Dr. Reed, wie würden Sie die neue Denkrichtung in der Medizin beschreiben, deren Begründer Sie sind und die Sie die „Medizin des ganzen Menschen” oder logo-psychosomatische Therapie nennen? Und was hat Sie zu dieser Form der Behandlung geführt?
Die Schulmedizin behandelt den Menschen nur als Seele und Körper Psychosomatisch). Logo-psychosomatische Medizin behandelt den Menschen als Geist, Seele und Körper. Das Wort Logos bedeutet Wort Gottes oder Heiliger Geist.
Es ist unsere Auffassung, dass in der Medizin, der Chirurgie und der Psychiatrie die geistige Seite des Menschen berücksichtigt werden muss. Ich sehe das Geistige nicht einfach als etwas, was dem Gehirn entstammt. Ich sehe es als ein neues Leben, das durch die Ausrichtung des ganzen Menschen auf Gott, auf Christus entsteht.
Ich bin viele Jahre Arzt gewesen und so weiß ich, dass die Menschen von Natur aus gut sind. Aber ich habe festgestellt, dass die meisten eine ziemlich verwässerte geistige Natur haben. Was wirklich not tut, ist meines Erachtens, dass sie zu Jesus kommen, dass sie zum Heiligen Geist kommen, damit sie umgewandelt werden. Der Durchschnittspatient besitzt ein geistiges Potential, aber es ist nie ein Hauptanliegen in seinem Leben gewesen. Daher ist er all den emotionalen und traumatischen Dingen unterworfen, die die Umstände mit sich bringen. Und er hat nicht die Kraft, die Stärke, die sich aus der Geistigkeit ergibt, um die Angriffe abzuwehren, die sich zu ereignen scheinen. Jemand, der geschieden ist, zum Beispiel, oder der ein Kind verliert oder einen Unfall hat — wenn der Arzt da diese Probleme nur auf seelischer oder körperlicher Ebene zu lösen versucht, werden ungeheuer wichtige Aspekte der Heilung außer acht gelassen.
Ich habe immer gern Medizin und Chirurgie praktiziert, aber ich finde es traurig, dass wir den Kranken und Sterbenden nicht mehr Zugang zu Gott verschafft haben. Wir neigen dazu, den Arzt und die Krankenschwester zu Leuten zu machen, die alles psychosomatisch und nicht geistig betrachten, und das hat unserm Beruf eher Verhärtung anstatt Mitgefühl und Empathie gebracht.
In meiner chirurgischen Praxis vernachlässige ich niemals die geistige Seite meines Patienten. Den Geist kann man nicht narkotisieren.
In meiner chirurgischen Praxis vernachlässige ich niemals die geistige Seite meines Patienten. Den Geist kann man nicht narkotisieren. Die geistige Seite des Patienten ist immer bei Bewusstsein, weiß immer, was vor sich geht. Deshalb beginne ich meine Operationen mit Gebet. Bei uns gibt es nicht viel laute Musik oder lustige Geschichten oder Unterhaltungen über Fußballspiele im Operationssaal. Bei uns herrscht Ehrfurcht. Der Operationssaal ist in unserem Bewusstsein ein ebenso heiliger Ort wie eine Kapelle.
Beten und um das Wunder der heilenden Kraft Jesu bitten, das ist das Großartigste, was wir als Christen tun können. Zum Beispiel hatte eine Patientin von mir rezidivierenden Eierstockkrebs. Vor über zwanzig Jahren habe ich für sie gebetet und Gott hat sie geheilt. Sie ist immer noch gesund. Der Herr hat es weggeschmolzen. Ich weiß nicht, wo es abgeblieben ist. Das ist mir auch egal. Es ist fort.
Sie haben sich im Laufe der Jahre viel mit der Beziehung zwischen Gemütszustand und Heilung befasst. Was haben Sie dabei festgestellt?
