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Lehren aus der Tätigkeit in öffentlichen Ämtern

Aus der November 1990-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


In den letzten Jahren hat die Bevölkerung über die Tätigkeit in öffentlichen Ämtern und die Sicherung ihrer Qualität einige harte Wahrheiten lernen müssen. Es ist wichtig, daß für die staatliche Verwaltung und für die bessere Überwachung der Arbeit politischer Mandatsträger ein Ehrenkodex diskutiert wird. Aber vielleicht gibt es noch andere Lektionen, die wir von den vielen lernen können, die in öffentlichen Ämtern tätig sind und ihre Arbeit an hohen Maßstäben orientieren. der über zwanzig Jahre auf kommunaler und nationaler Ebene für die Verwaltung arbeitete oder in seiner Tätigkeit mit ihr zu tun hatte, sagt zum Beispiel, daß er immer wieder eine Lektion gelernt habe: Demut.

In welchen Funktionen waren sie tätig?

Ich war die rechte Hand eines Gouverneurs, war Anwalt für einen Landkreis und eine Stadt, Polizeirichter und Mitglied der Schulbehörde. Ich war im Stadtrat tätig. Und ich bin Vizepräsident und Justitiar in der Geschäftsleitung mehrerer Wirtschaftsverbände gewesen. Ich war als Anwalt für das Justizministerium in Washington tätig. Ich habe mich dann aus der Juristerei zurückgezogen und bin seit 1982 Ausüber der Christlichen Wissenschaft.

Erzählen Sie uns etwas über Ihre Arbeit im Stadtrat.

Ich hatte mich in der Gemeinde politisch engagiert, und mein Name war allgemein bekannt. Einige Freunde brachten eine Petition ein, und man setzte meinen Namen auf die Wahlliste. Ich wurde in den Stadtrat und später in das Amt des Vorsitzenden gewählt.

Als man mich das erste Mal bat, für ein Amt im Stadtrat zu kandidieren, war ich mir nicht sicher, ob ich — als Christlicher Wissenschafter und Anwalt — dafür Zeit hätte. Doch als ich es dann tat, ergab es sich, daß ich eine Stellung bekam, in der ich vielen Leuten helfen konnte, so auch der Stadt, in der ich damals lebte.

Hat es Ihnen, als sie im Stadtrat tätig waren, geholfen, daß Sie die Christliche Wissenschaft studierten?

Ja. Es hat mir insofern geholfen, als ich gelernt habe, mich auf Gott zu verlassen, um Lösungen für die Probleme und Aufgaben zu finden, vor die wir als Ratsmitglieder gestellt wurden. Und es hat mir auch geholfen, Demut zu lernen. Sehen Sie, da hatte sich zum Beispiel (ohne daß ich mir dessen überhaupt bewußt war) bei mir die Vorstellung eingeschlichen, daß ich aufgrund meiner Vorbildung ein bißchen mehr über Politik und Verwaltung wüßte als die anderen Mitglieder. Ohne es zu merken, neigte ich dazu, meine persönliche Meinung durchzusetzen, ungeachtet dessen, was andere dachten. Dadurch kamen Schwierigkeiten und Ärger im Stadtrat auf.

Durch mein tägliches Studium und besonders dadurch, daß ich dann über Christus Jesus und seine Demut nachgedacht habe, wurde mir allmählich klar, daß ich bei meinem Vorgehen mehr Demut zum Ausdruck bringen mußte. Ich mußte mir bewußt werden, daß jedes dieser Ratsmitglieder Gottes Kind war und daß wir alle zusammen die Probleme zum Wohle aller harmonisch lösen würden.

Sie sprechen von Demut. Bedeutet Demut, daß Sie sich selbst erniedrigen?

Nein, nein. Manchmal verwechseln die Leute Demut mit Duckmäusertum. Doch sie hat nichts damit gemein. Mit dem Begriff Demut meine ich, daß ich gewillt war, anderen zuzuhören und ihre Gedanken nachzuvollziehen, bevor ich mich darüber äußerte, was meines Erachtens getan oder gesagt werden sollte. Was noch wichtiger war: ich war gewillt, auf Gott zu lauschen.

Mancher mag sich fragen, ob es für einen Politiker überhaupt sinnvoll oder angemessen ist, auf Gott zu lauschen. Was meinen Sie eigentlich damit, auf Gott zu lauschen?

Also, Sie wissen ja, es heißt in der Bibel, daß Gott zu Mose „von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde“ sprach. Auch ich habe empfunden, daß Gott als Freund von Angesicht zu Angesicht zu mir sprach, wenn ich von einem geistigen Standpunkt aus auf Sein Wort lauschte.

