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Wohlwollen

Aus der Juni 1989-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ist Wohlwollen nicht ein interessantes Wort? Wenn man es hört, klingt es so „weich“. Aber wir können es uns eigentlich nicht leisten, noch dürfen wir es zulassen, daß unsere guten Taten den Beigeschmack erhalten, weich zu sein im Sinne von unpraktisch, unwirksam oder schwach. Wer Gutes tut, braucht Mumm, seien es Politiker, die unpopuläre Standpunkte vertreten, oder Eltern, die bei der Kindererziehung die üblichen Herausforderungen überwinden müssen.

Gute Taten bedeuten Stehvermögen. Sie bedeuten moralischen Mut. Sie bedeuten Stärke und Widerstandskraft. Wenn wir uns um diese Eigenschaften bemühen, entwickelt sich dabei oft unerwartet eine innere Stärke, die hart ist wie Stahl, aber sanft sein kann wie ein Freund, der durch seine wortlose Gegenwart einfach nur tröstet.

Selbst wenn wir befürchten, nicht die Kraft zu haben, um ein Problem zu bewältigen, können wir begreifen, daß eine geistige Macht existiert, auf die wir uns stützen können. Ich kenne eine Frau, die sich von der Übermacht der Herausforderungen fast überwältigt fühlte, als ihre kinder klein waren, ihr Mann arbeitslos und ihre eigene Mutter in großer Not war. Aber sie hielt durch, weil sie, wie sie sagte, sie alle so sehr liebte, daß sie einfach alles Erforderliche tun konnte, um diese schwere Zeit durchzustehen.

Wahres Wohlwollen ist gleichbedeutend mit Liebe. Es verleiht uns Kraft, selbst wenn wir meinen, daß all unsere Energie und Inspiration erschöpft seien. Mrs. Eddy, die sich in ihrem Leben beträchtlichen Herausforderungen gegenübersah, schreibt von ihrer Ehrfurcht vor echter Liebe. Sie erkannte, daß es bei dem Wort Liebe um mehr als nur ein menschliches Gefühl geht: „Über was für Welten und aber Welten waltet und herrscht es! Das ursprüngliche, das unvergleichliche, das unendliche All des Guten, der alleinige Gott ist Liebe.“ Vermischte Schriften, S. 249. Sie bemerkte aber auch, daß kein Wort häufiger falsch ausgelegt und kein Gefühl weniger verstanden wird als Liebe. Das Wort Wohlwollen befällt oft das gleiche Schicksal.

Wenn wir jedoch erkennen, daß Liebe von Gott kommt und daß die eigentliche Kraft, die einer dauerhaften Zuneigung unter den Menschen zugrunde liegt, von Gott ausgeht, dann sehen wir Liebe in einem ganz anderen Licht, als wenn wir sie im begrenzten, menschlichen Bereich ansiedeln. Es ist unglaublich, was geschieht, wenn Menschen aus reiner Güte handeln. Ihr Tun ist dann von einer Kraft und Ausdauer gekennzeichnet, die selbst unter bescheidensten Umständen zutage tritt. So ging ich zum Beispiel vor ein paar Wochen an einer Gruppe Obdachloser vorbei, die sich manchmal auf einem Platz unweit meiner Arbeitsstelle aufhalten. Als ich mich dreien näherte, die an jenem kalten Tag dicht beieinander standen, bekam ich etwas von ihrem Gespräch mit.

Einer von ihnen hatte genug Geld zusammenbekommen, um sich etwas zu essen zu kaufen. Er sagte, an die beiden anderen gewandt: „Hier, nehmt euch davon.“

„Nein, nein, iß das mal selber“, sagten die anderen zwei immer wieder. Er ließ aber nicht locker; er wollte abgeben von dem, was er hatte. Schließlich teilten sich doch alle drei das Essen.

Diese Szene erinnerte mich an eine kurze Begebenheit, die sich zutrug, als sich Christus Jesus einmal in Jerusalem aufhielt. Er beobachtete, wie großzügig eine arme Frau alles gab, was sie hatte, im Gegensatz zu den Reichen, die nur einen kleinen Teil gaben. Siehe Mk 12:41-44.

