Es ist kein Vergnügen, außen vor zu stehen. Es macht keinen Spaß, ausgeschlossen zu sein — von einem Klub, einer Party oder einfach nur von einer Unterhaltung. Ein Freund von mir sagt, eine seiner lebhaftesten Kindheitserinnerungen sei, wie er einfach übergangen wurde — in einem Auto voller Kinder, während seine Tante allein einkaufen ging. Noch heute, vierzig Jahre später, fühlt er, wenn er daran denkt, etwas von dem Zorn, der ihn damals erfüllte.
Anscheinend empfinden viele Menschen so wie mein Freund. Vielleicht ist das der Grund, warum heutzutage so viel davon die Rede ist, dass wir durch unsere Worte und unser Verhalten anderen gegenüber niemanden ausgrenzen sollten. Eine Sprache, die alle einschließt, würde zum Beispiel bedeuten, dass niemand als Außenseiter gebrandmarkt wird — aus welchen Gründen auch immer: ob wegen seiner Rasse oder Nationalität, seines Alters oder Geschlechts, seiner Religion, seiner wirtschaftlichen Verhältnisse oder wegen irgendeiner anderen menschlichen Klassifizierung.
Doch manchmal ist es gar nicht so einfach, daran zu denken, dass man alle einschließt. Wenn Sie und ich zum Beispiel Installateure wären (oder auch Programmierer oder Bibelgelehrte), dann könnte es leicht passieren, dass wir so damit beschäftigt sind, miteinander in unserer Fachsprache zu reden, dass wir im Beisein anderer Leute einfach vergessen, eine Sprache zu sprechen. die alle einschließt, das heißt von allen verstanden wird. Dann wären wir vielleicht so intensiv damit beschäftigt, über „Muffen“ und „Dübel“ und „Leckagen“ zu sprechen, dass wir gar nicht merkten, dass manche Zuhörer nicht die geringste Ahnung haben, wovon wir reden. Wir würden dann, ohne dass wir es eigentlich wollten, eine exklusive Sprache sprechen. Eine Sprache, durch die sich andere Menschen ausgeschlossen fühlen können.
Eine der radikalsten Botschaften, die Jesus Christus der Menschheit brachte, hat mit der Einbeziehung aller zu tun. Er sagte, dass es einfach nicht funktioniert, nur ein paar Leute zu lieben und andere zu hassen — einige in unsere Zuneigung einzuschließen und andere nicht. Liebe ist nicht wirklich Liebe, wenn sie nicht jedermann gilt.
Und warum schließt wahre Liebe alle ein? Weil Gottes Liebe allumfasend ist. Sie ist nicht nur für Sie da und nicht nur für mich. Sie ist für alle da. Gott „lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute“, erklärte Jesus, „und lässt über Gerechte und Ungerechte.“ Siehe Mt 5:43–48.Gottes Liebe ist „vollkommen“: nahtlos, fehlerlos, unwandelbar, endlos. Und so sollte auch unsere Liebe sein, denn wir sind Seine Kinder.1
Wie Jesus sagte, ist Gottes Liebe für Freunde, Feinde, einfach jedermann da. Sie gilt Kindern, Frauen und Männern. Sie gilt Menschen, die chinesisch sprechen oder Navajo oder arabisch oder italienisch oder serbisch oder deutsch oder russisch oder englisch oder griechisch oder Zulu oder portugiesisch oder japanisch oder irgendeine andere Sprache. Sie ist für das ganze Universum da — ohne Ausnahme.
Gott sieht nicht das materielle Bild von guten und schlechten Menschen und Er sieht keine Menschen, die in Geschlechter, Altersgruppen oder Nationalitäten eingeteilt sind. Das alles sind nur oberflächliche — sterbliche — Merkmale. Sie verschwinden aus unserem Blickfeld, wenn wir einmal die Wirklichkeit genau ins Visier fassen — die wahren, geistigen Tatsachen. Tatsachen wie die, dass Gott Geist und durch gut ist. Dass wir, die Kinder Gottes, Sein Gleichnis und somit geistig und durch und durch gut sind. Dass eine Beschreibung von uns, die unsere geistige und vollständig gute Natur nicht in Betracht zieht, von Grund auf falsch ist.
Eine alle einschließende Liebe — eine gottgleiche liebe — schaut also einzig und allein auf diese geistigen Tatschen über Sie und mich und jedermann. Sie leuchtet über allen Kindern Gottes und übersieht keines. Und Gebet, das alle einschließt? Es tut das gleiche, denn Gebet ist unsere Art und Weise, auf die Universalität der göttlichen Liebe einzugehen. Gebet führt uns dazu, alle Kinder Gottes zu lieben. Und Gebet öffnet uns für die heilende Macht der Liebe Gottes, die unser ganzes Leben in Licht badet.
Mary Baker Eddy schrieb einmal über Gebet: „Wahrhaft beten heißt nicht Gott um Liebe bitten, es heißt lieben lernen und die ganze Menschheit in eine Liebe einschließen. Durch das Gebet machen wir uns die Liebe zunutze, mit der Er uns liebt.“ Nein und Ja, S. 39.
