Sie Scheinen Doch ein intelligenter Mensch zu sein“, las ich auf dem Bildschirm meines Computers. „Wie können Sie dann an etwas so Unmögliches — und Lächerliches — wie Jesu Auferstehung glauben?“
Diese spezielle Frage wurde im Rahmen einer langen und bisweilen hitzigen Diskussion unter einem guten Dutzend Teilnehmern des Religionsforums eines nationalen Computernetzwerks aufgeworfen, das ich manchmal benutze. Jeder, der die entsprechenden Geräte besitzt, kann sich an Diskussionen über beinahe jedes Interessengebiet beteiligen, angefangen bei Hobbies über Finanzen und Computer bis hin zum Sport.
Zu meiner Teilnehmerrunde gehörten christliche Fundamentalisten, Juden, Buddhisten, Agnostiker, Atheisten, Neuheiden — und praktizierende Hexen! Die Diskussion wurde mit der Frage eröffnet, ob es Jesus je als historische Figur gegeben habe (ein Punkt, über den heftig gestritten wurde), und das führte dann weiter zum Thema Auferstehung.
Diskussionen dieser Art können einen wirklich dazu bringen, den eigenen religiösen Glauben zu prüfen. Beinahe alles, woran ich als Christlicher Wissenschafter glaubte — Jesus als historische Gestalt, seine Heilungen, die Berichte der Evangelien, die Autorität der Bibel, ja selbst die Existenz Gottes —, wurde von einigen sehr beredten und tiefsinnigen Leuten in Abrede gestellt. Wenn man ihnen die Gründe für seinen Glauben nannte und sich dabei auf die Bibel als Autorität oder Beweismittel berief, so ließen sie das nicht gelten, da sie diese Autorität einfach nicht anerkannten oder akzeptierten.
Aufgrund dieser Auseinandersetzungen fragte ich mich: Auf welcher Grundlage beruht denn eigentlich mein Glaube an den Auferstehungsbericht? Handelt es sich nur um einen blinden Glauben? Den Glauben, daß es einen historischen Jesus gegeben hat; den Glauben, daß die biblischen Heilungsberichte wahr sind? Den Glauben, daß die Auferstehung tatsächlich vor zweitausend Jahren in einem entlegenen Teil des Nahen Ostens stattgefunden hat? Wie kann ich mir dessen so sicher sein, wenn ich es doch gar nicht miterlebt hatte?
In gewissem Sinne läuft es schon auf eine Glaubensfrage hinaus. Aber der Glaube muß begründbar sein; und für mich, wie für viele Christen, gibt es viele zwingende Gründe dafür, den Evangelien zu glauben. Doch ich wage zu behaupten, daß das, was den Christen am meisten von Jesu Auferstehung überzeugt, eine ganz persönliche Erfahrung ist: die unmittelbare Gegenwart des Christus im Leben der Menschen heute. Für den Christlichen Wissenschafter kann dieses Erleben des Christus vieles bedeuten. Aber vor allem bedeutet es wohl, tief im Innern die lebendige Gegenwart des Christus-Geistes zu empfinden, der jetzt ebenso heilt und erlöst wie zu Jesu Zeiten.
Diese Gegenwart ist nicht die geistige Gegenwart des Menschen Jesus, der bei seinem letzten und größten Werk auf Erden, das wir die Himmelfahrt nennen, für immer jeden irdischen, materiellen Begriff vom Selbst abgelegt hat. Es ist eine Gegenwart, die Jesus selber beschrieb mit den Worten: „Ehe Abraham wurde, bin ich.“ Der Christus, als göttliche Offenbarwerdung Gottes, ist immer im menschlichen Bewußtsein gegenwärtig gewesen und zeugt stets von der Wirklichkeit Gottes, von Seinem Wesen als Vater und Mutter und von der ewigen Beziehung des Menschen zu Gott.
Mary Baker Eddy erläutert diese wunderbare Wahrheit in Wissenschaft und Gesundheit. Sie schreibt dort: „Die Ankunft Jesu von Nazareth bezeichnete das erste Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung, der Christus aber ist ohne Anfang der Jahre und ohne Ende der Tage. Alle Generationen hindurch, vor wie nach Beginn der christlichen Zeitrechnung, ist der Christus, als die geistige Idee — die Widerspiegelung Gottes —, mit einem gewissen Maß von Macht und Gnade zu allen denen gekommen, die bereit waren, Christus, Wahrheit, zu empfangen.“
Der Christliche Wissenschafter verehrt Jesus, weil Jesus wie sonst niemand — weder vor noch nach ihm — Christus, die göttliche Idee oder Widerspiegelung Gottes, so klar verkörpert und vorgelebt hat. Die Begriffe Idee und Widerspiegelung sollen zum Ausdruck bringen, daß Gott, Geist, das göttliche Gemüt ist, die Quelle aller wahren Intelligenz und allen wahren Bewußtseins. Christus Jesus fühlte sich diesem unendlichen Gemüt so eng und unmittelbar verbunden, daß er unseren himmlischen Vater sogar „Abba“ nannte, womit er eine Anrede wählte, die ein Kind gebrauchen würde, wenn es sich an seinen Vater wendet. Stellen wir uns einmal vor, wir würden uns der Quelle allen Seins und Lebens so nahe fühlen! Welch zarte Liebe und Fürsorge muß er als der geliebte Sohn, an dem der Vater Wohlgefallen hatte, gespürt haben!
