In den drei Jahren, in denen Christus Jesus dem Bericht der Evangelien zufolge öffentlich wirkte, finden wir eine Fülle von praktischen Beispielen dafür, wie das geistige Gesetz des Seins auf menschliche Gegebenheiten angewendet werden kann. Wir können viel über das Heilen von Krankheit und Sünde lernen, wenn wir den Zusammenhang zwischen Jesu Werken und Worten genauer untersuchen. Hilfreiche Einsichten im Hinblick auf christliche Jüngerschaft ergeben sich besonders bei der Untersuchung des folgenden Themas: der für wirksames Gebet unerlässlichen Vorbereitung des Denkens.
Bevor Jesus seinen Jüngern das Gebet gab, das wir heute als das Gebet des Herrn oder Vaterunser kennen, sagte er: „Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten." Mt 6:6. Mrs. Eddy bezieht sich auf diesen Vers im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, wenn sie schreibt: „Das Kämmerlein versinnbildlicht das Heiligtum des Geistes, dessen Tür den sündigen Sinn ausschließt, aber Wahrheit, Leben und Liebe einläßt. ... Um in das Herz des Gebets einzudringen, muß die Tür der irrenden Sinne verschlossen sein. Die Lippen müssen verstummen, und der Materialismus muß schweigen, auf daß der Mensch beim Geist Gehör finde, bei dem göttlichen Prinzip, Liebe, das allen Irrtum zerstört." Wissenschaft und Gesundheit, S. 15.
Für wirksames Gebet ist die Vorbereitung des Denkens unerlässlich — Vorbereitung, bei der alles ausgeschaltet wird, was unser Bewusstsein bedrängt ...
Diese Vorbereitung auf das Gebet, bei der Störungen im gedanklichen Umfeld zum Schweigen gebracht und alles ausgeschaltet wird, was unser Bewusstsein bedrängt und unsere Empfänglichkeit für Gottes Botschaft verringern oder behindern will, wird immer wieder in Jesu Heilungswerk veranschaulicht. Als zum Beispiel die Tochter des Jairus allem Anschein nach gestorben war, ging Jesus nicht sofort zu ihr hinein, um das Mädchen wieder zum Leben zu erwecken. Er wies zuerst seine Kritiker aus dem Raum — reinigte die Atmosphäre von Einmischung — und rief dann das Kind ins Leben zurück. Siehe Mk 5:22–24, 35–42. Auch als eine Ehebrecherin vor Jesus gestellt wurde, die er verurteilen sollte, brachte er zuerst ihre Ankläger zum Schweigen, bevor er voller Mitgefühl mit der Frau sprach und sie anwies: „Sündige hinfort nicht mehr." Siehe Joh 8:1–11. Als ein Gelähmter zu ihm gebracht wurde, damit er ihn heilte, setzte er sich zuerst mit den Einwänden auseinander, die er bei den ihn beobachtenden Schriftgelehrten und Pharisäern spürte; erst danach befahl er dem Mann, sich zu erheben, sein Bett zu nehmen und heimzugehen. Siehe Lk 5:18–25. Gegen ähnliche Einwände wandte er sich auch, bevor er die verdorrte Hand eines Mannes heilte. Siehe Mt 12:10–13.
Als einmal ein Blinder zu Jesus gebracht wurde, damit er ihn heilte, nahm er „den Blinden bei der Hand und führte ihn hinaus vor das Dorf", bevor er ihm sein Augenlicht wiedergab. Da der Betreffende die Menschen zuerst nur so sehen konnte, „als sähe [er] Bäume umhergehen", musste sich Jesus noch einmal mit dem Problem auseinandersetzen, bevor die Heilung vollständig war. Und dann wies er den Menschen an, nicht in das Dorf zurückzukehren Siehe Mk 8:22–26. — geradeso, als ob er noch einmal betonen wollte, wie wichtig es sei, sich von einer niederdrückenden mentalen Umgebung frei zu halten.
