Selbst wenn Leute in guten Verhältnissen leben und materielle Dinge in großer Zahl besitzen, trifft man doch allzuoft geistige Armut an. Vielleicht spüren sie unterschwellig ein unbestimmtes Unbehagen, ein dumpfes Gefühl der Unzufriedenheit — irgend etwas scheint ihnen zu fehlen. Was unsere Gesellschaft heute dringend braucht, ist eine geistige Bereicherung des Lebens. Die Menschen wollen das Gefühl haben, daß das Leben einen tieferen Sinn und Zweck hat als nur die Existenz von einem Tag zum andern.
An einer bekannten Universität stellte kürzlich ein Redner seinen Zuhörern die Frage, ob Bereicherung nur einen höheren materiellen Lebensstandard bedeute. Dann fragte er: „Oder bedeutet Bereicherung auch, oder sogar speziell, die Veredelung des Charakters und des Verhaltens des einzelnen und Freiheit und Gerechtigkeit für alle? Was wäre denn, wenn... Wohlstand und Sorglosigkeit die guten Charaktere unterminierten? Was sollen wir Bereicherung nennen?“ Leon R. Kass, „Modern Science and Ethics“, Current, Oktober 1984, S. 4.
Christus Jesus zeigte deutlich, daß die Anhebung der moralischen und geistigen Eigenschaften immer das Wichtigste im Leben ist. Wenn wir so an unserer Erlösung arbeiten, wie Jesus es zeigte, wird das Dasein wirklich bereichert. Das führt zu wahrer Zufriedenheit. Der Meister lehrte: „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ Matth. 5:6.
Als Jesus Kranke und Sünder heilte, müssen die Geheilten etwas von der wahren Substanz der Identität des Menschen gefühlt und erfaßt haben, denn die erlösende Tätigkeit des Christus, der Wahrheit, bewegt — verändert — das Bewußtsein. Sicherlich waren die Herzen erfüllt, wurde der Lebenszweck erkannt, der Sinn des Lebens in neuem Licht gesehen. Christliches Heilen entspringt immer reiner Liebe und dem Verständnis der göttlichen Wirklichkeit. Heilung beruht auf der Vergegenwärtigung des geistigen Seins des Menschen, und eine derartige Inspiration bereichert die individuelle Erfahrung, was durch keine materiellen Mittel, Bemühungen oder Vergnügen erlangt werden kann.
Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft spricht Mrs. Eddy vom wirklichen Sein des Menschen und von der Wirkung, die Jesu geistige Sicht in seiner Mission für die Menschheit hatte. In Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „In der göttlichen Wissenschaft ist der Mensch das wahre Bild Gottes. Die göttliche Natur fand ihren höchsten Ausdruck in Christus Jesus, der den Sterblichen die wahrere Widerspiegelung Gottes leuchten ließ und ihr Leben höher hob, als ihre armseligen Gedankenvorbilder es gestatteten — Gedanken, die den Menschen als gefallen, krank, sündig und sterbend darstellen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 259. Und wie zu Jesu Zeiten ändert auch heute das Christus-Heilen der Christlichen Wissenschaft weiterhin Gedanken endlicher, begrenzter Sterblichkeit, und das Leben der Menschen wird erhoben.
Für die Bereicherung, die die Menschheit braucht, ist noch etwas anderes unentbehrlich; es steht im Mittelpunkt der Lehre Christi Jesu und findet wohl am deutlichsten Ausdruck in der Antwort des Meisters auf die Frage, welches das „vornehmste Gebot“ sei. Er sagte: „, Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte.‘ Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andre aber ist dem gleich: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‘ “ Matth. 22:37–39. Letzten Endes wird unser Leben nur in dem Maße bereichert, wie wir lieben. Die Liebe zu Gott steht an erster Stelle. Doch wenn wir Ihn nur halbherzig lieben oder nur einen Teil unseres Denkens auf die Liebe zum Guten richten, wird das Leben auch nur ein Teil dessen sein, was es sein sollte und könnte. Das größte Gebot fordert, daß wir von ganzem Herzen lieben.
Diese Liebe zu Gott muß auch in unserer Liebe zur Menschheit aktiv zum Ausdruck kommen — sie muß in unserem Mitgefühl und unserer Fürsorge praktisch spürbar werden. Selbst wenn es manchmal schwierig zu sein scheint, anderen gegenüber diese Liebe zu zeigen, so ermutigt uns doch das Wissen, daß das Gute zu lieben das Natürlichste der Welt ist. Es liegt in der Natur des Menschen, zu lieben — so wie eine Wiese an einem Sommernachmittag die Wärme der Sonne ganz natürlich wiedergibt.
Die Ausübung des christlichen Heilens bestätigt schon an sich unsere Liebe zu Gott und den Menschen. In dem Maße, wie sich unsere Zuneigung auf die Schätze christlicher, selbstloser Liebe richtet, öffnen sich unsere Herzen und wächst unsere Zuneigung, so daß wir alle unsere Nächsten auf der ganzen Erde in diese Liebe mit einbeziehen. Wissenschaft und Gesundheit bestätigt: „Liebe bereichert die menschliche Natur, erweitert, reinigt und erhebt sie.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 57.
Wenn unser Leben mit Beweisen der Gnade Gottes erfüllt ist und unsere Zuneigung aufgrund der Fülle selbstloser Liebe umfassender wird, dann kann unser Dasein nicht mehr unbefriedigend und sinnlos erscheinen. Wir entdecken, daß dem Leben nichts fehlt. Alles wirklich Gute steht uns zu, und wie reich sind wir doch, wenn wir unserem Schöpfer dienen — wenn wir Gott und die Menschheit lieben und so heilen, wie Jesus es lehrte!
