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Eine dauerhafte Heimat finden

[Urtext in deutscher Sprache]

Aus der September 1990-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn wir völkerkundliche Museen besuchen, entdecken wir oft Karten, auf denen die Bewegungen ganzer Völker in vergangenen Jahrhunderten dargestellt sind. Wir werden uns beim Betrachten solcher Aufzeichnungen nur selten bewußt, welche menschlichen Kämpfe damit verbunden waren.

Auch in unserer Zeit sind Einzelpersonen und ganze Völker in Bewegung. In vielen Fällen fliehen die Bewohner vor kriegerischen Auseinandersetzungen oder werden nach verlorenem Krieg vertrieben. Einige haben ihr ganzes Hab und Gut zurückgelassen, und es erfüllt sie vielleicht eine tiefe Sehnsucht nach der alten, geliebten Heimat.

Was bildet eigentlich unsere Heimat? Ist es zeitgemäß in einer sich wandelnden Welt, daß die Menschen ihr Heimatland aus tiefstem Herzen lieben? Finden wir unsere Landschaft und Umgebung einmalig reizvoll und anheimelnd? Fühlen wir uns gegenüber dem Kulturgut, das uns vorangegangene Generationen hinterlassen haben, verpflichtet? Es wäre vollkommen unnatürlich, wenn wir nicht diese oder ähnliche Fragen mit einem ehrlichen Ja beantworten würden.

Was bleibt uns jedoch von alledem noch übrig, wenn wir unsere geschätzte Heimat verloren haben? Scheinbar sehr wenig. Aber anstatt in Resignation zu verfallen, können wir dies als Gelegenheit nutzen, im Gebet tiefer darüber nachzudenken, was unsere wirkliche Heimat ist. Wenn ich an Christi Jesu Leben denke, scheint es so klar, daß er wußte, daß der Mensch seinen Ursprung nicht in der Materie hat, noch in einer bestimmten Gegend. Er lehrte, daß wir uns in allem an Gott, Geist, wenden sollen.

Wenn wir also unser Heimatland verloren haben oder eine Änderung erleben, die uns das Gefühl gibt, entwurzelt oder vom Guten abgeschnitten zu sein, können wir den Rat Christi Jesu beherzigen, den er uns in seiner Bergpredigt hinterlassen hat: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ Mt 6:19–21.

Dieser Schatz ist natürlich geistig. Und wir erkennen dessen Echtheit und Wert, wenn wir unser Leben in geistigen Begriffen betrachten. Ein solcher Schatz im Himmel kann die Erkenntnis sein, daß Gott alle Seine Kinder liebt, sie versorgt und daß Er überall gegenwärtig ist. Ebenso bereichert die Feststellung, daß die geliebten Eigenschaften, die wir bisher mit unserer Auffassung von Heimat verbanden — wie Fürsorge, Liebe, Freude, Individualität —, nicht auf einen bestimmten Volksstamm oder Landstrich unserer Erde begrenzt sind. Sie stammen in Wirklichkeit von Gott und sind allen seinen Kindern eigen. Und jeder von uns wird tatsächlich von Gott geliebt.

Diese und andere geistige Wahrheiten sind Schätze, die ein Reich ausmachen, das wir „Himmelreich“ nennen könnten. Das ist jedoch kein abstrakter, theologischer Begriff. Wie ich in meinem eigenen Leben festgestellt habe, kann diese Wahrheit Heilung bringen.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs mußte ich aus meinem Geburtsland fliehen; ich verlor alles, was ich besaß. Nachdem die größten Kriegswirren abgeklungen waren, fand ich wieder Verbindung mit der Christlichen Wissenschaft Christian Science (Kr′istjən s′aiəns), mit der ich von klein auf vertraut gewesen war. Das Studium der wöchentlichen Bibellektion Im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft. und das Lesen des Herolds der Christlichen Wissenschaft half mir, so daß mich die Trauer um die verlorene Heimat nicht mehr bedrückte.

Unsere Familie lebte damals in sehr bescheidenen Verhältnissen, und es gab wenig zu essen. Schritt für Schritt bemühte ich mich, mit Gottes Hilfe, nicht mehr rückwärts zu schauen und statt dessen vorwärts zu gehen. Ich verstand und erlebte Beweise dafür, daß Gott gerade dort ist, wo wir sind. Ich konnte sehen, daß Seine Liebe uns mit allem versorgt, was wir benötigen. Das führte zu einem interessanten Beruf, einer glücklichen Familie, zur Niederlassung in einer Stadt, in der ich mich heimisch fühle, und zu einem eigenen Haus. Dennoch blieb der Wunsch bestehen, einmal die „alte Heimat“ wiedersehen zu dürfen.

