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Die neue Frau — und der neue Mann

Aus der Juli 1998-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


„Gott hat mir eine Tür geöffnet", sagt Liz Lopez Spence. Als Pastorin der zweitgrößten Methodistenkirche in Minnesota, USA, gehört Spence zu einem kleinen Prozentsatz von Frauen, die die höchsten Ränge im geistlichen Amt erreicht haben. Sie hat damit bewiesen, dass es in der Tat möglich ist, die unsichtbare Barriere zu durchbrechen, die die Frauen lange davon abgehalten hat, ihren Kirchen in leitenden Positionen zu dienen. Lori Sharn, „Clergy still tough career for women", USA TODAY, 9. Juli 1997, S. 1A.

Im letzten Jahrzehnt haben Frauen in nie dagewesener Anzahl das geistliche Amt angetreten. Etwa ein Drittel aller Teilnehmer von Predigerseminaren in den Vereinigten Staaten und Kanada sind Frauen. 1972 waren es noch 10 Prozent. In San Francisco und Umgebung sind in sechs von insgesamt elf Predigerseminaren die weiblichen Teilnehmer sogar in der Mehrzahl. Wenn man dann noch bedenkt, dass die überwältigende Mehrheit der Kirchgänger in aller Welt Frauen sind, stellt man einen bedeutsamen Wandel fest — einen Trend, der oft als „Feminisierung" der Religion bezeichnet wird.

Doch vielleicht ist in der Religion etwas Größeres — ja viel Größeres — am Werk. Vielleicht kristallisiert sich hier in Wirklichkeit ein neuer Gottesbegriff in der Öffentlichkeit heraus. Ein Begriff, der über das traditionelle Bild von Gott als einer männlichen Vaterfigur hinausgeht. Ein erweiterter Begriff, der über materielle Grenzen irgendwelcher Art, darunter des Geschlechts, hinausreicht.

Zu Beginn dieses Jahrzehnts haben John Naisbitt und Patricia Aburdene, die Autoren von Megatrends 2000, genau diesen Trend für die neunziger Jahre erkannt. Sie sagten voraus, dass die patriarchalischen Begriffe von Gott als einem nur männlichen Wesen in Frage gestellt werden würden. Und dass man eine viel größere Frage stellen würde: „Warum. .. sollte man von Gott dem Vater sprechen und nicht auch die Gottheit als Mutter anerkennen?" Megatrends 2000 (New York: William Morrow and Co., 1990), S. 273.

Natürlich sind wir, die wir an der Schwelle zum 21. Jahrhundert stehen, nicht die Ersten, die intuitiv um die Mutterschaft Gottes wissen. Vor gut 2500 Jahren schilderte der Prophet Jesaja einen Gott, der zu seinem Volk sagte: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet." Jes 66:13.

Noch zählen wir zu den Ersten, die glauben, dass Frauen und Männer in den Augen Gottes gleich sind. Die Begründer der großen Weltreligionen — Judaismus, Christentum, Islam und Buddhismus haben auch alle ein natürliches Gespür für diese Tatsache gehabt. Ihre Anhänger allerdings verloren im Laufe der Jahrhunderte diese frühe Vision manchmal aus dem Blick.

Jesu Frauenbild

Jesus Christus, der Begründer des Christentums, hat die Frauen, mit denen er Umgang hatte, so egalitär behandelt, dass ein moderner Gelehrter ihn in dieser Hinsicht „revolutionär" nennt. Entgegen einer jahrhundertealten Tradition unterhielt sich Jesus in aller Öffentlichkeit mit Frauen, lehrte sie, heilte sie, schützte sie vor Misshandlung und drängte die Männer, sie zu respektieren. Frauen waren unter seinen engsten Nachfolgern. Sie blieben während der Kreuzigung an seiner Seite. Und sie waren die Ersten, die ihn nach seiner Auferstehung erkannten.Oxford Companion to the Bible (New York: Oxford University Press. 1995), S. 807.

Wandte sich Jesus bei alledem nicht an die geistigen Ideen aus dem ersten Kapitel der Bibel, wo Gott Mann und Frau zugleich und gleich geschaffen hat? „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde", heißt es in der alten hebräischen Schrift, „zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib." 1. Mose 1:27. Nach dieser Auffassung drückt weder das Männliche noch das Weibliche allein das gesamte Wesen Gottes aus. Die Vollständigkeit der männlichen und weiblichen Eigenschaften zusammen: das ist es, was Gottes Bild ausmacht. Ein einzelner Ausdruck Gottes konkurriert dabei mit keinem anderen und stellt keinen anderen in den Schatten. Zusammen strahlen das Männliche und das Weibliche der Schöpfung Gottes das ganze Spektrum der „Farben" oder schönen Eigenschaften Gottes aus. Zusammen spiegeln sie die reine geistige Vaterund Mutterschaft Gottes wider.

