besten diente. Oh, wie wenig verstand ich, was Gott ist und daß es nicht Sein Wille ist, daß jemand leide. Diese Erfahrungen meiner Schulzeit führten wahrscheinlich dazu, daß ich einen stärkeren Charakter entwickelte und in allem überlegter und ernsthafter handelte.
Manchmal ging ich mit meiner besten Schulfreundin zu einem schönen Plätzchen, wo wir allein waren, und dort sprachen wir über geistige Dinge. Wir fragten uns, was Wahrheit wohl sei oder was sie nicht sei, und wir suchten immer nach einer universalen Glückseligkeit in der Zukunft, ohne zu wissen, daß diese schon jetzt möglich ist.
Ich stellte fest, daß eine Bekehrung nach den Grundsätzen meines orthodoxen Glaubens mir keinen dauernden Frieden und kein Glück brachte, daß ich das gleiche Mädchen war wie vorher und immer noch die gleichen Fehler und Schwächen hatte. Ich hatte noch nicht gelernt, daß wir unsere Seligkeit selbst ausarbeiten müssen, wie die Heilige Schrift uns gebietet, und daß wir den Weg, den unser großer Meister lehrte, verstehen und nicht nur daran glauben müssen.
Im Laufe der Jahre — ich hatte inzwischen meine Schulzeit beendet — wurde mein Denken so weit für die Wahrheit empfänglich, daß ich einige meiner alten theologischen Ansichten fallenließ, und wenn Freunde mich nach meinem Glaubensbekenntnis fragten, sagte ich ihnen, daß ich wohl keins hätte. Ich glaubte, daß es eine Wahrheit gab, die höher war als das, was ich wußte oder hatte finden können, und mehr und mehr verlangte und strebte ich danach und versuchte ich, sie zu finden. Viele Male am Tag kam mir der Gedanke „Was ist Wahrheit?“, bis das schließlich für mich die vorherrschende Frage wurde, die ich nicht beantworten konnte. Dann dachte ich: „Ich kann nur nach bestem Wissen und Gewissen leben, so wie ich es verstehe, und Vertrauen haben“, aber das stellte mich nicht zufrieden. Ich mußte meinen Weg sehen, mußte an etwas festhalten und mich auf etwas stützen können. Diese Entwicklung, die sich in meinem Denken vollzog, machte mich weder traurig noch bedrückt; im Gegenteil, ich war heiter und hoffnungsvoll.
Dann wurde ich sehr krank. Mehrmals wurde ich von den Ärzten aufgegeben, und meine Freunde wurden herbeigerufen und erwarteten, mich zum letztenmal zu sehen. Dem menschlichen Augenschein nach litt ich sehr, und als sich dieses Leiden über Monate und Jahre hinzog, beschloß ich, mir unter den gegebenen Umständen die größte Mühe zu geben und darauf zu achten, daß diese Jahre meines Lebens nützlich sein und keine unnötige Belastung für andere darstellen würden.
Fünf Jahre lang war ich völlig von der Welt abgeschlossen. Und wenn ich auch hilflos ans Bett gefesselt und von Leiden geschwächt war, wollte ich dennoch nicht klagen, sondern bei allem geduldig und heiter bleiben. Ich nahm mir fest vor, nicht über Krankheit zu sprechen und kein langes Gesicht zu machen, sondern für jeden ein Lächeln zu haben. Die Ärzte sagten, sie hätten noch selten einen Patienten gesehen, der sein Leiden mit solcher Stärke ertrug, und von allen Krankenzimmern, in die sie kamen, sei meines das heiterste. Gottes große Liebe stützte mich und bereitete mich auf die Wahrheit vor, die bald kommen sollte, obwohl ich das nicht wußte. Zweimal wurde ich in meinem Bett in verschiedene Städte gebracht, um von anderen Ärzten behandelt zu werden. Alle waren sehr interessiert und liebenswürdig, und ich war dankbar für ihre Bemühungen, aber materielle Mittel konnten mich nicht heilen.
