„Ich habe keine beste Freundin wie alle anderen und darum auch keinen bestimmten Sitzplatz. Ich gehöre eigentlich gar nicht so richtig dazu.“
„Die anderen Kinder mögen Jennifer nicht. Wenn ich nett zu Jennifer bin, wollen sie nichts mehr von mir wissen.“
„Ich habe zwei Freundinnen. Sie sagen, sie mögen mich, aber dann können sie mich plötzlich am nächsten Tag nicht ausstehen, ohne Grund. Eine andere Freundin habe ich nicht, zu der ich gehen könnte.“
Mit Freundschaften geht es oft bergauf und bergab — wie auf der Achterbahn. Freunde können uns glücklich und dann genausoschnell unglücklich machen. Dennoch scheint nichts so wichtig zu sein wie ein Freund.
Als ich in der 6. Klasse war, sehnte ich mich nach einer richtigen Freundin, mit der es nicht dieses Auf und Ab gäbe. Es bedrückte mich, daß sich die Leute immerzu änderten und so unberechenbar waren. Ich dachte, ein Freund oder eine Freundin sollte eher wie mein Hund Betsy sein; Betsy war nämlich eine echte Freundin!
Betsy wartete schon immer auf mich, wenn ich nach Hause kam, und sprang fröhlich umher — so freute sie sich auf mich! Sie hatte mich jeden Tag gleich gern, egal, ob ich fröhlich war oder traurig, schmuddelig aussah oder wunderschön oder ob ich mit mir und der Welt zufrieden war oder nicht. Sie mochte mich einfach um meiner selbst willen, und weil ich daheim war.
Und Betsy verhielt sich jedem gegenüber so. Wenn niemand von uns da war, ging sie zu unseren Nachbarn und schenkte ihnen ihre Liebe, bis wir wieder heimkehrten. Eines Tages fanden wir sie sogar — freudig wedelnd — vor der Haustür neben dem Hundefänger sitzend vor. Er hatte seinen Arm um Betsy gelegt, und sie sahen aus wie zwei gute Freunde, die sich nach Jahren endlich einmal wiedersahen. Sie war so freundlich und zutraulich gewesen, daß er es nicht übers Herz bringen konnte, den zärtlichen Herumstreuner zur Hundesammelstelle zu bringen.
Irgendwie fällt es den Menschen schwerer, ein treuer Freund zu sein. Ja, das scheint manchmal sogar unmöglich. Aber wir können Hilfe von Gott bekommen. Damit meine ich, daß wir Seine Liebe spüren, wenn wir beten. Wir fühlen uns Ihm und unseren geistigen Eigenschaften und Idealen nahe, und das hilft uns, aus dem Auf und Ab herauszukommen und eine reinere Liebe auszudrücken. Der Gottesmensch — der wir in Wirklichkeit sind — kann immer lieben und sich seiner Vollständigkeit bewußt sein.
Manchmal denke ich darüber nach, wie Jesus liebte, wie rein seine Liebe war. Er muß sich völlig in der Obhut Gottes, der göttlichen Liebe, geweßt haben. Er muß sich bewußt gewesen sein, was Liebe wirklich ist — kein Hin und Her, kein Auf und Ab der Gefühle, sondern eine kraftvolle, gegenwärtige Macht.
Jesus bewies, daß man Gottes Liebe sogar in den allerschlimmsten Lebenslagen spüren kann. Er bewies es uns, indem er selbst diese Liebe lebte.
Der Meister liebte jeden. Er liebte den unberührbaren Aussätzigen so sehr, daß er ihn anrührte und heilte. Er liebte die Frau, die durch ihren Ehebruch ein so großes Unrecht begangen hatte, daß die Schriftgelehrten und Pharisäer sie steinigen wollten. Durch seine Liebe vergab er ihr und sagte ihr, sie sei frei und solle hinfort nicht mehr sündigen. Seine Liebe war sogar groß genug, um das verletzte Ohr eines jener Männer zu heilen, die ihn zu seiner Kreuzigung abführen sollten. Jesus ließ nie von der Liebe ab.
Ich habe mir immer vorgestellt, daß auch ich jederzeit und überall zu Jesus hätte gehen können, und ob ich nun fröhlich oder traurig, krank oder gesund, brav oder ungezogen gewesen wäre, seine Liebe wäre auch groß genug gewesen, um mich zu trösten, zu heilen oder mich wieder auf die Reihe zu bringen. Da der Meister verstand, daß Gott Liebe ist, und Gottes Liebe zum Menschen spürte, konnte er sie selbst ausdrücken, ob er nun mit seinen Jüngern zusammen war oder auf der ganzen Welt keinen Freund hatte. Gott, Liebe, war sein Freund, und das gab ihm Sicherheit in allen Lebenslagen.
Ich erinnere mich daran, wie ich einmal Gottes Liebe und Herrschaft beweisen konnte, als mir Haßgefühle und Ungerechtigkeit entgegenschlugen. Eines Tages beschloß ein Mädchen aus meiner 6. Klasse, einen „Ichhasse-Joan“-Club zu gründen. Ich wußte beim besten Willen nicht, was sie gegen mich aufgebracht hatte. Und doch redete Peggy auf jedes Mädchen und jeden Jungen ein und nannte ihnen die schrecklichsten Gründe, warum sie ihrem Club beitreten sollten. Schon bald wollte der Großteil der Klasse nicht mehr mit mir auf dem Spielplatz spielen oder auch nur nett zu mir sein.
Das war eine schwierige Zeit für mich, und ich war ganz durcheinander. Aber ich wandte mich an Gott und betete so innig, wie ich nur konnte. Mir kam ganz klar der Gedanke, daß ich nicht aufhören durfte, Peggy zu lieben, und ich versuchte, gelassen zu bleiben und meine Gedanken rein zu halten.
Das ging ein paar Tage lang so. Dann erfuhr Peggys Mutter von dem Club und rief meine Mutter an. Als ich nach Hause kam, sprach meine Mutter mich gleich darauf an. „Du mußt ihr vergeben“, ermahnte sie mich. Ich sagte ihr, daß ich das in meinem Herzen bereits getan hätte. Meine Mutter spürte, daß das stimmte. Nach unserem Gespräch war uns beiden leichter ums Herz, wenn wir an die Situation dachten. Selbst inmitten dieser wilden „Berg- und Talfahrt“ empfanden wie inneren Frieden, da wie wußten, daß die Verantwortung bei Gott, der göttlichen Liebe, lag.
Schon am nächsten Tag kamen alle 25 Mädchen und Jungen unserer Klasse — auch Peggy — zu mir nach Hause und fragten, ob wir alle zusammen Ball spielen könnten. War das ein Wandel, und natürlich war es auch das Aus für den Club!
Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft hat Mary Baker Eddy uns eine neue Bezeichnung für Gott gegeben: „Unser Vater-Mutter Gott, allharmonisch.“ Das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft heißt Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift. In dem Buch gibt Mrs. Eddy dem Gebet des Herrn eine geistige Bedeutung. Ich bin mir ganz sicher, daß wir uns eher als Brüder und Schwestern achten werden, wenn wir verstehen, daß Gott unser aller Vater-Mutter ist und uns immer liebt. Furcht hat dann keine Chance, wenn wir Freundschaften schließen.
Alles nun, was ihr wollt,
daß euch die Leute tun sollen,
das tut ihnen auch!
Matthäus 7:12