Stellen Sie sich Folgendes vor: eine alleinstehende Frau mit einer aktiven Karriere als Vertreterin internationaler Klienten, die von ihr verlangt, dass sie in die verschiedensten Städte und Länder reist. Sie kocht, wenn überhaupt, nur für eine Person. Sie bringt ihre Kleidung in die Reinigung und braucht nicht mehr als eine Stunde, um ihre Zwei-ZimmerWohnung zu putzen. Stellen Sie nun dieselbe Frau in eine fertige Familie mit drei Kindern, wo sie für fünf Personen kocht, ganze Tage mit der Wäsche verbringt und Kinder zur Schule und zu verschiedenen anderen Veranstaltungen kutschiert.
Ich wollte nie Mutter werden. Als ich einen Mann mit drei Kindern heiratete. war es mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass die Kinder tatsächlich ganz bei uns leben könnten. Ja. das hatte sich erst nach und nach so ergeben. In den ersten drei Jahren unserer Ehe hatten wir die Kinder jedes zweite Wochenende. Dann zog eines nach dem anderen ganz zu uns. Und mit ihnen kamen haufenweise neue Gelegenheiten, in Gnade zu wachsen.
Vor allem aber fühlte ich mich veranlasst, näher zu untersuchen, was Mutterschaft eigentlich alles beinhaltet. Mir war klar, dass es dabei weniger um das Gebären eines Kindes geht als um die Rolle, die man im Leben eines Kindes spielt. Nicht selten entsteht heute eine Familie durch die Verschmelzung von zwei Familien oder durch die Adoption von Kindern, die einen festen Familienverband brauchen. Diese Kinder können manchmal verschiedener ethnischer oder nationaler Herkunft sein oder aus anderen Ländern kommen.
Als ich meine neue Rolle in Angriff nahm, spürte ich, dass ich Anleitung brauchte, um zu wissen, wie ich am besten vorgehen sollte. Doch anstatt in den Buchhandlungen nach den neuesten Wälzern zum Thema Kindererziehung zu stöbern, forschte ich in der Bibel und in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy. Das tat ich deshalb, weil mir klar geworden war, dass ich erst einmal über die Schöpfung selbst nachdenken musste, wenn ich ein echtes Verständnis von Muttersein erlangen wollte. Die fundamentalen Fragen hängen mit dem Wesen unseres Ursprungs zusammen. Sind wir zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffen, und daher geistig, wie es im ersten Kapitel der Genesis steht? Oder sind wir aus Erde gemacht, von der Rippe eines Mannes genommen oder aus dem Schoß einer Frau geboren, wie die Gechichte von Adam und Eva s glauben macht?
Wenn wir verstehen, ss wir tatsächlich zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind, dann ist klar, dass unsere Substanz geistig und Gott unsere Mutter ist. Nicht wir sind Mutter, sondern Gott als Schöpfer von allem ist die einzige Mutter. Und es ist Ihre — der Mutter — Aufgabe, für die Ihren zu sorgen — sicherzustellen, dass sie bis in alle Ewigkeit genährt und gestärkt werden.
Es stellt sich natürlich die Frage, was unsere Rolle bei der Erziehung der eigenen oder eines anderen Kinder ist. Wir tragen zweifellos eine Verantwortung. Doch Gehorsam gegen Gott ist er forderlich, wenn wir diese Verantwortung möglichst gut erfüllen wollen. In Wissenschaft und Gesundheit heißt es: „Mann und Frau, die zugleich mit Gott bestehen und mit Ihm ewig sind, spiegeln für immer in verherrlichter Qualität den unendlichen Vater-Mutter Gott wider". Wissenschaft und Gesundheit, S. 516. Wir besitzen die Qualitäten einer Mutter durch Widerspiegelung. Unsere Rolle besteht darin, der Ausdruck gottgegebener mütterlicher Eigenschaften zu sein.
Nicht wir sind Mutter, sondern Gott als Schöpfer von allem ist die einzige Mutter. Und es ist Ihre — der Mutter — Aufgabe, für die Ihren zu sorgen, sicherzustellen, dass sie gestärkt werden.
Wenn ich die Seligpreisungen lese, die Christus Jesus uns gegeben hat, beeindruckt mich immer wieder der Gedanke, dass wir als Lohn für unser Bestreben, gerecht und barmherzig zu sein, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit erlangen. Das ist etwas, was mir bei der Erziehung meiner Stiefkinder immer wieder durch den Kopf ging. Mein Lohn bestand darin, dass ich mit Gott in Einklang war, und wusste, dass ich Seine Arbeit tat; der Lohn bestand nicht in irgendeinem Dank, den ich von den Kindern dafür erhielt. Viele Male wurden auf diese Weise verletzte Gefühle geheilt, wenn die Kinder zum Beispiel davon sprachen, dass sie ihre Eltern wieder vereint sehen wollten, oder wenn sie beim Beschenken zu Weihnachten mich vergaßen. Es war klar, dass das, was ich tat, zur Verherrlichung des Mutter-Gottes und nicht für mich selbst geschah.
