In Wissenschaft Und Gesundheit von Mary Baker Eddy finden wir eine Reihe von Aussagen, die auf die geistige Beschaffenheit des Seins hinweisen. Für mich sind es Hinweise darauf, daß die Vorstellungen, die wir hegen, ausschlaggebend sind für unser Erleben. Sie bestimmen, was uns glücklich oder unglücklich macht und wie wir unser Leben gestalten. So finden wir dort zum Beispiel folgende Aussage: „Schließe die Augen, und du magst träumen, daß du eine Blume siehst — daß du sie berührst und riechst. Auf diese Weise lernst du verstehen, daß die Blume ein Erzeugnis des sogenannten Gemüts ist, eher ein Gebilde des Gedankens als der Materie. Schließe wiederum die Augen, und du magst Landschaften, Männer und Frauen sehen. Auf diese Weise lernst du verstehen, daß diese auch Bilder sind, die das sterbliche Gemüt in sich birgt und entwickelt und die Gemüt, Leben und Intelligenz simulieren.” Wissenschaft und Gesundheit, S. 71.
Jeder Tag bringt uns die verschiedensten mentalen Bilder, und bald lernen wir, daß wir sorgfältig auf diese Bilder achtgeben müssen. Sie können uns manchmal irreführen, ja, sie können sogar böse und gewalttätig sein. Da unsere innere Ruhe, unser seelisches Gleichgewicht und damit unser Erleben davon bestimmt wird, wie und was wir denken, dürfen diese Bilder nicht leichtgenommen werden.
Wenn wir zum Beispiel im Kino oder im Fernsehen eine gewalttätige Szene sehen, die echt oder fesselnd scheint, oder wenn wir anschauliche Berichte über die neuesten Grausamkeiten in der Welt lesen, müssen wir — ob wir es mit fiktiven oder tatsächlichen Nachrichten zu tun haben — im Gebet daran festhalten, daß die gewalttätigen Bilder nicht die Macht haben können, uns zu faszinieren, zu schaden oder in Bann zu halten. Wir ignorieren menschliches Leiden nicht, doch wir müssen unser Denken gewissenhaft mit der Kraft der allumfassenden Liebe Gottes und Seiner unwiderstehlichen Güte gegen jedermann in Einklang bringen. Das ist unsere beste Verteidigung und der sicherste Weg, anderen zu helfen. Einzig die geistige Vollkommenheit, die Gott geschaffen hat, ist wirklich wahr. Wenn wir wissen und fühlen, was wahr ist, können wir gewalttätigen, erschreckenden und sogar selbstzerstörerischen Gedanken leichter Einhalt gebieten.
Ist es nicht sinnvoller, die Gedanken, die jemanden zu einer bösen Tat anregen, in Ketten zu legen und zu zerstören, als die Person?
Ist jemand ein schlechter Mensch, weil Gewalt oder Zorn eine Anziehungskraft für ihn besitzen? Die Bibel berichtet uns, daß Christus Jesus in vielerlei Weise versucht wurde — ja, der Teufel wollte ihn sogar überreden, sich von der Zinne eines Tempels zu stürzen. Doch diese Versuchungen hefteten ihm keinen Makel an, noch wurden sie Teil seiner Identität. Siehe Lk 4:1–13. Sie wurden als das angesehen, was sie waren: Suggestionen, und weiter nichts. Sie konnten Jesus nicht dazu bewegen, der Versuchung nachzugeben. Sie verschwanden, als er sie standhaft zurückwies und sich weiter in den Dienst seines Vaters stellte — den Menschen half und sie heilte.
Der von Gott erschaffene Mensch ist jedermanns wahre Identität. Wir alle sind der Ausdruck des allmächtigen Guten. Keine Sache, keine Suggestion, keine Versuchung kann diese Tatsache jemals ändern. Daher ist in Wahrheit jeder von uns immer friedfertig, von Gott regiert und immer rechtschaffen. Wenn wir an der Wahrheit über unsere wirkliche, geistige, gottgegebene Identität festhalten, haben wir eine Waffe, die gewalttätige Gedanken in Schach hält und zerstört.
Aber was ist mit der Welt um uns her? Wie oft hören wir Berichte über Terrorismus, Mißstände und Gewalt und fühlen uns unfähig, etwas dagegen zu tun? Ich kenne dieses Gefühl der Ohnmacht selbst. Aber wir sind niemals hilflos, denn durch Gebet können wir mit der Kraft der allumfassenden Liebe Gottes und jener Güte, die niemals Widerstand erfahren kann, solcher Gewalt entgegentreten. Und Gebet ist wirksam, denn es wandelt nicht nur unser eigenes Denken um, sondern es reinigt auch die gedankliche Atmosphäre für die ganze Menschheit. Wissenschaft und Gesundheit macht deutlich, warum es so wichtig ist, unsere Gedanken zu prüfen und zu berichtigen. Mrs. Eddy schreibt dort: „Ist es nicht klar, daß das menschliche Gemüt den Körper zu einer bösen Tat bewegen muß? Ist nicht das sterbliche Gemüt der Mörder? Die Hände können keinen Mord begehen, ohne daß das sterbliche Gemüt sie dazu anleitet.” Wissenschaft und Gesundheit, S. 104.