Jesus ist gekommen, um uns dasselbe Einssein mit Gott bewußtzumachen, die Gotteskindschaft, die er so tief empfunden und die ihm eine solch bemerkenswerte Heilkraft gegeben hat. Er ist gekommen, um uns zu zeigen, daß unsere wahre Identität nicht materiell, sondern geistig ist und daß wir unsere Gotteskindschaft schrittweise beweisen können. Als er am Vorabend der Kreuzigung mit seinen Jüngern zusammensaß, verkündete er aus tiefstem Herzen: „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast.“
Die Macht dieses Gebets ist nicht zu unterschätzen. Beinahe zweitausend Jahre später berührt es noch immer menschliche Herzen, wo immer das Evangelium gepredigt wird, wo immer die Nachfolger Jesu den Geist dieses Gebets in ihren Herzen lebendig halten. Der Christus verkündet jedem Menschen, der in einer Gruft der Sünde, des Leidens oder der Krankheit gefangengehalten wird: „Komm heraus! Beanspruche dein geistiges Erbe als Kind Gottes! Entledige dich der Grabtücher des materialistischen Denkens und Lebens, der Knechtschaft der Sünde und der Krankheit, und sei frei!“
Fällt uns das zu schwer? Glauben Sie, daß Ihre höchsten Hoffnungen und Bestrebungen schon zu lange, zu tief vergraben liegen? Haben Sie alle Hoffnung auf Gesundung aufgegeben? Dann fassen Sie Mut! Der Christus ist hier. Die Befreiung von Krankheit und Sünde hängt nicht von Ihrer persönlichen Selbsteinschätzung oder Fähigkeit ab. Egal, wie die menschliche Situation aussieht, in der Sie sich befinden: nichts kann an der Tatsache rütteln, daß Gott unser Vater-Mutter ist und wir Sein sind. Das gilt jetzt und ewiglich für uns alle.
Unsere Bindung an die göttliche Liebe ist größer als jeder Fehler, für den wir vielleicht sühnen müssen. Gottes Trost geht tiefer als alles Leid, das uns betrüben möchte; Seine heilende Macht ist stärker als jede Krankheit, die uns binden will. „Ehe Abraham wurde, bin ich.“ Christus, Wahrheit, ist das Erste. Er geht jedem menschlichen, materiellen Glauben und allen Anfängen voraus. Nichts kann jene große Tatsache verkehren, die Christus enthüllt: Wir sind jetzt geistig. Wir sind es immer gewesen, und werden es immer sein — Gottes geliebtes Kind, behütet wie Sein Augapfel, der Gegenstand Seiner Liebe.
Was für eine auferweckende Idee das ist! Im ersten Brief des Johannes heißt es: „Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ Und wann wird Er erscheinen? Wann werden wir Ihn sehen, wie Er ist? Müssen wir auf einen fernen Auferstehungstag warten, um erlöst, um geheilt zu werden? Nein! Die wahre Idee Gottes ist hier, ist jetzt und heute hier; sie enthüllt uns den Vater und zeigt uns die Güte, Gesundheit, Reinheit und Unversehrtheit Seiner Widerspiegelung, des Menschen.
Diese Wahrheit beleuchtet den Kern der Osterbotschaft der Christlichen Wissenschaft. Auferstehung, wie Wissenschaft und Gesundheit erläutert, bedeutet: „Vergeistigung des Denkens; eine neue und höhere Idee von der Unsterblichkeit oder dem geistigen Dasein; die materielle Annahme, die dem geistigen Verständnis weicht.“ Als Christen haben wir durch diese tägliche Vergeistigung des Denkens Anteil an Jesu Auferstehung. Seine Auferstehung wird zu unserer, wenn wir ihm auf dem geistwärts gerichteten Weg folgen.
Wie groß sind die Freude und der Trost, wenn wir verstehen, warum wir Jesu Beispiel folgen können. Christus zeigt uns, daß wir in unserem wahren Sein immer Gottes Ebenbild gewesen sind, eins mit dem Vater. Deshalb können wir uns jeden Tag eines neuen und höheren Begriffs der Unsterblichkeit oder des geistigen Daseins bewußt werden. Deshalb können wir jeden Tag voll Freude erleben, wie der materielle Glaube dem geistigen Verständnis weicht. Jesus versicherte seinen Nachfolgern für alle Zeiten: „Freut euch aber, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind.“
Es liegt kein leichter Weg vor uns, wenn wir die Nachfolge unseres Meisters antreten. Laßt uns darüber aber nie vergessen, daß das Leid der Kreuzigung mit der großen Freude über die Auferstehung vergeht — mit der Freude über den auferstandenen Christus. Die ewige Botschaft des Kreuzes ist nicht Dunkelheit und Verderben, sondern der Triumph des göttlichen Lebens über Verfolgung, Leid und Tod. Die Freude der Auferstehung ist das Aufdämmern der Erkenntnis, daß der Mensch geistig ist, daß Gott unser Leben ist und daß wir in der Tat die Söhne und Töchter Gottes sind. Und diese Freude kann niemand von uns nehmen.
