Wir leben in einer Welt, die in vieler Hinsicht immer kleiner zu werden scheint. Die fantastischen Fortschritte auf dem Gebiet der Kommunikation machen es möglich, daß die Menschen in einem Teil der Welt über die Ereignisse auf der anderen Seite der Welt im gleichen Augenblick informiert werden, in dem die anderen diese Ereignisse erleben. Heutzutage ist es fast nichts Besonderes mehr, daß man in weniger als zwölf Stunden um die halbe Welt reist. Man könnte sein Frühstück in Delhi einnehmen und in New York zu Abend essen!
Aber wenn unsere Welt auch schrumpft, so scheinen doch weiterhin tiefe Klüfte zwischen Menschen, Rassen und Nationen zu bestehen. Die Verschiedenheiten, die die Menschen trennen, sind vielfältig und zahlreich — religiöse Glaubensanschauungen, politische Ideologien, wirtschaftliche Ungleichheit, jahrhundertealte Vorurteile und Klischees, übertriebener Nationalismus usw. Wenn diese Verschiedenheiten garstige Züge annehmen, bricht mitunter Gewalt aus. Dann leidet unsere Welt Schaden durch die Gewaltakte einzelner, durch Terrorismus, politische Unterdrückung oder Krieg. Und es will so scheinen, als ob ein wütender, reißender Fluß die Menschen auseinandertreiben würde, ein Fluß, der zu breit ist, als daß er überquert werden könnte.
Doch die Bibel verheißt, daß eine Brücke des Heilens gebaut werden kann. Sie verkündigt die frohe Botschaft christusgleicher Liebe.
Klingt das zu simpel oder gar naiv? Manche mögen es so sehen. Doch absolut nicht naiv war jene dynamische Liebe, die uns Christus Jesus vorlebte. Die Liebe, die er ausdrückte, durchbrach jede Barriere und jedes Hindernis. Einmal führte sie ihn durch eine haßerfüllte Menschenmenge — ohne daß ihm ein Haar gekrümmt oder ein Leid zugefügt wurde. Seine Liebe galt allen Menschen — ob sie nun Fremde oder Freunde waren und ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer nationalen Herkunft oder ihrer religiösen Überzeugung. Seine Liebe heilte, erlöste, segnete und vergab.
All das war möglich, weil Jesu Liebe in ihrer Reinheit von der göttlichen Liebe ausging. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Gott allmächtige göttliche Liebe ist. Und wenn wir bereit sind, ebenso zu lieben, wie unser Heiland es tat, wenn wir danach trachten, etwas von jener unendlichen Liebe auszudrücken, die doch Gott ist, dann wird uns eine Kraft, ja ein Glaube beflügeln, der Berge versetzen kann. Ganz gewiß kann er Brücken bauen.
Christi Liebe verlangte viel von dem Apostel Paulus — Aufopferung, Selbstlosigkeit, Treue, unbeirrbaren Gehorsam. Er lernte, was die Liebe von einem Nachfolger fordert. Doch lernte er auch, was sie für einen Nachfolger — und für die Welt — bewirkt. Geistige Liebe führt zu Änderungen. Wenn wir dem Beispiel unseres Erlösers folgen und heilende Zuneigung und Erbarmen zeigen, stellen wir fest, daß wir uns geändert haben. Und bis zu einem gewissen Grade hat sich auch die Welt, in der wir leben, geändert.
Paulus erkannte die große einigende, erlösende Kraft der Liebe, die Jesus uns vorlebte, und der Apostel unternahm große Anstrengungen, um seinen Zeitgenossen diese Einsicht zu vermitteln. Den Gemeinden in Galizien schrieb er: „Denn wie viele von euch auf Christus getauft sind, die haben Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Knecht noch Freier, hier ist nicht Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christus Jesus.“ Gal. 3:27, 28.
Und in einem seiner Briefe an die Christen in Korinth erteilt er seine große Lehre über die Forderungen und Verheißungen der Liebe. Dort heißt es nach der Übersetzung der New English Bible: „Die Liebe ist geduldig; die Liebe ist freundlich und beneidet niemanden. Die Liebe prahlt niemals, noch ist sie eingebildet oder rüde; sie ist niemals selbstisch, ist nicht leicht beleidigt. Die Liebe kreidet Irrtümer nicht an... Allem kann die Liebe mutig entgegentreten, grenzenlos sind ihr Glaube, ihre Hoffnung und ihre Standfestigkeit. Die Liebe hört niemals auf.“ 1. Kor. 13:4–8.
Als Mary Baker Eddy die Christliche Wissenschaft entdeckte, fühlte sie sich durch das große Beispiel der Liebe Jesu zur Tat angespornt, zur Tat für die Menschheit. Sie verfaßte das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, und gründete die Kirche Christi, Wissenschafter, um der Menschheit das christliche Heilen und Frieden zu bringen. Sie folgte dem Meister nach und baute Brücken der Hoffnung, des geistigen Lichts und einer neuen Erkenntnis der göttlichen Realität. Wir können in Wissenschaft und Gesundheit selbst entdecken, daß Gott, unendlicher Geist, allgegenwärtige Liebe und ewiges Gemüt, wirklich ist. Ferner lernen wir, daß der von Gott erschaffene Mensch als die vollkommene Widerspiegelung des Geistes wirklich ist ― der Mensch, der Gottes Kind ist, der völlig geistig ist und die eigentliche Substanz der göttlichen Liebe offenbar werden läßt.
Diese Wahrheit über den Menschen ist die wissenschaftliche Tatsache über die wirkliche Natur eines jeden Menschen; es ist eine Wahrheit, die über Rassen- und Geschlechtszugehörigkeit oder Nationalität hinausgeht. Der Meister heilte die Menschen dadurch, daß er die geistige Wirklichkeit des menschlichen Seins erschaute und liebte. Auch wir müssen diese wirkliche Natur des Menschen lieben, wenn wir die Verheißung des Neuen Testaments demonstrieren wollen: „Ihr seid allzumal einer in Christus Jesus.“
Auf die göttliche Liebe Bezug nehmend, erklärt Mrs. Eddy: „Welch ein Wort!... Über was für Welten und aber Welten waltet und herrscht es!“ Vermischte Schriften, S. 249. In dem Maße, wie wir mit unserem individuellen Ausdruck der Liebe das Göttliche bezeugen, können wir — zunächst in unserem eigenen unmittelbaren Erfahrungsbereich und dann darüber hinaus im Weltgeschehen — beweisen, daß alles, was die Menschen voneinander trennen oder scheiden möchte, in Gottes Reich keinen Platz hat. Wollen wir doch alle weiter an den Brücken bauen, die die Menschheit so dringend braucht! Für die Liebe gibt es tatsächlich keine unüberbrückbaren Klüfte.