... und unsere Empfänglichkeit für Gottes Botschaft behindern will.
Können wir aus diesen Beispielen nicht schließen, dass bei Jesu Heilungswerk der Grad des Widerstandes, der einem Fall im jeweiligen gedanklichen Umfeld entgegengesetzt wurde, ein schwerwiegenderer Faktor war als die Art des physischen Zustands — nämlich wie ernst oder weniger ernst er zu sein schien? Sobald die Tür des Bewusstseins gegen den mentalen „Lärm" verschlossen war — ob er nun von den Umstehenden ausging oder von dem allgemeinen Denken an dem betreffenden Ort —, hatte der Patient die Freiheit, dem Befehl, sich zu erheben und zu gehen oder seine Hand auszustrecken, nachzukommen.
Beanspruchen Befürchtungen anderer Raum in unserem Denken und lenken sie uns davon ab, uns ganz Gott zuzuwenden?
Wenn wir Jesu Beispiel folgen und heilen wollen, ist nur zu klar, dass wir die Belastung durch das mentale Umfeld nicht übersehen dürfen. Wir dürfen einen Fall nicht so behandeln, als befände er sich in einem Vakuum. Der Patient hat das Recht, auf das Wirken des heilenden Christus anzusprechen, und jedem Widerstand, jedem Versuch, dieses Recht zu verletzen, muss entschlossen entgegengetreten werden, bis er zunichte gemacht ist.
Ob wir der Ausüber sind, der gebeten worden ist, eine Behandlung durch Gebet zu geben, oder der Patient, der die Liebe Gottes sucht — es kann hilfreich sein, sich zu fragen, ob offen geäußerte oder verborgene Ängste und Befürchtungen anderer Raum in unserem Denken beanspruchen und uns davon ablenken, uns ganz Gott zuzuwenden und Ihn als die einzige Macht anzuerkennen. Wenn wir zum Beispiel mit einer Krankheit konfrontiert sind, die in den Medien ausgiebig erörtert oder unter Mitarbeitern und Freunden besprochen wurde, muss dieser mentale Einfluss aufgedeckt und seiner Macht beraubt werden, und zwar durch das Verständnis, dass es keine Macht neben Gott, dem Guten, gibt und dass der zum Gleichnis des Geistes geschaffene Mensch nicht auf Gedeih und Verderb den sogenannten materiellen Gesetzen oder Krankheitstheorien ausgeliefert ist. Wir können uns bewusst machen, dass der Glaube eines anderen an Krankheit und seine Furcht davor, ganz gleich wie ausgeprägt, weder die geistige Vollkommenheit des Menschen in der Wissenschaft ändern, noch eine gleichgestimmte Saite in unserem Denken anschlagen und Zweifel aufkommen lassen könnte an unserem Vertrauen auf Gottes Fähigkeit, unsere Gesundheit zu erhalten.
Kein individueller oder kollektiver Angriff auf unser Recht, uns beim Heilen auf Gott zu verlassen, kann die Macht des göttlichen Gesetzes schwächen oder uns daran hindern, Seinen Schutz hier und jetzt zu erfahren. Keine Befürchtungen der Menschen in unserer Umgebung — ob aus echter Besorgnis oder aus reiner Opposition gegen unseren Glauben an Gott — können uns von Gottes liebender Gegenwart trennen oder unser Vertrauen in Seine Fürsorge untergraben. Wenn wir unerschütterlich daran festhalten, dass der Mensch unsterblich ist — so unzerstörbar wie sein Schöpfer —, können wir mit Autorität jeden Anspruch zurückweisen, demzufolge das Gewicht der Meinungen der Menschen aus unserer Umgebung einen negativen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden haben könnten.