Nach sieben Jahren trat eine Besserung ein, aber es wurde mir keine Hoffnung auf endgültige Wiederherstellung gemacht, und die angewandten Heilmittel blieben wirkungslos. Dann erklärte ich meinen Freunden, daß ich erwartete, ein Heilmittel zu finden, das nicht materiell war. Eines Tages erhielt ich einen Brief von einer Freundin, durch den ich zum erstenmal von der Christlichen Wissenschaft hörte. Das war im April 1880, als die Wissenschaft wenig bekannt war. Die Freundin schickte mir ferner ein kurzes Rundschreiben, das über die erste Kirche der Christlichen Wissenschaft berichtete, die von sechsundzwanzig Mitgliedern gegründet worden war und die im Jahr zuvor, im August 1879, ihre Gründungsurkunde erhalten hatte. Als ich das Rundschreiben las, das „eine Kirche [beschreibt], die den Zweck haben sollte, die Lehren Jesu aufrechtzuerhalten, das ursprüngliche Christentum wiedereinzuführen und sein verlorengegangenes Element des Heilens wiederherzustellen“, war ich sehr interessiert, und wenn ich über den Brief nachdachte, in dem es hieß, daß dieses Heilen durch Gemüt erfolge, da sah ich keinen Grund zu bezweifeln, daß die Kranken wirklich auf diese Weise geheilt werden können.
Ich bat meine Freundin, einen Ausüber zu empfehlen, der meinen Fall übernehmen würde, und gleichzeitig bestellte ich mir das Buch Wissenschaft und Gesundheit. Meine Freundin holte sich Rat bei Mrs. Eddy, und diese stellte mich der Fürsorge ihres Mannes, Dr. Asa G. Eddy, anheim. Es trat eine sofortige Besserung ein, und ich erlangte meine Freiheit wieder. Ich hatte das Gefühl, aus einem Gefängnis entlassen worden zu sein. Die Ketten materieller Annahmen und Gesetze fielen vor dem höheren Gesetz des Geistes, und damit verschwanden auch die Schmerzen. Mir fehlen die Worte, um das Gefühl der Freiheit zu beschreiben, das sich mit dem ersten flüchtigen Blick von dieser glorreichen Wahrheit einstellte. Die Welt kam mir wie verwandelt vor. Ich sah alles von einem anderen Gesichtspunkt aus, und ein Glanz der Schönheit lag über allem.
Ich hatte noch nie einen Christlichen Wissenschafter gesehen, aber mein größter Wunsch war, die Frau zu sehen und kennenzulernen, durch die all das Gute in die Welt gekommen war, und von ihr die Wahrheit zu lernen, damit ich anderen helfen könnte. Es geschah alles zu seiner Zeit. Ungefähr vier Monate nachdem ich zuerst von der Christlichen Wissenschaft gehört hatte, bewarb ich mich bei Mrs. Eddy um Klassenunterricht und wurde angenommen.
Sie lud mich zu einer Unterredung in ihr Heim in Lynn ein, und als ich dort ankam, empfing mich ihr Mann, Dr. Eddy. Er sagte, daß Mrs. Eddy noch beschäftigt sei, mich aber bald sehen werde. Schon im nächsten Moment jedoch kam sie selbst herein — mit halb herunterhängendem Haar (das sie zurechtmachte) — und sagte, daß sie mich nicht warten lassen wolle. Ich spürte ihre Liebe, die sie immer an andere denken ließ, und fühlte mich in ihrer Gegenwart vollkommen wohl. Sie war schön, aber damals etwas schlanker als später. Sie regelte Einzelheiten meines Eintritts in ihre Klasse mit mir, und da ich wußte, daß sie viel zu tun hatte, verabschiedete ich mich bald.
