Während Ich Erster Leser war und damit verantwortlich für die Leitung der Gottesdienste in unserer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, ereignete sich in einer Mittwochabend-Zeugnisversammlung etwas Ungewöhnliches. Es klopfte — verhalten zwar, aber beharrlich. Ein Ordner öffnete die Balkontür, die sich hinter dem Leserpult befand, und ein kleiner Junge betrat den Kirchenraum. Es war unser Sohn! Er benutzte die nächstgelegene Tür als Ausgang und überließ mich und die verdutzten Kirchenbesucher ihrer Überraschung.
Was war geschehen? Wie ich später erfuhr, hatte unser Sohn das Kirchengebäude durch den hinteren Ausgang verlassen und erst beim Schließen der Tür bemerkt, daß sie nur von innen wieder zu öffnen war.
Ohne an den weit entfernten Vordereingang zu denken, war er die Hauswand hoch, über den Balkon zu einer Tür geklettert, die — wie er wußte — ihn zu seinem Vater führen würde. Obwohl ich ihm in dem Moment nicht helfen konnte, hatte ihn doch sein Vertrauen, daß es Hilfe gab, zur Lösung seines Problems geführt. Nachdem er wieder in die Kirche reingekommen war, ging er in die Kinderbetreuung, wo er eigentlich hatte sein sollen.
Später berichtete eine Frau aus unserer Kirche, daß sie während der Zeugnisversammlung über den kleinen Zwischenfall nachgedacht hatte. Folgender Gedanke war ihr gekommen: Jeder kann sich mit der gleichen Zielstrebigkeit und auf kürzestem Wege seinem himmlischen Vater-Mutter Gott zuwenden und von dort Hilfe erwarten — so wie sich unser Sohn seinem Vater zugewandt hatte. Auf diese Weise hatte er ein Beispiel gegeben, wie wir am schnellsten den Ausweg aus einer schwierigen Lage finden können.
Die Bibel erwähnt im Lukasevangelium einen Sohn, der, nachdem er sein vorzeitig ausgezahltes Erbe verpraßt hat und Hunger leidet, sich seines Vaters erinnert. Siehe Lk 15:11-24. Reumütig kehrt er zu ihm zurück und findet unerwartet liebevolle Aufnahme. Alle Hemmungen des jungen Mannes, dem Vater jemals wieder unter die Augen treten zu können, werden in diesem Gleichnis Christi Jesu durch das verzeihende, liebende Verhalten des Vaters zerstreut. Nach der Rückkehr ins Vaterhaus wird er von seinem Vater in den früheren Stand gesetzt. Alles, was seinem Vater gehört, ist jetzt auch wieder sein Eigentum.
Wenn wir „in der Fremde“ — also mit unseren Gedanken fern vom göttlichen Wesen — sind, haben wir keinen Teil an der Fülle Gottes, die Er Seiner Schöpfung in der unendlichen Dimension des Geistes zur Verfügung stellt. Das Gefühl, vom Guten, von Gott weit entfernt zu sein, veranlaßt uns dann häufig, intensiver die Nähe unseres himmlischen Vaters zu suchen.
Mary Baker Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Die harten Erfahrungen der Annahme von dem angeblichen Leben in der Materie, wie auch unsere Enttäuschungen und unser unaufhörliches Weh, treiben uns wie müde Kinder in die Arme der göttlichen Liebe. Dann fangen wir an, das Leben in der göttlichen Wissenschaft zu begreifen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 322.
Diese göttliche Wissenschaft gründet sich auf die Aussagen der Bibel, denen zufolge der Mensch zum Bild und Gleichnis eines guten Gottes geschaffen ist. Dieser geistige Mensch ist vollkommen wie sein Schöpfer und drückt dessen grenzenlose Fülle aus. Er ist eins mit seinem göttlichen Vater und ist sich seiner Geborgenheit in Gott stets bewußt. Das ist die Wirklichkeit unseres Lebens. Obgleich wir manchmal von diesem Guten sehr weit weg zu sein scheinen, zeigt uns doch das Gleichnis Christi Jesu vom verlorenen Sohn die Möglichkeit, uns von der falschen Vorstellung von einem sündigen, unvollkommenen Menschen abzuwenden und uns der Erkenntnis der unmittelbaren Gotteskindschaft des Menschen zu öffnen. Dieses Bewußtsein unserer Geistigkeit und Einheit mit Gott ermöglicht es uns, die menschlichen Schritte zu erkennen, die unser Leben mit Ihm in Einklang bringen.