Momentan denke ich folgendermaßen darüber: In Römer 8:6 heißt es, das Fleischlich-gesinnt-Sein — also das Psychosoma, das die Natur des Menschen ohne den Heiligen Geist darstellt — ist der Tod, während das Geistig-ge-sinnt-Sein Leben und Friede bedeutet. Das heißt im wesentlichen, dass wir das fleischliche Gemüt loswerden und das geistige Gemüt entwickeln müssen. Ohne den Geist ist das Gemüt ein gefährliches Ding. Wir haben das kürzlich gesehen bei den Morden an den Kindern in Schottland; das war das fleischliche Gemüt in seiner schlimmsten Form. Die Lösung liegt nicht darin, einen Haufen Gesetze gegen Schusswaffen zu erlassen, sondern unserer Gesellschaft zu erlauben, geistig zu werden.
Warum sagen Sie, dass Christus für das geistige Heilen wesentlich ist?
Jesus sagte: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken” (Mt 11:28). Christus ist das Mittel, durch das wir zu der Erkenntnis kommen, dass wir mehr als nur ein Körper sind. Wir sind ewiger Geist.
Ein höheres Verständnis tut sich auf im Menschen, wenn Christus in unser Leben tritt, und von dem bloßen geistigen Potential gelangen wir zu wahrer Geistigkeit. Im ersten Johannes lesen wir: „Es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist” (3:2).
Christus Jesus sagte über sich selbst, dass er existierte, noch „ehe die Welt war” (Joh 17:5). Im ersten Kapitel des Johannes heißt es: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns” und „Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen” (Vers 14 und 9). So sehe ich denn Jesus als den Weg zu Gott dem Vater. Und den Weg zur Geistigkeit. Er ist der göttliche Katalysator, das lebendige Wort, das in mein Herz und mein Gemüt kommt und meinen Geist salbt, so dass ich werde wie er. Wir haben das Potential, wie Jesus zu sein, seine Natur zu unserer werden zu lassen. Das tut meiner Person keinen Abbruch; es hebt vielmehr all die guten Seiten meines Seins mehr hervor. Er kann es zulassen, dass ich Dichter und Musiker bin. Und dass ich höhere Gedanken denke.
So sehe ich denn Jesus als den Weg zu Gott dem Vater. Und den Weg zur Geistigkeit. Er ist das lebendige Wort, das in mein Herz und mein Gemüt kommt und meinen Geist salbt, so dass ich werde wie er.
Lassen Sie mich das durch ein Beispiel veranschaulichen. Ich besuchte eine Bekannte, kurz bevor sie an Krebs starb. Ich glaube, ihre Mutter und andere Anwesende waren nicht sehr glücklich über mein Kommen, denn sie wollten nicht, dass man ihr mit religiösen Dingen kam. Ich saß da an ihrem Bett und ich erkannte, dass Gott sie aufrichten konnte. Mir ist egal, wie all die Prognosen lauten. Ich bin überzeugt, dass es wahr ist, was in Lukas 1:37 steht: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich.” Ich fragte sie: „Wo ist deine Geige?” Sie antwortete: „Ich hab schon lange nicht mehr gespielt.” Sie war innerlich so erregt, sie empfand so wenig Frieden. Ich ließ die Krankenschwester die Geige holen und ich stimmte das Instrument und spielte das Kirchenlied „Amazing Grace” für sie. Dann sang ich es ihr vor. Und dann umarmte ich sie liebevoll. Ich sagte: „Weißt du, warum bittest du nicht jetzt Christus, in dein Leben zu kommen?” Und sie betete. Und ich sah, wie sie von Frieden erfüllt wurde, wie eine große Welle von Gottes Liebe sie überflutete, Später nahm ich sie mit nach draußen an die frische Luft und in den Sonnenschein. Es war das erste Mal, dass das Geistige überhaupt zur Sprache gebracht wurde.
Sehen Sie, das ist die direkte geistliche Seelsorge, die sie brauchte, aber da waren all diese Hindernisse. Die Leute, die um sie herum waren, wollten nicht, dass jemand ihr Hoffnung machte. In solchen Fällen kommt von Ärzten, Krankenschwestern, Familie und Freunden immer sehr viel Pessimismus. Als sie sich später wieder erregte, wurde sie ins Krankenhaus gebracht, wo man sie einfach mit viel Medikamenten betäubte.