Schon Jahre bevor ich Stiefmutter wurde, hatte ich es für wichtig gehalten, mir mütterliche Eigenschaften zu vergegenwärtigen, obwohl ich nicht glaubte, dass es nötig sei, ein Kind zur Welt zu bringen. Die Worte aus Wissenschaft und Gesundheit „Was wir am dringendsten brauchen, ist das Gebet innigen Verlangens nach Wachstum in Gnade, das sich in Geduld, Sanftmut, Liebe und guten Werken ausdrückt" Ebd., S. 4. wiesen mich auf die Notwendigkeit hin, diese Eigenschaften in mir zu entwickeln. Jeder will gerne mütterliche Eigenschaften von anderen spüren, und so ist es auch ganz natürlich für uns, sie zum Ausdruck zu bringen. Man könnte sagen, dadurch, dass ich mich in meinen geistigen Mutterfähigkeiten übte, brachte ich meine Göttlichkeit zum Ausdruck. Es hätte mich nicht überraschen sollen, dass ich mich in einer Situation wiederfand, wo ich von diesen Eigenschaften Gebrauch machen konnte.
Ein Erlebnis betraf mein jüngstes Stiefkind. Kurz nachdem er zu uns gezogen war, kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen usn beiden. Einerseits hatte er bewusst die Entscheidung getroffen zu uns zu ziehen, um sich besser entfalten zu können. Andererseits wollte er las junger Teenager ständig mit dem Kopf durch die Wand. Ich war seinetwegen häufig in Tränen aufgelöst und begann es ihm übelzunehmen.
Eines Tages erhielt ich einen Anruf von der Schule, dass er von einer Biene gestochen worden sei. Sein Arm war so stark angeschwollen, dass er doppelt so dick war wie normal, und das Personal in der Schule war sehr besorgt. Mir war sofort klar, dass über die verschiedenen Elemente im Zusammenhang mit Reaktionen gebetet werden musste. Wir hatten beide sehr heftig auf den Dickkopf des anderen reagiert. Meine Rolle als Gottes — der Mutter — Widerspiegelung hatte ich dabei aus den Augen verloren.
Ich holte ihn von der Schule ab, wobei ich die ganze Zeit daran festhielt, dass es nur ein unendliches Gemüt, nämlich Gott, gibt und somit keinen Raum für gegeneinander ankämpfende Gemüter. Reaktionen setzen zwei verschiedene Standpunkte, zwei Gemüter, voraus und konnten daher keine Wirklichkeit haben. In Wissenschaft und Gesundheit wird erklärt: „Ein unter dem Einfluss des sterblichen Gemüts stehender Patient wird nur geheilt, wenn der Einfluss dieses Gemüts entfernt wird, indem sein Denken von falschen Reizen und Reaktionen der Willenskraft befreit und mit den göttlichen Energien der Wahrheit gefüllt wird." Ebd., S. 185. Und genau das geschah!
Als wir den falschen Einfluss von Reaktionen entfernten und ihn durch Liebe und Wertschätzung für das göttliche Gute ersetzten, das jedem von uns innewohnt, ging die Schwellung seines Arms zurück und wir entdeckten die Freuden einer harmonischen Beziehung. Um zu veranschaulichen, wie weit wir es gebracht haben: Dieser junge Mann musste im College einen Aufsatz schreiben über eine Person, die einen positiven Einfluss auf sein Leben gehabt hat. Er entschied sich über seine Stiefmutter zu schreiben.
Im Deutschen wird eine Frau, die die Kinder ihres Mannes versorgt, Stiefmutter genannt. Dieser Ausdruck hat seinen Ursprung in schmerzlichem Verlust und weist auf eine durch Trauer und Trennung gekennzeichnete Beziehung hin. Die Franzosen nennen sie belle-mère oder schöne Mutter. Ist das nicht ein freundlicheres Wort für eine Frau, die sich entschließt, Mutter-Eigenschaften gegenüber Kindern zum Ausdruck zu bringen, die nicht ihre eigenen sind?
Anmerkung der Redaktion:
Bei Artikeln, die einen Heilungsbericht enthalten, verlangen wir gewöhnlich eine Beglaubigung von den beteiligten Personen. In diesem Fall hat uns der Beglaubigungsbrief so berührt, dass wir ihn unserern Lesern nicht vorenthalten wollten. Mit Erlaubnis des Verfassers veröffentlichen wir ihn hier in gekürzter Form.
3. Juli 1997
Ich habe den Artikel „Belle mère oder schöne Mutter" von Colleen Feldmann Douglass gelesen und kann die Richtigkeit des Inhalts bestätigen. ...
Besonders hervorheben möchte ich, dass die Heilung ausschließlich auf das zurückzuführen ist, was nach meinem Dafürhalten Colleens außerordentliches Verständnis der von Mary Baker Eddy in Wissenschaft und Gesundheit dargelegten Christian Science ist. Colleen hat mir unzählige Male in irgendeiner Bedrängnis geholfen und hat mit dazu beigetragen mich zu dem zu machen, was ich heute bin.
Colleen ist immer eine der größten Quellen meiner Inspiration gewesen und verkörpert für mich das grenzenlose Wesen von Mutterschaft wie auch von Christian Science. Sie ist in der Tat eine „schöne Mutter"!
Mit freundlichen Grüßen