Dreißig Jahre nach der Flucht bot sich dann die Gelegenheit zu einer Besuchsreise. Alle ehemaligen Bewohner waren evakuiert worden, und die Sprache der jetzigen Bewohner verstand ich nicht. Als ich auf der Dorfstraße stand und vor meinem inneren Auge meine Schulfreunde vorbeiziehen ließ, mit denen ich dort gespielt hatte, bemerkte ich plötzlich ein kleines Kind, das neben mir spielte. Ich fragte mich: „Wessen Heimat ist dieser Ort, die des kleinen Kindes oder meine?“ Wir beide wurden hier geboren, nur wußte das kleine Kind nichts von den Ursachen und Folgen des Krieges. Es war sich erst recht nicht bewußt, daß ich — wenn auch versteckt — Anspruch auf dieses Land erhob.

Dieses kleine Kind war wie ein Engel für mich, denn etwas an ihm gab mir eine neue Erkenntnis. In jenem Augenblick wurde mir sehr bewußt, daß nicht nur mein Volk unter den Folgen des Krieges litt, sondern auch welch großes Unrecht mein Volk diesem Volk mit dem Überfall im Zweiten Weltkrieg zugefügt hatte. Das Gebet des Herrn war mir eine Hilfe dabei, vor allem wo es heißt: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Mt 6:12.

Vergebung mit Freundschaft war der Schlüssel für meinen Frieden. Ich verstand, daß ich ihnen dafür vergeben konnte, daß sie nun in meinem geliebten Heimatland lebten. Und ich konnte mir und meinen jetzigen Landsleuten vergeben für die Ungerechtigkeiten, die diesem Volk zugefügt worden waren. Der Gedanke, wieder dahin zurückkehren zu wollen und dort zu leben, verschwand vollkommen. Ich hatte Frieden gefunden.

Eine grundlegende Antwort zum Thema Heimat finden wir in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft. Sie schreibt: „Pilgrim auf Erden, deine Heimat ist der Himmel; Fremdling, du bist der Gast Gottes.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 254.

Für mich bedeutet das, daß unsere wahre Heimat kein materieller Ort ist, sondern der „Himmel“ oder das Reich Gottes. Diese Heimat ist völlig geistig. In ihrem höchsten Sinne ist sie der Ausdruck unserer Untrennbarkeit von Gott. Da Gott immer gegenwärtig ist, muß logischerweise Sein Reich überall wahrnehmbar sein, wenn wir bereit sind, danach Ausschau zu halten. Selbst wenn wir also aus unserem Geburtsland vertrieben wurden, können wir um die Erkenntnis beten, daß wir von unserer wahren Heimat — dem Reich Gottes — niemals getrennt sein können.

Ein Abschnitt aus Wissenschaft und Gesundheit formuliert diese Unveränderlichkeit sehr klar: „Die Beziehungen von Gott und Mensch, von dem göttlichen Prinzip und der Idee, sind in der Wissenschaft unzerstörbar; und die Wissenschaft kennt weder Abfall von der Harmonie noch Rückkehr zur Harmonie, sondern sie vertritt die Ansicht, daß die göttliche Ordnung oder das geistige Gesetz, demzufolge Gott und alles, was Er schafft, vollkommen und ewig ist, in seiner ewigen Geschichte unverändert geblieben ist.“ Ebd., S. 470.

Geburtsland, Flüchtling, Vertriebener usw. sind also materielle Begriffe. Gott kennt uns in diesem Sinne nicht. Er kennt uns vielmehr so, wie wir wirklich sind: völlig geistig, geliebt, nützlich und gut. Von diesem geistigen Standpunkt aus betrachtet, sind wir alle bereits ein „Gast Gottes“, und unsere wahre Heimat ist das Himmelreich. Dieser Schatz an Erkenntnis hilft uns hier und jetzt, uns überall zu Hause und heimisch zu fühlen, allen Menschen mit der gleichen Liebe zu begegnen und uns an allem Schönen zu erfreuen.

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