Ist ein solches überbrückendes, allumfassendes Gebet nicht zu vage, um uns helfen zu können, wenn wir in Not sind? Überhaupt nicht. Natürlich ist es nicht falsch, wenn Sie gezielt für sich selbest und andere beten. Aber je weitreichender und selbstloser Ihre Gebete sind, desto mehr flutet ihre Kraft zu Ihnen zurück und segnet Sie. Es schließt Sie in die gleiche Liebe ein, die Sie in Ihrem Herzen verherrlichen. Und es heilt Sie.
Eines Morgens hoffte Anni auf eine stille „Gebetssitzung“ mit Gott. Doch kaum saß sie auf dem Sofa, da stand ein Mann vor der Tür.
Eine Freundin von mir — nennen wir sie Anni — ist überzeugt davon, dass Gebet ein „Nach-außen-Wenden" ist. Und das hat sie auf folgende Weise gelernt: Ihr war vom Arzt gesagt worden, sie habe Osteoporose und sei für den Rest ihres Lebens auf Medikamente angewiesen. Die Schmerzen waren so stark, dass sie nicht arbeiten konnte. Aber da sie als Christliche Wissenschaftlerin erzogen worden war, wollte sie dies alles nicht hinnehmen. Es schien ihr ein zu grausames Urteil zu sein. So hörte sie auf Schmerzmittel einzunehmen und bat eine Christian Science Praktikerin mit ihr zu beten.
Anni und die Praktikerin dachten mehrere Wochen lang über Annis unverfälschte Geistigkeit nach. Sie erkannten, dass Schmerz und Krankheit, vom logischen Standpunkt aus betrachtet, unmöglich in ihr reines, gottgleiches Sein eindringen konnten. Anni begann das Christian Science Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heilgen Schrift von Mary Baker Eddy von Anfang bis Ende durchzulesen — pro Tag zehn Seiten.
Mehr und mehr vertraute sie darauf, dass sie geheilt werden würde. Es gab sogar Zeiten — manchmal über Stunden hinweg —, wo sie sich großartig fühlte. Aber die Schmerzen kamen wieder. Und sie meinte, sie müsse einfach mehr Zeit für sich haben — für das Alleinsein in stillem, ununterbrochenem Gebet.
Eines Morgens, als die Kinder in der Schule waren, machte sie es sich gemütlich und hoffte auf eine wundervolle stille „Gebetssitzung" mit Gott. Doch kaum saß sie auf dem Sofa, da stand ein Mann, der in ihrer Straße wohnte, vor der Tür. Ihm war gerade mitgeteilt worden, er habe eine tödliche Krankheit — und nun wollte er mit Anni über Gott sprechen. Und so erzählte sie ihm während der nächsten zwei Stunden von dem, was sie aus der Bibel und aus Wissenschaft und Gesundheit gelernt hatte. Als er ging, war er von neuem Mut und neuer Hoffnung erfüllt.
„Endlich!" dachte Anni. „Nun kann ich anfangen zu beten. "Aber es waren noch keine zehn Minuten vergangen, als wieder jemand aus der Nachbarschaft — diesmal eine Frau mit Familienproblemen — an die Tür klopfte. Und so konzentrierte sich Anni nun ganz darauf, ihr zu helfen. Den Rest des Vormittags sprachen sie darüber, dass es — mit Gott — immer einen Weg gibt, auf dem es vorangeht. Immer sind Gottes Trost und Seine Liebe bei uns.
Endlich — es war schon Mittag — war Anni allein. Und da wurde ihr bewusst, dass sie geheilt war. Während all dem, was an diesem Morgen in ihrem Wohnzimmer geschehen war, war sie geheilt worden. Zuerst schien ihr das einfach unverständlich. Sie hatte ja nicht einmal Zeit zum Beten gehabt!
Aber dann reimte sie sich alles zusammen. Wahrscheinlich hatte sie eben doch gebetet. Vielleicht hatte Gebet viel mehr damit zu tun, dass wir etwas für andere tun, als dass wir still auf unserem Stuhl sitzen und meditieren. Es hatte vielleicht mehr mit einem „Nachaußen-Wenden" zu tun als mit einem „Nach-innen-Wenden". Vielleicht beten wir dann am besten, wenn wir nichts inniger wünschen, als anderen helfen zu können, ja wenn uns das so sehr ein Bedürfnis ist, dass wir alles andere stehen und liegen lassen, um jemandem die Tatsachen des wahren Lebens nahezubringen, und zwar so, dass der andere — und man selber — sich völlig in Gottes Liebe eingehüllt fühlen.
Die Praktikerin stimmte Anni da völlig zu. Gemeinsam erinnerten sie sich an das, was Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit über Gebet sagt: „Alle Gebete lassen sich durch die Antwort auf folgende Fragen überprüfen: Lieben wir unseren Nächsten mehr durch diese Bitte? Gehen wir der alten Selbstsucht nach, zufrieden, dass wir um etwas Besseres gebetet haben, obwohl wir keinen Beweis für die Aufrichtigkeit unserer Bitten liefern, indem wir in Übereinstimmung mit unserem Gebet leben?"Wissenschaft und Gesundheit, S.9.
Solche Fragen — darüber waren sich beide einig — sind eine offene Einladung zu einem Gebet, das GOTT- orientiert, nicht ich-orientiert ist. Zu einem Gebet, das alle einschließt. Einem Gebet, das heilt.