Ich bin überzeugt, dass das beste Heilmittel gegen Aids, Herpes, Krebs und andere Krankheiten letztendlich die Entwicklung von Geistigkeit und Christi Hoffnung im Leben der Menschen ist.
Je mehr wir von Gott in uns haben, um so weniger Furcht haben wir und um so weniger Krankheit.
Worin sehen Sie die Ursache von Krankheit?
Ich will das nicht nur theoretisch beantworten, sondern auf etwas zurückgehen, was ich als Kind von meinem Vater gelernt habe. Im Ersten Weltkrieg half er im Bereich der Pathologie einer Gruppe von Ärzten mit Soldaten, die an der Grippe gestorben waren. Ihm fiel auf, dass es denjenigen, die befürchteten, sie würden die Grippe kriegen und sterben, auch tatsächlich so erging. Er sagte: „Ich wusste, dass Gott für mich sorgt und hatte daher keine Furcht.”
Gott ist Liebe, und die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus (siehe 1. Joh 4:18). Je mehr wir also von Gott in uns haben, um so weniger Furcht haben wir und um so weniger Krankheit. Daran habe ich immer denken müssen, als ich 1941 während meines Studiums in einer Universitätsklinik arbeitete. Ich war auf der Tuberkulose-Station im Einsatz und mir war bewusst, dass das gefährlich sein konnte. Dann wandte ich das an, was mein Vater mir beigebracht hatte, dass man Gott über sich wachen und sich beschützen lässt. Und das tut Er auch. Die Furcht vor Krankheitserregern konnte mir nichts anhaben, auch später nicht, als ich Assistenzarzt in der Chirurgie war.
Was liegt Ihres Erachtens außer Furcht sonst noch der Krankheit zugrunde?
Ich bin der Meinung, dass wir je nach unserem Glaubenssystem für Ansteckung oder Trauma anfällig sind. Wenn man Hass oder Groll gegen jemand hegt, kann man so viele Medikamente nehmen, wie man will, aber damit wird der Stress nicht weniger, den man aufgrund dieses Gemütszustandes fühlt. Lässt man jedoch den Frieden Gottes in sein Herz ein, dann ist das Gegenteil der Fall. Wenn wir auf Gott vertrauen, scheinen die Organismen sich nicht negativ auf uns auszuwirken.
Was nützt es, wegen Krebs zu operieren, wenn das Ding sich ausbreitet? Wir zielen auf Endergebnisse ab und bekommen nie die ursächlichen Faktoren in den Griff. Ich sage meinen Patienten, die unter Depressionen leiden: Geh und lege all den Ärger auf den Altar Gottes und lass ihn dort zurück und komm wieder, wenn du in Jesus erneuert bist. Nachdem du das etwa ein Jahr lang gemacht hast, wird der Ärger nachlassen und deine Depressionen werden verschwinden.
Wir müssen darum bitten, dass Geistigkeit in unser Leben kommt, wir müssen darum bitten, dass Christus in unser Herz kommt.
Wir könnten alles, was in unserem Leben vor sich geht, aufschreiben und ein Plus oder Minus danebensetzen. Wenn wir uns an all dem Negativen ärgern und nichts auf der positiven, aufbauenden Seite passiert, entwickelt sich Krankheit in uns. Bei Anfälligkeit geht es um mehr als nur darum, dass man seine Vitamintabletten nicht einnimmt. Es geht um die ganze Einstellung zu unserem Sein. Optimismus ist etwas Wunderbares. Frieden, Liebe, all solche Dinge. Alle Tage unseres Lebens zu lieben ist wunderbar aufbauend.
Wissen Sie, die Leute fragen mich manchmal, wenn sie erfahren, dass ich an Gebet glaube: Sind Sie Christlicher Wissenschaftler? Das wäre wohl nicht gut möglich, denn ich bin Arzt. Aber wenn ich gewisse Artikel über Christian Science lese, fühle ich, dass diese Ideen richtig sind und wir sie erforschen müssen. Ich würde sagen, Mary Baker Eddys Schriften sind im Bereich des Positiven, des Erbaulichen. Sie sind hilfreich. Und wie bei jedem Lehrbuch, das ich lese, nehme ich mir das daraus mit, was für mich brauchbar ist.