Ich glaube, was mich bei diesem ersten Treffen am meisten beeindruckte, war ihre Geistigkeit und der Platz, den sie in der Welt einnahm, und doch empfing sie mich auf meiner Ebene, einfach und liebenswürdig, selbst auf kleine Dinge meines Wohlergehens bedacht. Als ich ging, dachte ich an die Tage, wenn ich zu diesem kleinen Haus gehen und ihren wunderbaren Lehren zuhören würde. Dieses Heim in Lynn war in allem sehr einfach eingerichtet, aber es herrschte peinliche Ordnung. Sie hatten zu der Zeit keine Dienstboten, aber Dr. Eddy tat vieles für die Bewegung, was sonst Mrs. Eddys Zeit in Anspruch genommen hätte, und er erledigte viel Geschäftliches außer Hause. Er war immer der liebenswürdige Ehemann und Freund und hilfsbereit in allem, was die Sache der Christlichen Wissenschaft oder unsere geliebte Führerin betraf.
Mein Unterricht bei Mrs. Eddy begann am 30. September 1880. Diese Klasse bestand aus nur drei Mitgliedern. Damals waren alle ihre Klassen klein, aber sie sprach davon, wie viel Freude es ihr bereite, diese kleine Klasse zu unterrichten. Ihre Lehren offenbarten ihren Schülern auf wunderbare Weise die Wahrheit. Ich sehe sie noch heute, wie sie vor uns saß, mit diesem himmlisch geistigen Ausdruck, der ihr ganzes Angesicht erhellte, während sie uns die Wahrheit, die in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit enthalten ist, erläuterte.
Als der Unterricht beendet war, blieben meine Freundin, die mir zuerst von der Christlichen Wissenschaft erzählt hatte und die auch in der Klasse war, und ich noch zurück und saßen neben unserer geliebten Lehrerin, während sie zu uns davon sprach, wie sehr das sterbliche Gemüt die Wahrheit haßt und daß das Böse überwunden werden muß. Sie erwähnte einen Vorfall, als jemand mit einer gegen sie gerichteten Waffe an ihrer Tür erschienen war, aber dann sein übles Werk nicht habe durchführen können. Wir sahen ein wenig, was es hieß, da zu stehen, wo sie stand — als Vertreter der Wahrheit gegenüber einer Welt von Irrtum —, wir sahen, welchen Preis und welche Herrlichkeit es hatte, aber wir sagten in einem spielerischen, kindlichen Ton, der sie amüsierte und tröstete: „Niemand soll Sie anrühren; wir werden Ihnen helfen.“ Der Gedanke, daß ich ihr in den Jahren, die folgten, vielleicht die Lasten habe etwas erleichtern können, ist mir heute die größte Freude.
Zu der Zeit besuchte ich meinen ersten christlich-wissenschaftlichen Sonntagsgottesdienst. Er fand in dem kleinen Wohnzimmer des Hauses Broad Street Nr. 8 in Lynn statt. Ungefähr zwanzig Personen waren anwesend. Mrs. Eddy hielt die Predigt, durch die eine junge Frau, die in meiner Nähe saß, von einem chronischen Leiden geheilt wurde, das die Ärzte nicht hatten heilen können. Der Mann der Frau, der auch anwesend war, kam am nächsten Tag zu Mrs. Eddy und dankte ihr für das, was seiner Frau widerfahren war. Das war die beste Predigt, die ich je gehört habe, aber es waren nur wenige da, die sie hörten.
Als der Klassenunterricht zu Ende war, riet Mrs. Eddy mir, an meinen Heimatort in Connecticut zurückzukehren und etwas Erfahrung im Heilen zu sammeln. Das tat ich. Während dieser Zeit fuhr ich oft nach Lynn, um den Versammlungen der Schülervereinigung beizuwohnen und um unserer geliebten Lehrerin in der Arbeit unserer Bewegung soweit wie möglich zu helfen, obwohl ich erst eine Anfängerin war.