Ist es auf lange Sicht nicht sinnvoller, die Gedanken, die jemanden zu einer bösen Tat anregen, in Ketten zu legen und zu zerstören, als der Person oder den Personen, die eine Gefahr zu sein scheinen, mit Gewalt Zügel anzulegen oder sie sogar zu zerstören? Christus Jesus war sich dessen zweifellos bewußt. Einmal begegnete er jemandem, der solch eine Gefahr darstellte. Die Leute hatten erfolglos versucht, ihn mit Ketten zu binden. Der Mann fügte auch sich selbst Verletzungen zu, indem er sich mit Steinen schlug. Jesus befreite den Mann von seinem Wahnsinn, seiner Selbstzerstörung und Gewalttätigkeit, und die Leute sahen ihn, „wie er dasaß, bekleidet und vernünftig” Mk 5:15..
Was war es, was diesem gewalttätigen Denken Einhalt gebot? Wenn wir uns alles ansehen, was in der Bibel über Jesus ausgesagt wird, kann die Antwort nur lauten: Es war die Macht des Gebets — Gebet, das sich auf Gottes universelle Liebe und Seinen Schutz für alle Seine Kinder stützt und dadurch boshafte Absichten und Taten vereitelt. Und so wie Christus Jesus sich in dieser Situation auf Gebet verließ, können auch wir es tun; wir können hier und jetzt für uns und andere beten.
Hier ein Beispiel: Als Student arbeitete ich ab und zu abends in einem Leseraum der Christlichen Wissenschaft, der sich in einem internationalen Flughafen befand. Eines Abends, als auf dem Flughafen nicht viel los war, beschloß ich, mich im Gebet sehr gründlich und sorgfältig mit einigen Stellen aus dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, zu befassen. Nach etwa zwanzig Minuten stürzte ein Mann herein. Er war offensichtlich nicht bei Sinnen. Er sagte: „Ich bin gerade aus einer Anstalt entflohen, und ich werde mir Zutritt zu einem Flugzeug erzwingen und es entführen.“
Durch Gebet können wir mit der Kraft der allumfassenden Liebe Gottes und jener Güte, die niemals Widerstand erfahren kann, der Gewalt entgegentreten.
Es schien mir seltsam, daß er mir das erzählte. Aber dann kam mir folgendes in den Sinn: Vielleicht hatte das Wirken der Liebe Gottes ihn dazu bewegt, wegen der Gedanken, mit denen ich mich gerade im Gebet beschäftigt hatte, zu mir zu kommen. Ich begann ihm von diesen Ideen zu erzählen. Und wenn auch seine Blicke unruhig durch den ganzen Raum huschten, so hörte er doch ein bißchen zu. Ich glaube nicht, daß er etwas von dem verstand, was ich sagte, aber gefühlsmäßig sprachen ihn die Ideen an. Nach einer Weile setzte er sich, um weiter zuzuhören, und dann fragte er mich, wo er mehr über das, was ich sagte, erfahren könne.
Wir sprachen noch eine Weile miteinander, und dabei ging eine deutliche Veränderung in ihm vor. Es war absolut klar, daß er keine Gefahr mehr darstellte. Ich erklärte ihm, wie er Kontakt mit einem Christlichen Wissenschafter aufnehmen konnte, der ihn in der Anstalt besuchen würde. Als er mich dann mit einem Christian Science Journal in der Hand verließ, das die notwendigen Informationen enthielt, sagte er völlig normal und ruhig: „Ich gehe jetzt zurück in die Anstalt und komme dort legal raus. Und dies (er hielt das Journal hoch) wird mir dabei helfen.“
Rückblickend ist mir klar, daß es die Macht des Gebets war, die seinen gewalttätigen Gedanken Einhalt gebot — Gedanken, die anderen hätten Schaden zufügen können und wahrscheinlich zumindest zur Festnahme des Mannes geführt hätten. In den Minuten, bevor er hereinkam, hatte ich gebetet, um besser zu erkennen, was Gott ist und wie Gott den Menschen geschaffen hat. Ich bekam einen Schimmer davon, daß Gott, das göttliche Gemüt, tatsächlich die einzige Macht und der einzige Schöpfer ist; daß alles in Gottes Schöpfung eine Kundwerdung des göttlichen Gemüts ist. Als diese Tatsachen klar erkannt und auf diese potentiell gewalttätige Situation angewandt wurden, verhinderte die Macht der geistigen Wahrheit die beabsichtigte Anwendung von Gewalt und veranlaßte den Mann, klar und intelligent zu denken. Er verließ den Leseraum ruhig und gelassen. Es war offensichtlich, daß er niemandem Schaden zufügen würde.
Es erfordert beständige Hingabe, ständig unser wahres Wesen vor Augen zu haben — unsere Vollkommenheit als Gottes Kind, die Gott in diesem Augenblick aufrechterhält. Aber es bereitet auch Freude, und Gott hilft uns dabei. „Das unsterbliche Gemüt nährt den Körper mit überirdischer Frische und Schönheit, indem es ihn mit schönen Gedankenbildern versorgt und das Elend der Sinne zerstört, das ein jeder Tag dem Grabe näher bringt“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 248., heißt es in Wissenschaft und Gesundheit. Empfänglichkeit für die von Gott, dem unsterblichen Gemüt, kommenden Botschaften der Wahrheit hilft uns, unser wahres Selbst zu erkennen, und so fallt es uns auch leichter zu erkennen, wie Gott andere gemacht hat. Geistige Selbsterkenntnis und geistiges Verständnis dieser Art sind unerläßlich, um gewalttätigen Gedanken Einhalt zu gebieten, potentiell gewalttätige Situationen zu entschärfen und die Folgen der Gewalttätigkeit zu heilen.