Wir fanden das herrenlose Boot halb unter Wasser am Flußufer. Es war eigentlich kein richtiges Boot mehr — kaum mehr als das Gerippe einer Kiste mit leckgeschlagenem Boden. Dennoch war es „vollständig“, hatte zwei Planken zum Sitzen, ein zerbrochenes Paddel und eine alte Dose zum Wasserschöpfen. Für einen zwölfjährigen Jungen konnte das nur eins bedeuten: ein Abenteuer!
Mit meinem Vetter hatte ich schon immer das andere Ufer erforschen wollen. Und nun bot sich uns dazu die Gelegenheit; die Strömung war träge und der Fluß ruhig. Wir legten ab.
Doch etwas störte das Bild. Sogar sehr viel war nicht in Ordnung. Der Fluß, der am Hause meines Großvaters vorbeiführte, war tief, und er war den Gezeiten unterworfen. Bei einsetzender Ebbe konnte eine starke Strömung entstehen. Und die über hundert Meter zum anderen Ufer bedeuteten für ein leckes Boot, ein gebrochenes Paddel und zwei Jungen nicht gerade eine kurze Strecke.
Hinzu kam, daß uns der Großvater eingeschärft hatte, niemals ohne einen Erwachsenen auf den Fluß hinauszufahren. Das Wort unseres Großvaters war in solchen Fragen ein Gesetz. Er liebte uns, er war weise, und er stellte nur Regeln auf, um uns vor Schaden zu bewahren. Doch die Regeln, die er aufstellte, mußten unbedingt beachtet werden. Diesmal hatten wir ihm nicht gehorcht.
Vielleicht hätten wir es über den Fluß und wieder zurück schaffen können, ohne uns dabei in ernste Gefahr zu bringen. Es lief aber anders. Vielleicht hatten wir auch gemeint, wir könnten trotz des Ungehorsams ungestraft davonkommen. Doch kamen wir nicht davon.
Als wir die Flußmitte erreicht hatten, setzte der Gezeitenwechsel ein. In der schnellen Strömung verloren wir die Kontrolle über das Boot. Das Leck wurde größer. Der Großvater kam zum Fluß herunter und sah, wie wir wie wild mit dem halben Paddel ins Wasser stachen und verzweifelt mit der Dose das Wasser aus dem Boot schöpften. Für ihn gab es keine Möglichkeit, uns zu Hilfe zu kommen. Irgendwie gelang es uns schließlich, doch ans Ufer zurückzukehren. Die Arme taten uns weh; wir waren sehr erschöpft und hatten schreckliche Angst.
Wortlos half uns der Großvater ans Ufer. Wir wußten, daß er zornig war und sich um uns gesorgt hatte. Nachdem wir die verdiente Schelte erhalten hatten, trotteten wir zum Haus hoch.
Der Großvater schaffte das alte Boot fort, und danach sprachen wir nie wieder darüber. Er wußte, daß wir durch Schaden klug geworden waren. Begreiflicherweise haben wir so etwas nicht noch einmal versucht. Ich glaube auch bestimmt, es war das letzte Mal gewesen, daß ich meinem Großvater nicht gehorcht habe.
Wir können auf vielerlei Art und Weise lernen, daß es töricht ist, weise und gerechte Vorschriften zu mißachten. Einige Lektionen lernen wir ganz natürlich in dem Maße, wie wir reifer werden und zwischen Rechtem und Unrechtem besser unterscheiden lernen. Manche Lektionen fallen uns schwer, und einige schmerzen uns mehr als andere. Es hat aber immer ernsthafte Folgen, wenn wir Gesetze mißachten oder in uns gesetztes Vertrauen enttäuschen. Wir erlangen nur dann Sicherheit, Wohlergehen, Glück und Selbstachtung, wenn wir Gesetze bewußt einhalten und Vertrauen rechtfertigen. Auf nichts trifft das mehr zu als auf unser Verhältnis zu den Gesetzen Gottes.
Die Christliche Wissenschaft offenbart, daß Gott allwissendes Gemüt, vollkommenes Prinzip und unendliche Liebe ist. Diese Wissenschaft lehrt auch, daß das von Gott erschaffene Weltall und der Mensch völlig geistig sind. Und göttliche Gesetze regieren das von Ihm erschaffene Weltall und den Menschen, den Er gemacht hat.