Es ist tröstlich zu wissen, daß es nicht so sehr unsere eigene Entscheidung ist, uns Gott zu nähern oder es zu lassen. Gott ist tatsächlich immergegenwärtige Liebe.
Unser Gott-Erleben wird Bestandteil unseres Seins, wenn wir unser Wesen von Gott bestimmen lassen. Wir können alles, was auf das göttliche Bewußtsein hinweist, in unserem Leben sichtbar werden lassen. So bekunden wir Seine Liebe zu uns durch Freundlichkeit, Geduld, Barmherzigkeit, Mitgefühl und tätige Nächstenliebe. Hierdurch beweisen wir unsere Gotteskindschaft und treten unser Erbe als Söhne und Töchter Gottes an. Somit können wir dem Psalmisten zustimmen, der über den Menschen sagt: „Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“ Ps 8:6.
In einem Leben, das die göttliche Idee vom Menschen auszudrücken trachtet, sehen wir uns nicht mehr als jemanden, der eine fehlerhafte Vergangenheit hinter sich hat. Statt dessen verstehen wir, daß die Fehler der früheren Tage aus einer falschen Vorstellung erwachsen sind — der Vorstellung eines von Gott getrennten Seins. Aber Gott hat uns nie so wahrgenommen und hat uns nie verdammt, weil Er uns nur als gut kennt.
Vor einigen Jahren ereigneten sich Dinge in meinem Leben, die das veranschaulichen. In meiner Kindheit hatte ich die christlich-wissenschaftliche Sonntagsschule besucht, war aber in den Teenagerjahren von dem Gelernten abgekommen.
Eines Abends bei einer Feier erschien eine Freundin. Weinend berichtete sie, daß es ihrem Hund sehr schlecht gehe. Sie zeigte mir das Tier, das sich in einem sehr schlimmen Zustand befand. Das Bild schockierte mich, und ich suchte nach einer Lösung für das Problem.
Plötzlich kam wie aus weiter Ferne die Frage in mir auf: „Was hatten die damals in der Sonntagsschule noch gesagt?“ — „Daß Gottes Schöpfung vollständig ist. Daß Gott Liebe ist.“ Ich kann mich zwar nicht entsinnen, wie ich im einzelnen gebetet habe, aber ich weiß, daß die geistigen Wahrheiten, die ich in der Sonntagsschule gelernt hatte und die mir einen kurzen Moment bewußt wurden, dem Tier halfen. Am nächsten Morgen sah ich den Hund wieder. Ohne irgendwelche Symptome vom Tag zuvor kam er mir entgegengelaufen.
Heute betrachte ich diese Erfahrung als Auftakt meiner Rückkehr zu den Lehren der Christlichen Wissenschaft. Nach ungefähr anderthalb Jahren war ich wieder bereit, mich voll und ganz auf den Weg zu begeben, von dem ich wußte, daß er mich sicher und zuverlässig zur Erkenntnis meines Einsseins mit Gott führen würde.
Wenn wir das erkennen, können wir uns bereitwillig dem göttlichen Willen unterordnen, jeden von uns in Seiner Liebe willkommen zu heißen.
Außergewöhnliche Segnungen bestätigten die Richtigkeit dieser Umkehr. Ausreichende Versorgung, Berufsausbildung und Arbeitsplatz bewiesen die unendliche Weisheit und Liebe, mit der Gott Sein Kind segnet, wenn es zu seinem Vater zurückkehrt.
Bei den inneren Kämpfen, die wir manchmal ausfechten müssen, um ein umfassenderes Verständnis von Gott zu gelangen, ist es tröstlich zu wissen, daß es nicht so sehr unsere eigene Entscheidung ist, uns Gott zu nähern oder es zu lassen. Gott ist tatsächlich immergegenwärtige Liebe. Wenn wir das erkennen, können wir uns bereitwillig dem göttlichen Willen unterordnen, jeden von uns in Seiner Liebe willkommen zu heißen.
Das Leben zu leben, das Gott für uns vorgesehen hat, bedeutet, Gott und dem Christus, der Offenbarwerdung des göttlichen Lebens, in unserem Bewußtsein Einlaß zu gewähren und dies zur Grundlage unseres Lebens zu machen. Wenn wir diesen festen Standpunkt eingenommen haben, sind wir im Haus des Vaters — dem Bewußtsein der Liebe — das unsere ewige Heimat ist. Wir sind wieder zu Hause.