Können Sie etwas mehr darüber sagen, was Sie damit meinen, daß jemand Gottes Kind ist?

In der Bibel steht, daß der Mensch zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist. In Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy wird erklärt, daß Gott unser Vater und unsere Mutter ist und daß jeder von uns in Wirklichkeit ein geistiges Kind Gottes, Gottes Ebenbild, ist. Wir spiegeln Seine Güte wider.

Angenommen, jemand wäre, sagen wir, unehrlich oder handele unmoralisch. Das würde sicherlich nicht dem Wesen eines Gotteskindes entsprechen — oder?

Nein, gewiß nicht. Er müßte die Eigenschaften ausdrücken, die von Gott kommen — Güte, Freundlichkeit, Liebe usw. Die anderen Wesenszüge sind nicht die eines Gotteskindes. Sie gründen sich auf einen falschen Begriff vom Menschen. Ich mußte verstehen lernen, daß diese Charakterzüge, ob in mir oder in anderen, nicht zu dem von Gott geschaffenen Menschen gehören. Und deshalb konnten sie in Wirklichkeit keinen Einfluß auf uns ausüben.

Kam es vor, daß Sie von einer Sache fest überzeugt waren, Ihre Kollegen aber entgegengesetzter Meinung waren und sich deren Standpunkt als richtig erwies?

Als einmal eine Änderung der Bebauungsvorschriften anstand, habe ich gegen diese Änderung gestimmt. Doch vor der nächsten Sitzung wurden mir Informationen zugänglich gemacht, die ich vorher nicht gekannt hatte. So verlangte ich in dieser Sache eine neuerliche Abstimmung und korrigierte meine Stimmabgabe. Die Änderung wurde dann verabschiedet.

Dabei erlebte ich etwas von dieser Demut. Ich fühlte, daß ich von Gott geleitet und geführt worden war. Deshalb war es aus meiner Sicht richtig, den anderen gegenüber zuzugeben, daß ich Unrecht gehabt hatte. Das fiel mir nicht leicht. Aber es war hilfreich.

Würden Sie sagen, daß die Arbeit für Verbesserungen in der öffentlichen Verwaltung — ob man selber dort tätig ist oder nur ein einfacher Bürger ist — keineswegs etwas Passives ist?

Auf jeden Fall! Jesus betete nicht nur. Er ging im Lande umher und heilte. Und genau das müssen auch wir Christlichen Wissenschafter lernen. Wir können nicht nur still in der Ecke sitzen, die Hände falten, zum Himmel hinaufschauen und sagen: „Also gut, lieber Gott, das ist alles Deine Aufgabe.“ So geht das nicht. Ich glaube, Christliche Wissenschaft bedeutet Handeln.

Wie würden Sie so ein Handeln beschreiben, das sich auf die öffentlichen Funktionen heilend auswirkt?

Zunächst einmal würde das bedeuten, daß man selber ein gutes Vorbild ist. Und es würde nicht schaden, wenn man, auf welcher Ebene der öffentlichen Verwaltung auch immer, seine Gedanken und Ideen zum Ausdruck bringt.

Als ich beispielsweise in Washington war, hatte ich die Möglichkeit, mit einem Bruder von mir, der dem Kongreß angehörte, eine ganze Weile zusammenzuarbeiten. Einmal war die Situation so, daß ich ihn darum bat, für einen bestimmten Gesetzentwurf zu stimmen, denn ich vertrat eine Gruppe, die für das Gesetz war. Er aber bekam dauernd Anrufe und Briefe von den Wählern seines Wahlbezirks, die ihn aufforderten, dagegen zu stimmen. Ich betete darüber und sagte ihm, daß er tun müsse, was ihm am richtigsten erschien. So stimmte er schließlich gegen den Gesetzentwurf. Später stellte sich heraus, daß er im Recht war und ich im Unrecht. Das Gesetz ging durch, doch mit einer Reihe von Änderungen, die aber der von mir repräsentierten Gruppe nicht weiter schadeten.

Ich weise oft Leute, die mit der Bibel vertraut sind, auf den Vers hin: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; ... ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Und aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, daß Gott tatsächlich zu uns spricht. Uns wird eine Antwort zuteil. Nicht, daß wir unbedingt eine Stimme hören müssen. Man mag es als Intuition bezeichnen, auf jeden Fall wird uns die rechte Antwort zuteil.

Wie ist das mit dem Druck, der auf Inhaber öffentlicher Ämter ausgeübt wird? Wie kann Gebet hier helfen?

