Als Meine Kinder klein waren, geschah es des öfteren, daß sie, wenn ich sie zum Essen rief, lieber weiterspielen wollten. Dann mußte ich etwas lauter rufen: „Habt ihr nicht gehört?“, obwohl ich überzeugt war, daß sie mich beim ersten Mal gehört hatten. Mit meinem zweiten Ruf ermahnte ich sie, gehorsam zu sein.
Christus Jesus forderte von seinen Nachfolgern einen etwas anderen Gehorsam, als er sie fragte: „Habt Augen und seht nicht, und habt Ohren und hört nicht?“ Mk 8:18. Jesus sagte das nicht zu den Blinden und Tauben, die zu ihm kamen, um geheilt zu werden, sondern zu seinen Jüngern, die sicher materiell normal sehen und hören konnten. Er sagte es, als sie seine Warnung, sich vor dem Sauerteig der Pharisäer zu hüten, nicht verstanden. Der Meister hielt sie dazu an, von der geistigen Basis auszugehen, auf der seine Werke und Lehren ruhten, anstatt von einer materiellen Basis. Er ermahnte sie folgendermaßen: „Versteht ihr noch nicht, und begreift ihr noch nicht? Habt ihr noch ein verhärtetes Herz in euch?“ Mk 8:17. Und er erinnerte sie an die Beweise von Gottes Versorgung, die er vor ihren Augen gewirkt hatte.
Jesu Verheißung der Liebe und heilenden Macht Gottes galt nicht nur seinen Jüngern. Auch wir können Gottes Liebe erfahren. Damit das geschehen kann, müssen wir uns fragen: „Inwieweit haben wir Augen und sehen nicht, und Ohren und hören nicht?“ Inwieweit sehen und hören wir geistig und vertrauen einzig und allein auf Gott? Diese Fähigkeit, geistig zu erkennen, entwickelt sich, wenn wir lernen, uns in jeder Not im Gebet an Gott zu wenden. Sie läßt uns wahrhaft Fortschritt machen und segnet alle Bereiche unseres Lebens.
Ich entsinne mich einer Erfahrung, die ich ziemlich zu Anfang meines Studiums der Christlichen WissenschaftChristian Science ( kr’ istjen s’aiens) machte. Auf die Bitte meiner Schwägerin hin hatte ich eine ihrer Töchter, die einen Selbstmordversuch gemacht hatte, zu mir ins Haus genommen, um ihr durch Gebet zu helfen. Sie war ein liebes, aufmerksames Mädchen, aber von Zeit zu Zeit legte sie ein sonderbares Verhalten an den Tag, unter dem meine Kinder ziemlich litten. Ich bemühte mich ernsthaft, das Mädchen so zu sehen, wie Gott sie wahrhaft geschaffen hatte, als Seine vollkommene geistige Idee, aber eines Tages benahm sie sich so unausstehlich, daß ich glaubte, sie zu ihrer Mutter zurückbringen zu müssen. Doch das brachte ich einfach nicht übers Herz. Wie enttäuscht würde meine Schwägerin sein, so dachte ich, wenn ich ihr Kind ungeheilt zurückbringen würde.
In meiner Not rief ich einen Ausüber der Christlichen Wissenschaft an und bat ihn um Hilfe durch Gebet. Er sagte mir, ich solle mich direkt an Gott wenden, der würde mir die rechte Antwort geben. Inbrünstig wandte ich mich an Gott um Hilfe, und dann hörte ich — als seien die Worte laut ausgesprochen worden: „Behandle sie nicht immer so, als ob sie vollkommen sei, sondern wisse, daß sie es ist.“ Trotz meiner Erklärungen, daß sie geistig ist, ein Kind Gottes und daher gut, hatte ich im Grunde meinen eigenen Gebeten nicht geglaubt. Ich hatte an dem Gedanken festgehalten, daß sie launisch sei. In dem Augenblick kam meine Nichte zu mir und gab mir einen Kuß. Sie war von ihrer Launenhaftigkeit geheilt, und die Heilung war von Dauer!
Ich hatte daraus gelernt, daß wahres Sehen geistiges Erkennen ist, und dazu gehört das Verständnis, daß der Mensch in Wirklichkeit bereits vollkommen ist. Das gilt für unsere wahre, geistige Natur, selbst wenn die menschlichen Umstände diese Auffassung nicht sofort unterstützen. Wir beweisen dies in zunehmendem Maße durch Gebet und dadurch, daß wir Gottes Gesetz in unserem Leben immer mehr befolgen. Mary Baker Eddy, die Entdekkerin und Begründerin der Christlichen Wissenschaft, erklärt in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Das christusgleiche Verständnis vom wissenschaftlichen Sein und vom göttlichen Heilen umfaßt als Grundlage des Gedankens und der Demonstration ein vollkommenes Prinzip und eine vollkommene Idee — einen vollkommenen Gott und einen vollkommenen Menschen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 259.
Die geistige Wirklichkeit des Seins erkennen, Gottes Weisungen hören und ihnen folgen, heißt gut sehen und gut hören.
Hören wir immer auf Gottes Botschaften, auf die Inspiration, die von Ihm kommt? Gehorsames Lauschen wird reich belohnt. Sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament haben wir Berichte von Personen, die mit Gott sprachen und Seinen Weisungen folgten. Als Mose zum Beispiel zum brennenden Busch ging und Gott ihn rief: „Moose, Mose!“ antwortete er: „Hier bin ich.“ Und Gott sprach: „Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!“ 2. Mose 3:4,5. Anschließend erhielt er den Auftrag, die Kinder Israel aus Ägypten zu führen, und er führte diesen Auftrag erfolgreich aus.
Gehorsam ist unerläßlich, damit wir unsere geistige Vollkommenheit leben können. Doch brauchen wir nicht immer hörbare Weckrufe, um zu wissen, was wir zu tun oder zu lassen haben. Wir können durch Gebet Inspiration erhalten — durch stille Gemeinschaft mit unserem Schöpfer.
Die geistige Wirklichkeit des Seins erkennen, Gottes Weisungen hören und ihnen folgen, heißt gut sehen und gut hören. Für uns als Gottes Kinder ist das natürlich. Es zeugt von einem verhärteten Herzen, wenn wir andere nicht als Gottes Kinder sehen oder nicht auf Gottes Führung lauschen und ihr nicht gehorchen wollen.
Laßt uns durch Demut, Gehorsam und Liebe die Härte unseres Herzens auflösen, damit wir zu einer immer größeren Erkenntnis Gottes gelangen und mehr über Seine zärtliche Fürsorge für uns lernen. Wie Mrs. Eddy es so schön in Wissenschaft und Gesundheit, dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, sagt: „Laßt uns in geduldigem Gehorsam gegen einen geduldigen Gott daran arbeiten daß wir mit dem universalen Lösungsmittel der Liebe das harte Gestein des Irrtums — Eigenwillen, Selbstrechtfertigung und Eigenliebe — auflösen, das gegen die Geistigkeit ankämpft und das Gesetz der Sünde und des Todes ist. "Wissenschaft und Gesundheit, S. 242. Vergeistigung des Denkens läßt uns die Wahrheit erkennen, die uns frei macht. Dadurch erlangen wir die Fähigkeit, zu sehen, zu hören — und zu heilen.