Zu Beginn des Jahres 1881 rief Mrs. Eddy mich nach Boston, damit ich meine Arbeit dort aufbaute. Ich lernte Frau Abbie K. Whiting kennen, die kurz vorher von Mrs. Eddy in der Christlichen Wissenschaft unterrichtet worden war, und wir hielten es beide für richtig, unsere Arbeit zusammen zu beginnen. Wir beabsichtigten, Räume zu mieten, die für unseren Zweck geeignet waren, ohne zu ahnen, welchem Widerstand wir begegnen würden. Es war nicht schwierig, die gewünschten Räume in einer guten Gegend zu finden, und man war auch willens, uns aufzunehmen, bis man herausfand, daß wir Christliche Wissenschafter waren; dann wurden Einwände erhoben. Die Christliche Wissenschaft war nicht bekannt, und man betrachtete sie mit Argwohn. Wenn wir in einem Haus abgewiesen wurden, versuchten wir es in einem anderen, und wir verbrachten Tage damit, in der Hoffnung, etwas in Boston zu finden, wo wir unsere Arbeit tun konnten, aber niemand wollte uns haben.
Dann gingen wir nach Charlestown; und schließlich fühlten wir uns von einem Haus angezogen, wo wir freundlich empfangen wurden von einer Dame, die uns alles gestattete, was wir zur Durchführung unserer Arbeit benötigten. Dazu gehörte, daß wir jeden Freitagabend das Wohnzimmer benutzen durften, wenn wir Leute zu unseren Vorträgen über die Christliche Wissenschaft einladen würden, in denen wir erklären würden, was sie ist und was sie für die Menschen tun kann. Die gute Dame sagte, daß sie uns helfen und ihre Freunde benachrichtigen werde, was sie auch tat. Wir selbst taten, was wir konnten, um die Menschen zu erreichen, aber trotz all unserer Bemühungen kam niemand. Dann sagte ich: „Wenn sie nicht zu mir kommen, dann gehe ich zu ihnen“, und die gute Frau Whiting war bereit, mitzumachen.
Wir besorgten uns eine stattliche Anzahl der Broschüre Christliches Heilen. Das war zu der Zeit die einzige Veröffentlichung über die Christliche Wissenschaft außer Wissenschaft und Gesundheit, und mit diesen Broschüren begannen wir unsere Mission. Wir suchten uns eine der besten Straßen aus und gingen von Haus zu Haus, sie auf der einen Seite, ich auf der anderen. Das war ein kühnes Unternehmen für eine schüchterne, zurückhaltende Person, und es kostete manchen Kampf mit sich selbst. Aber das trat alles in den Hintergrund, wenn ich dann die Dame des Hauses kennenlernte, die jedesmal sehr interessiert zu sein schien an dem, was ich ihr über die Christliche Wissenschaft zu sagen hatte, und den Wunsch aussprach, eine Verabredung zu treffen, um mehr darüber zu erfahren. Zunächst hinterließen wir eine Broschüre für jede Familie.
Das Wissen, etwas Gutes getan zu haben, machte uns zwar glücklich, doch niemand kam zu uns durch diese Arbeit. Meine Freundin beschloß dann, für eine Weile nach Hause zu gehen, während ich überlegte, was ich als nächstes tun sollte. Anfänglich sagte ich: „Du hast eine Welt vor dir, die die Wahrheit braucht. Wenn es dir nicht gelingt, Arbeit zu bekommen, so ist es deine eigene Schuld, und wenn du bei deinem ersten Versuch scheiterst, dann machst du eben so lange weiter, bis du Erfolg hast.“ Vielleicht mußte ich geprüft werden und mich bewähren, aber ich wußte, wenn ich meinen Teil tat und Gott bei mir war, dann war ein Versagen unmöglich.
Als nächster Versuch, Aufmerksamkeit auf die Christliche Wissenschaft zu lenken, ließ ich ein Schild anfertigen, auf dem in sorgsam gemalten Goldbuchstaben geschrieben stand:
Versammlungen zwecks Erläuterung
der Christlichen Wissenschaft
werden hier jeden Freitagabend um
19:30 Uhr gehalten.
Alle sind herzlich willkommen.
Dieses Schild wurde am Eingang aufgehängt.
Das Schild erregte einiges Aufsehen, und viele Passanten blieben stehen, um es zu lesen, und wunderten sich, was es wohl bedeute. Jedenfalls hatten wir am nächsten Freitagabend acht Zuhörer, die, wie sie selbst zugaben, aus Neugier gekommen waren. Aber sie sagten, sie hätten das Gehörte interessant gefunden und würden wiederkommen und ihre Freunde mitbringen.