Druck wird von allen Seiten ausgeübt. Manchmal geht er von einem einzelnen aus, manchmal von einem Großunternehmen, manchmal von einer Personengruppe. Sie tun sich zusammen und machen Druck auf einen Abgeordneten oder öffentlichen Funktionsträger und sagen: „Wir wollen jetzt, daß Sie das und das tun, und wenn Sie wiedergewählt oder noch einmal in ihrem Amt bestätigt werden möchten, dann müssen Sie sich fügen.“ Aber das ist nicht richtig. So kann man das nicht handhaben.

Doch es wird auch Druck ganz anderer Art gemacht. Als ich im Stadtrat war, mußten wir zum Beispiel eine Personalentscheidung hinsichtlich des Polizeichefs fällen. Während ich auf Urlaub war, hatte der Bürgermeister einen Nachfolger nominiert. Auf der Rückfahrt erwarteten mich in dem Motel, in dem ich übernachtete, bereits zehn Telefonanrufe. Die Stadt war außer sich über den neuen Polizeichef, weil man einen ganz bestimmten Nachfolger haben wollte, und der Bürgermeister, dem es obliegt, einen Kandidaten zu bezeichnen, hatte einen anderen ausgewählt. Da der Stadtrat den Kandidaten für das Amt bestätigen mußte und da die Ratsmitglieder in dieser Frage geteilter Meinung waren, fiel mir in diesem Bestätigungsverfahren die ausschlaggebende Stimme zu. Die Abstimmung sollte auf der ersten Sitzung nach meiner Rückkehr stattfinden.

Nachdem ich zuhause angekommen war, gingen noch mehr Anfragen bei mir ein — telefonisch, persönlich und auch Briefe von Freunden, von der Presse und vom Bürgermeister. Alle wollten wissen, wie ich mich entscheiden würde, und alle wollten, daß ich mich in ihrem Sinne entschied. Ich wurde unter Druck gesetzt; hauptsächlich wurde ich dazu gedrängt, gegen den Kandidaten zu stimmen.

Ich betete, daß ich dazu geführt würde, das zu tun, was gut und richtig und zum Wohle aller Beteiligten war — zum Wohle des betreffenden Mannes, der Stadt, des Rats. Ich schlug die Bibel auf, und das bereits erwähnte Zitat aus Jesaja half mir. Ich hatte das Empfinden, daß Gott zu mir sprach und daß mir Gott, wenn ich auf Ihn lauschte, genau zeigen würde, welche Entscheidung richtig war.

Bei dem Wahlgang kam ich als Vorsitzender als letzter an die Reihe. Drei hatten bereits für und drei gegen den kandidaten votiert. Durch mein Gebet wurde ich dazu geführt, die Entscheidung des Bürgermeisters zu unterstützen. Es zeigte sich dann, daß das richtig gewesen war. Der neue Mann erwies sich als ein sehr guter Polizeichef.

Hilft Ihnen denn Demut auch in einer derartigen Situation?

Ja, ganz bestimmt. Denn wenn man von Leuten unter Druck gesetzt wird, neigt man dazu, sich auf etwas zu versteifen, und sagt dann: „Moment mal! Hier bin ich derjenige, der die Entscheidungen fällt; und ihr müßt schon das tun, was ich sage, denn ich habe die nötige Vorbildung und Erfahrung. Und ich weiß genau, was ich tue.“ Wenn man nach dieser Devise handelt, verschlimmert man die Probleme noch weiter.

Hätte Jesus gesagt: „Du mußt das jetzt tun, weil ich es sage“, so wäre er nicht weit gekommen. Seine Botschaft lautete: Dies ist der Weg, denn er steht im Einklang mit Gottes Willen.

So läuft also alles darauf hinaus, daß man weiß, wer das Sagen hat — auf das Wissen, daß Gott die Herrschaft hat?

So ist es. Wir müssen immer wissen, daß Gott die Herrschaft hat. Aus der Bibel lernen wir, daß Gott die einzige Macht ist. Einzig sollte unterstrichen werden. Er ist die einzige Macht Wenn wir uns dessen bewußt sind, können wir demütig sagen: „Gut, lieber Gott, es geht nicht darum, was ich will.“ So wie dereinst Jesus im Garten von Gethsemane: „Nicht, was ich will, sondern was du willst!“ Gewiß, keiner von uns mußte je eine Entscheidung von der Art treffen, wie er sie dort treffen mußte. Dennoch scheint es manchmal so, als stünde man kurz davor, gekreuzigt zu werden, wenn man ein öffentliches Amt bekleidet und die Leute an allen Ecken und Enden Druck ausüben. Wenn wir aber erkennen, daß das aggressive menschliche Denken machtlos ist, und wissen, daß jeder von uns wirklich der Mensch ist, den Gott geschaffen hat, und Er ihn regiert, können wir das tun, was richtig ist. Und wir lassen uns von Gott den Weg zeigen.

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