Zum Thema Liebe schreibt Mrs. Eddy weiter: „Die Liebe kann keine bloße Abstraktion oder Güte ohne Wirksamkeit und Macht sein. Als menschliche Eigenschaft steht die erhabene Bedeutung von Liebe über allen Worten; sie drückt sich aus in der zarten, im geheimen verrichteten, selbstlosen Tat; im stillen, unaufhörlichen Gebet; im selbstvergessenen, überfließenden Herzen; in der verhüllten Gestalt, die sich verstohlen auf den Weg macht, ein Werk der Barmherzigkeit zu tun; in den Füßchen, die den Gehsteig entlangtrippeln; in der sanften Hand, die den Darbenden und Leidenden, den Kranken und Trauernden die Tür öffnet und so die dunklen Orte der Erde erhellt.“ Verm., S. 250.

Jede gute Tat — sofern sie aus dem geistigen Verständnis erwächst, daß der Mensch von Natur aus wertvoll ist, weil Gott ihn geistig erschaffen hat — besitzt göttliche Kraft. Es ist eine geistige Kraft, die tatsächlich die Furcht und das Böse, von denen Krankheit und Sünde hervorgerufen werden, zu neutralisieren beginnt.

Inmitten des schockierenden Unrechts und der Ungerechtigkeit, die sich heute scheinbar so unverhüllt zeigen, hat die Christliche Wissenschaft die äußerst wichtige Aufgabe, das geistige Verständnis zu der Erkenntnis zu erheben, daß der Mensch gut ist, weil er ja von Gott, Liebe, nicht getrennt sein kann. Wir können nicht von Gott, der göttliche Liebe ist, getrennt werden, und durch die Widerspiegelung dieser Liebe leben wir. Ebendas demonstrierte jene Frau, als sie für ihre Familie sorgte.

Wenn wir erst einmal begreifen lernen, wie wertvoll der Mensch ist, weil er als Gottes Widerspiegelung eine völlig geistige Natur hat, beginnen wir, für uns selbst und andere mehr als lediglich menschliche Gefühle zu hegen. Eine derartige Zuneigung beweist, daß Gott und der Mensch die Materie übersteigen. Die Materie wird tatsächlich für uns das Zeitliche und Wandelbare, und Geist, Gott, das Wirkliche. Wir erlangen einen Schimmer von der absoluten Wahrheit, daß unser wahres Selbst ganz und gar geistig ist.

Wenn wir diese göttliche Wirklichkeit unserer Gotteskindschaft bewußt zum Ausdruck bringen, werden wir Christus Jesus viel besser verstehen. Er verliert dann etwas von der Aura des Wunderheilers und wird mehr zum Freund — einem Freund, dem wir überallhin folgen, weil wir wissen, daß wir ihm vertrauen können. Wir erkennen dann, weshalb das Wohlergehen der sogenannten Schwachen und Machtlosen, der Witwen und Waisen, der Obdachlosen und Kranken, der gebrochenen und reuigen Menschen ihm so am Herzen lag (und auch ein Anliegen der ganzen Bibel ist). Und wenn wir dadurch, daß wir lernen, wie wissenschaftliches Gebet durch Vergeistigung und Verchristlichung des Denkens heilt, ein nie gekanntes Mitgefühl und Interesse entwickeln, so ist das nicht verwunderlich. Beginnen wir doch die Brüderschaft der Menschen zu spüren, die keinerlei Verunglimpfung zuläßt.

Diese Erfahrung geht der Geistigkeit voraus. Und das erlebt zu haben bedeutet, nicht eher zufrieden zu sein, als bis wir nach der umfassenden Geistigkeit streben, die allen Gebeten, allen Heilungen und allen guten Taten zugrunde liegt.

Es sollte einen nicht überraschen, wenn man feststellt, daß man Geistigkeit nur besitzt, wenn man andere daran teilhaben läßt. Das ist die Grundlage wahren Wohlwollens.

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