Eine Gefahr durch mentale Malpraxis — schädliche Gedanken, die entweder unwissend oder vorsätzlich gegen uns gerichtet werden — besteht für uns nur insoweit, als wir an die Existenz eines Gemüts außer Gott glauben. Wenn wir unerschütterlich für die geistigen Tatsachen des Seins und die Macht des christlichen Heilens einstehen, werden wir vor feindlichen Einflüssen geschützt sein. Dadurch, dass wir in uns einen göttlichen Bewusstseinszustand aufrechterhalten, also die Tür nur dem Geist öffnen und sie den materiellen Sinnen verschließen, können wir den mentalen Einfluss brechen, der uns unberechtigterweise durch sterbliche Meinungen, Ansichten und Befürchtungen aufgebürdet wird. Widerstand gegen das christlich-wissenschaftliche Heilen — einerlei, in welcher Form — hat keine Macht, unsere heilende Arbeit zu unterwandern und zu schwächen, wenn wir ihn mit Hilfe des Gebets aufdecken und entwaffnen, wie unser Meister es tat.
Ein Beispiel hierfür habe ich selbst miterlebt. Ein kleiner Junge litt unter einer potentiell gefährlichen Krankheit, die seine motorischen Fähigkeiten in Mitleidenschaft zog. Ein Nachbar, der dies Leiden bemerkt hatte und wusste, dass die Eltern Christliche Wissenschafter waren, drohte sie wegen Kindesmisshandlung anzuzeigen, wenn sie ihren Sohn nicht in ein Krankenhaus brächten. Die Tatsache, dass eine Ausüberin der Christlichen Wissenschaft gebeten worden war, für das Kind zu beten, war für den Mann ohne Bedeutung. Einige Tage lang besserte sich der Gesundheitszustand des Jungen nicht.
Als die Ausüberin von der feindseligen Einstellung des Nachbarn hörte, begann sie die Annahme zu handhaben, dass dieser Widerstand im gedanklichen Umfeld in irgendeiner Weise die Empfänglichkeit des Jungen für die heilende Berührung des Christus behindern könne. Sie betete nicht darum, Herrschaft über das Denken des Nachbarn zu bekommen, sondern darum, aus ihrem eigenen Bewusstsein und dem Bewusstsein des Patienten jede Suggestion zu entfernen, dass das Kind Gottes den unwissenden Befürchtungen der sterblichen Annahme unterworfen sein könne. Beinahe augenblicklich geschah etwas Unerwartetes. Ein Bekannter der Eltern, der Arzt war und von dem Zustand ihres Sohnes wusste, erbot sich aus Respekt vor der Christlichen Wissenschaft — als er von den Befürchtungen des Nachbarn hörte —, mit dem Nachbarn zu telefonieren und ihm zu versichern, dass die Eltern das Beste taten, was sie für ihren Sohn tun konnten, und dass keine Notwendigkeit für ein medizinisches Eingreifen bestehe. Das beruhigte das Denken des Nachbarn. Die Heilung schritt schnell voran, und der Junge war bald völlig geheilt.
Kein individueller oder kollektiver Angriff auf unser Recht, uns beim Heilen auf Gott zu verlassen, kann die Macht des göttlichen Gesetzes schwächen oder uns daran hindern, Seinen Schutz zu erfahren.
Mentale Störungen können manchmal unverzüglich zum Schweigen gebracht werden. In anderen Fällen bedarf es vielleicht erheblicher innerer Kämpfe, bis jene uneingeschränkte geistige Höhe erreicht wird, die es uns erlaubt, erfolgreich mit unserem Schöpfer in Verbindung zu treten. Wir wissen, dass die Arbeit getan ist, wenn wir in der Lage sind, uns ganz Gott zuzuwenden, ohne Ablenkung durch sich aufdrängende Zweifel und Befürchtungen. Diese Reinigung der geistigen Atmosphäre ermöglicht es dem Denken, Gottes allgegenwärtiger Liebe Raum zu geben, die dem Körper Heilung bringt.