Nach diesem ersten Anzeichen von Interesse gab es wohl in Boston keine glücklicheren Menschen als meine Freundin und mich. Es erforderte viel Mut und Selbstaufopferung, bevor wir die Früchte unserer Arbeit ernten konnten, aber schließlich kam der Lohn, und er kam reichlich, bis die Räume nicht mehr all die Leute fassen konnten, die etwas über die Christliche Wissenschaft erfahren und geheilt werden wollten.
Im Oktober 1881 taten sich acht Schüler zusammen, die ihr Denken hatten vom Irrtum beeinflussen lassen, und schrieben einen treulosen Brief mit falschen Beschuldigungen an ihre Führerin, den sie unterzeichneten. Dieser unbarmherzige Brief wurde auf einer Versammlung der Vereinigung Christlicher Wissenschafter im Beisein von Mrs. Eddy verlesen. Sie gab keine Antwort darauf und zog sich nach der Versammlung, die in ihrem Haus abgehalten wurde, auf ihr Zimmer zurück. Alle Schüler, außer zweien, gingen nach Hause. Diese beiden [und Dr. Eddy] blieben bei ihrer geliebten Lehrerin, um sie in ihrem Kummer und Schmerz zu trösten.
Ich war zu der Zeit in Salem und konnte der Versammlung nicht beiwohnen. Als ich aber am nächsten Morgen hörte, was vorgefallen war, nahm ich den nächsten Zug nach Lynn, in dem Wunsch, bei meiner lieben Lehrerin zu sein und ihr in ihrer Stunde der Prüfung etwas zur Seite zu stehen. Dr. Eddy öffnete mir die Tür. Als ich eintrat, saß Mrs. Eddy am Tisch, und die beiden Schüler, die über Nacht geblieben waren, saßen nahe bei. Ich setzte mich still in ihre Nähe, ebenso Dr. Eddy, und wir lauschten Mrs. Eddy, die mit einer Kraft sprach, wie ich sie nie zuvor gehört hatte.
Kurz vor meinem Eintritt, als sie mit den anderen zusammensaß, lag die Last noch schwer auf ihren Schultern. Aber dann erhob sie sich plötzlich und tat ein paar Schritte in den Raum hinein mit leuchtendem Gesicht und einem in die Ferne gerichteten Blick, als ob sie etwas wahrnähme, was das Auge nicht sehen kann. Sie begann zu sprechen — und zwar redete sie in der Sprache der Heiligen Schrift. Als die drei, die bei ihr waren, sahen, was geschah, griffen sie zu Bleistift und Papier und schrieben nieder, was Mrs. Eddy sagte. Nachdem sie geendet hatte und wieder auf die Gedankenebene derjenigen zurückgekehrt war, die um sie waren, waren diese so erschüttert durch das, was sie gesehen und gehört hatten, daß ihre Augen voll Tränen standen, und eine kniete schluchzend neben dem Sofa.
In dem Augenblick, als Mrs. Eddy sich hinsetzte und anfing, zu ihnen zu sprechen, kam ich herein. Als sie geendet hatte, sagte sie: „Ich möchte, daß ihr drei Tage lang bei mir bleibt.“ Sie sagte, sie wisse noch nicht, was sein werde, aber sie fühle, daß es für uns viel geben werde.
Diese drei Tage waren wunderbar. Es war, als ob Gott zu ihr spräche, und sie kam zu uns, um uns die wunderbaren Offenbarungen mitzuteilen. Wir befanden uns auf dem Berg. Wir hatten das Gefühl, daß wir die Schuhe von unseren Füßen ziehen mußten, daß wir auf heiligem Boden standen. Ich werde nie vergessen, was mir während dieser Zeit enthüllt wurde.
Der zweite Teil dieses Artikels von Julia S. Bartlett
erscheint in der nächsten Ausgabe