Diese Wahrheit über das Sein wird für uns offensichtlich, wenn wir beten und in der Gnade wachsen. Unser geistiger Sinn teilt uns mit, daß wir tatsächlich weder sterblich noch materiell sind. Wahre Identität — Ihre und meine — ist unsterblich und stets gut. Die Gesetze Gottes, die das Dasein regieren, sind keine Gesetze des Zufalls oder begrenzte Naturgesetze, sind nicht tyrannisch oder willkürlich, noch sind sie Verbote. Vielmehr sind es geistige Gesetze, die die universale Ordnung, Freude, Gesundheit und den universalen Frieden aufrechterhalten. Es handelt sich um Gesetze, die jede Handlung und jede Funktion des menschlichen Seins vollkommen harmonisch regieren. Es sind weise, gerechte und liebevolle Gesetze.
Wir können der Bibel — dem inspirierten Wort — überall entnehmen, daß Gottes Gesetze im Leben ehrlicher, demütiger Männer und Frauen machtvoll wirken. Das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, fördert die geistige Grundlage dieser Gesetze zutage und zeigt, wie sie heute im täglichen Leben praktisch angewendet werden können. In Wissenschaft und Gesundheit stellt die Verfasserin, Mary Baker Eddy, fest, daß Gott Seele ist. Sie schreibt dort: „Der Mensch ist harmonisch, wenn er von Seele regiert wird. Daher die Wichtigkeit, die Wahrheit des Seins zu verstehen, die die Gesetze des geistigen Daseins enthüllt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 273.
Wenn unser geistiges Verständnis von Gott und Seiner Schöpfung zunimmt, erkennen wir, daß Seine Gesetze tatsächlich hier und jetzt unser Leben umfassen. Seine Gesetze liegen nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung. Sie bewirken geistige Erneuerung, Fortschritt und Herrschaft.
Christus Jesus hat das göttliche Gesetz getreulicher befolgt als irgendein anderer Mensch auf Erden. Er war auch der größte Heiler. Er lehrte und heilte mit Vollmacht, mit jener Vollmacht, die ihm Gottes Gesetz verlieh. Die Gesetze, an die sich Jesus hielt, setzen die Fortdauer des Guten voraus und begründen die Tatsache, daß des Menschen Sein in Wirklichkeit vollkommen heil ist. Jesus nahm dieses Gute und diese Vollständigkeit selbst dann wahr, wenn er vor einer verzweifelten Situation stand. Er heilte Blindheit, Lähmung, Aussatz, Fieber, Geisteskrankheit — „alle Krankheiten und alle Gebrechen“ Mt 4:23.. Und er gab den Sündern wieder Mut.
Vielleicht haben wir in unserem Leben einen harten Kampf durchgestanden, der uns zwang, uns Gott zuzuwenden. Vielleicht sind wir aber auch zu der Erkenntnis erwacht, daß wir uns, sei es wissentlich oder unwissentlich, nicht streng genug an Gottes Gesetz gehalten haben. Oder möglicherweise haben wir die Wahrheit über die göttliche Wirklichkeit gerade klar genug wahrgenommen, um tief in unserem Inneren zu wissen, daß wir mehr als alles andere Gottes Weisungen und unseren göttlichen Daseinszweck verstehen und erfüllen wollen. Doch wie auch immer wir vor Gottes Gesetz kommen, wir werden in diesem Gesetz die größte Barmherzigkeit, Zärtlichkeit, Gnade und Liebe erkennen, die nur vorstellbar sind. Das Neue Testament verkündet, was Gott Seinen Kindern verheißen hat: „, Das ist der Bund, den ich mit ihnen schließen will nach diesen Tagen', spricht er:, ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn will ich es schreiben, und ihrer Sünden und ihrer Ungerechtigkeit will ich nicht mehr gedenken.' '' Hebr 10:16, 17. Gottes Gesetz heilt immer, denn das göttliche Gesetz, das die gesamte Menschheit umschließt, hat notwendigerweise Heilung und Erlösung zur Folge.
Jeder von uns muß einmal vor dieses Gesetz kommen und sich damit auseinandersetzen. Um wievieles angenehmer ist es jedoch, wenn wir dieses göttliche Gesetz zielbewußt durch unser Gebet und durch geistigen Fortschritt kennenlernen, anstatt durch Sünde oder Ungehorsam dazu gezwungen zu werden, uns mit seinen Forderungen auseinanderzusetzen. Wir brauchen uns nicht von den schnellen Strömungen weltlicher Versuchungen forttragen zu lassen, die uns von Gehorsam und göttlicher Güte wegführen möchten. Gottes Gesetze haben Bestand, sind ewig, verständlich, anwendbar und beweisbar. Schließlich besagt doch die Verheißung, daß sie in unser Herz gegeben und in unseren Sinn geschrieben worden sind.
