Kinder sind geborene Theologen. Sie scheinen fast intuitiv zu spüren, daß es einen Gott gibt und daß Er liebevoll und gut ist. Sie sind auch von Natur aus neugierig, was das Leben betrifft, und stellen daher oft die „großen“ Fragen, woher alles kommt, und warum wir hier sind. Die Antworten, die wir ihnen geben, hängen zum großen Teil davon ab, was für uns die elementaren Ursachen sind, und das bedeutet für viele, welche Vorstellung von Gott man hat.
Wie wichtig ist es daher, daß wir in unseren Antworten Gottes wahres Wesen beschreiben und keine menschlichen Auffassungen von Ihm wiedergeben. Es ist tragisch, wenn der klare, unschuldige Gottesbegriff, den ein Kind oft hat, durch Dogmen verfälscht wird — durch menschengemachte Glaubensbekenntnisse, die einen zornigen, unerforschlichen Gott darstellen, der weniger gut, weniger liebenswert und weniger zugänglich ist als gute menschliche Eltern.
Wie können wir ein richtig klares Bild von unserem Schöpfer erlangen? In den Augen der Christen gibt Jesus die klarste Idee von Gott. Wenn der Meister von Gott sprach, trieb er nicht bloße Theorie; er war mit Gott so vertraut wie mit seinem eigenen Sein. Als Gottes Sohn war er Gott gleich — nicht körperlich, aber in den göttlichen Eigenschaften, die er verkörperte.
Jesus sagte: „Wer einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, daß ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde“. Mk 9:42. „Verführen“ wir nicht Kinder „zum Abfall“, wenn wir in ihnen ein falsches, begrenztes Bild von Gott erwecken — ein Bild, das nichts mit Seinem wahren Wesen zu tun hat?
Wenn wir das Leben und den Charakter Christi Jesu betrachten, was können wir dann die Kinder über das göttliche Wesen lehren? Wir können ihnen sicherlich sagen, daß Gott das absolute und vollkommene Gute ist — das Gute ohne jedes Übel, das Gute, das nichts Böses in seiner Allgegenwart duldet. Ferner können wir ihnen erklären, daß Er die göttliche Liebe selbst ist, eine Liebe, die so unendlich, so rein, tief und mächtig ist, daß man, wenn man von ihr berührt wird, Heilung findet und reichen Segen empfängt.
Ich werde nie vergessen, wie ich das erste Mal klar verstand, daß Gott absolute göttliche Liebe ist, die nichts Böses zuläßt. Ich besuchte die Grundschule; als ich eines Morgens im Morgenmantel am Frühstückstisch saß, goß ich versehentlich eine kochend heiße Flüssigkeit über mein bloßes Bein. Ich zog mir schwere Verbrennungen zweiten und dritten Grades am Schenkel zu.
Meine Eltern, die Christliche Wissenschafter waren, kamen mir schnell zu Hilfe; sie trösteten mich und sahen nach den Wunden. Ihre zärtliche, liebevolle Fürsorge beschwichtigte sofort meine Furcht; doch die Schmerzen schienen unerträglich. Ich erinnere mich, daß ich sagte: „Mutti, Vati, macht, daß es nicht mehr weh tut!“ Ich wußte aus Erfahrung, daß sie etwas tun würden, was die Schmerzen vertreiben würde. Und das taten sie auch.
Meine Mutter betete still und begann dann mit mir über Gottes Liebe zu sprechen. Sie versicherte mir, daß Er direkt bei uns sei und daß ich genausowenig verletzt sein oder Schmerzen haben könne wie Er, weil ich, im Lichte des Christus, der Wahrheit, betrachtet, Sein geistiges Bild und Gleichnis war. Das war die Wahrheit. Ich wußte das, denn ich hatte es in der Sonntagsschule im ersten Buch Mose gelesen. Mein Vater hatte inzwischen eine Ausüberin der Christlichen Wissenschaft angerufen und sie um geistige, gebeterfüllte Unterstützung gebeten.
Während meine Mutter mich zärtlich auf ihrem Schoß hielt und mich wiegt und tröstete, saß mein Vater nahe bei uns und betete still. Trotz der Schmerzen konnte ich das Wirken einer sanften, machtvollen Gegenwart spüren. Meine Mutter forderte mich auf, mein Denken auf Gott zu richten und auf das zu lauschen, was Er mir sagte. In meiner unschuldigen, kindlichen Weise tat ich genau das. Ich vertraute auf Gottes heilende Macht und lauschte. Und ich werde nie vergessen, was dann geschah. Ein herrliches Gefühl von Gottes Liebe und Frieden schien sich wie ein kühler Balsam über mich zu ergießen. Ich konnte buchstäblich fühlen, wie die Hitze und die Schmerzen nachließen, während mich der Geist von Gottes liebevoller Gegenwart erfüllte.
Innerhalb weniger Minuten waren die Schmerzen verschwunden. Die verletzte Haut schien auf dramatisch schnelle Weise zu heilen, und nach kaum vier Tagen waren keine Spuren der Blasen oder der offenen Wunden mehr zu sehen. Es waren auch keine Narben zurückgeblieben.
Wie wunderbar diese Heilung auch war, so war doch vielleicht das bedeutungsvollste, daß sie den Glauben an die immer zur Verfügung stehende heilende Macht Gottes, der göttlichen Liebe, in einem kleinen Kind verankerte. Kinder müssen wissen, daß Gott wirklich ist, daß Er ihr liebevoller Vater und ihre liebevolle Mutter ist, daß Er der große Arzt ist. Mrs. Eddy erklärt: „Die göttliche Liebe hat immer jede menschliche Not gestillt und wird sie immer stillen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 494.
Jesus liebte kleine Kinder wegen ihrer Unschuld und ihrer natürlichen Empfänglichkeit für die geistige Wahrheit. Sollten wir sie nicht wie er lieben, indem wir ihnen den positiven Beweis der unendlichen Liebe erbringen, die jede menschliche Not stillt? Das ist eine Theologie für jedermann.
Mose fehlte die Qualifikation (wenn ich mir meine Lieblingsgestalten im Alten und Neuen Testament ansehe, kann ich keine finden, die auf weltliche Weise auf die Aufgaben vorbereitet gewesen wäre, die dennoch erfüllt wurden): Mose war schon nicht mehr ein Mann in den mittleren Jahren, als Gott ihn dazu berief, Seine Kinder aus Ägypten herauszuführen, und er stotterte. Er zögerte, war unwillig und unbeherrscht. Aber er sah, daß der Busch brannte und nicht verzehrt wurde. Er sprach mit Gott in der Wolke auf dem Berg Sinai, und danach glänzte sein Antlitz so hell, daß die Leute seinen Anblick nicht ertragen konnten...
Wenn wir qualifiziert sind, sind wir geneigt zu denken, wir selbst hätten die Arbeit getan. Sind wir jedoch gezwungen, unseren offensichtlichen Qualifikationsmangel einzugestehen, laufen wir nicht Gefahr, Gottes Werk mit unserem eigenen oder Gottes Ruhm mit unserem zu verwechseln.
Nachdruck aus Walking on Water: Reflections on Faith and Art (S. 62) von Madeleine L'Engle. © 1982 Crosswicks. Mit Genehmigung des Verlags Harold Shaw Publishers, Wheaton, Illinois, USA.
 
    