In Ihren Schriften sprechen Sie viel von der geistigen Umwandlung, die im Krankheitsfall Heilung Wie geht diese Erneuerung nach Ihrer Erfahrung vor sich?
Man kann sich nicht ins Reich Gottes hineindenken. Geistigkeit kann, glaube ich, nicht ein Produkt des ungesalbten Gemüts sein. Wir müssen darum bitten, dass Geistigkeit in unser Leben kommt, wir müssen darum bitten, dass Christus in unser Herz kommt. Paulus sagt: „Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes” (Röm 12:2). Das heißt umgewandelt werden durch die völlige Erneuerung unseres Wesens. Es ist manchmal ein langwieriger Geburtsprozess. Wir verlassen die Welt mit all ihrer Sinnlichkeit und Gewalt und betreten das Reich Gottes. Und wir stellen fest: Es ist schon hier, es ist in uns.
Der Unterschied zwischen dem Menschen und den niedrigeren Lebensformen besteht darin, dass wir zu Gottes Bild geschaffen sind und dass der Mensch sowohl Geist als auch Gemüt und Körper ist. „Gott ist Geist”, sagt die Bibel, „und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten” (Joh 4:24).
Ich glaube nicht daran, dass man Gott näherkommt, wenn man irgendein einsilbiges Wort monoton vor sich hin spricht. Denn das geschieht gänzlich auf der mentalen Ebene. Und Dinge, die gänzlich auf der mentalen Ebene sind, die wir aber ohne den Schutz des Heiligen Geistes tun, können potentiell dunklen Mächten (oder wie auch immer man sie nennen will) Einlass gewähren. Die Heilige Schrift nennt sie „böse Geister”. Selbsthypnose kann zu Verwirrung führen — sie ist für mich eine Form mentaler Ablation, wie Anästhesie.Ablation bedeutet Absetzung, Zerstörung, Wegnahme. Wenn ich meditiere, dann meditiere ich über etwas, bei dem Christus im Mittelpunkt steht, wie „Gott ist Geist”. Was bedeutet das? Und ich setze mich vielleicht hin und schreibe auf, was mir dabei in den Sinn kommt. Gott will sich uns ja mitteilen.
1962 gründete er, der selber der Episkopalkirche angehört, die Christian Medical Foundation in Tampa, Florida (mit einem Zweig in Kanada). Zweck dieser christlichen medizinischen Stiftung ist, wie Dr. Reed sagt, „die Ärzteschaft mit der Wahrheit über das unerforschte Gebiet des geistigen Heilens bekannt zu machen". Heute arbeiten etwa fünftausend Ärzte mit der Stiftung zusammen und dazu weitere fünftausend Krankenschwestern, Geistliche und Laien, die alle daran interessiert sind, das christliche Gebet zu einem wesentlichen Bestandteil der medizinischen Versorgung zu machen.
Neben seiner Tätigkeit als Chirurg hat Dr. Reed im Laufe der Jahrzehnte auch aktiv in Gruppen mitgewirkt, die christliches Heilen praktizieren. Er hat in aller Welt Vorträge über die Bedeutung von Gebet in der Medizin gehalten und verschiedene Bücher geschrieben (unter anderem Surgery of the Soul: Healing the Whole Person — Spirit, Mind, and BodySurgery of the Soul (Tampa, FL: Christian Medical Foundation International, Inc., 1995).). Außerdem ist er Dichter und Musiker.
Im folgenden Interview geht Dr. Reed auf einige Punkte ein, die er im Hinblick auf die Gesundheit für sehr wichtig hält. Die theologischen und medizinischen Ansichten, die er vertritt, sind seine eigenen. Doch es gibt Punkte, in denen eine immer größere Anzahl von geistigen Denkern übereinstimmen. Sie zeigen die Universalität der Wahrheit auf, die diejenigen vereint, die eine tiefere Dimension des Heilens suchen.
Der zweite Teil dieses Interviews erscheint nächsten Monat im Herold. Dr. Reed berichtet darin von mehreren geistigen Heilungen. Er spricht über verschiedene Organisationen, die mit christlichem Heilen verbunden sind, und über seine Vorstellungen von der Zukunft dieser Denkrichtung.