Jeder spiegelt die volle Bandbreite maskuliner und femininer Eigenschaften unseres göttlichen Vater-Mutter wider.

Zwar wird in der allegorischen Darstellung, die auf den nächsten Seiten der Bibel folgt, ein ganz anderes Bild von Mann und Frau gezeigt. Und es existieren auch verschiedene hebräische Wörter (isch und ischah), um diese Auffassung von Mann und Frau als voneinander abhängige, sterbliche Partner zum Ausdruck zu bringen, deren naturbedingte Schwächen sie in ständige Schwierigkeiten bringen. Die Geschichte endet damit, dass die beiden grausam bestraft werden von einem auschließlich männlichen Gott, der der Frau erklärt, dass ihr Mann ab jetzt ihr „Herr“ 6 sei.

Doch Jesus hat diesem traurigen Erbe von Unterwerfung und Dominierung des einen Geschlechts durch das andere eine Absage erteilt. Er verkörperte — bei seiner barmherzigen Heiltätigkeit — die höchsten Eigenschaften von Mann und Frau.

Die frühe christliche Kirche führte Jesu Tätigkeit in der gleichen Richtung weiter, wobei Männer und Frauen Seite an Seite miteinander arbeiteten. Sie beteten, lehrten, predigten, dienten ihren Mitmenschen, gründeten Gemeinden, ja gerieten manchmal sogar in Gefangenschaft — und das alles gemeinsam. Erst in späteren Jahrhunderten ging die Gleichstellung von Mann und Frau verloren zusammen mit anderen Elementen des ursprünglichen Christentums wie dem christlichen Heilen.

Ein neues Gottesbild — und Frauenbild

Mary Baker Eddy — aufgewachsen in einer Kultur des 19. Jahrhunderts, wo Frauen weder Eigentum besitzen noch wählen konnten — war die Erste, die eine klare und vollentwickelte Alternative zur patriarchalischen Theologie darlegte. Für sie war Gottes heilende Liebe am besten durch das Männliche und das Weibliche verständlich. „Vater-Mutter ist der Name für die Gottheit“, schrieb sie in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, „der auf Sein zärtliches Verhältnis zu Seiner geistigen Schöpfung hinweist.“ 1. Mose 3:16.

Im Laufe der vergangenen hundert Jahre haben ihre Schriften Pionierarbeit geleistet für die weitgehende Anerkennung von Gott als Vater-Mutter. Dieser Gottesbegriff hat weitreichende Wirkungen auf die Gesellschaft gehabt. Er hat den Männern und Frauen in aller Welt die erstaunliche Bandbreite von Gottes Charakter nahegebracht: Seine/Ihre Vaterund Mutterliebe, Macht und Zartheit, Intelligenz und Kreativität, ehemännliche und ehefrauliche Zuneigung, heilende und erlösende Tätigkeit.

Das Wissen um Gottes Vater- und Mutterschaft hilft jedem von uns — Männern und Frauen — zu verstehen, wer wir wirklich sind. Es hilft uns zu erkennen, wie natürlich es für jeden von uns ist, die volle Bandbreite maskuliner und femininer Eigenschaften unseres göttlichen Vater-Mutter widerzuspiegeln. Es gibt Männern die Freiheit, traditionell „weibliche“ Eigenschaften wie Sensibilität, Zärtlichkeit, Flexibilität, Liebenswürdigkeit, mütterliche Zuneigung auszudrücken. Und es gibt Frauen die Freiheit, traditionell „männliche“ Eigenschaften wie mentale Widerstandsfähigkeit, Ausdauer, gedankliche Klarheit, Mut, noble Gesinnung zum Ausdruck bringen.

Das Verständnis der geistigen Natur von Mann und Frau, die Gott geschaffen hat, bewahrt uns vor den unerfreulichen Aspekten sterblichen Mannund Frauseins. Denn Gottes Männlichkeit und Weiblichkeit hat ja keine unerquicklichen Aspekte. Seine Männlichkeit hat keine gefühllose oder dominierende Seite und Ihre Weiblicheit hat keine überempfindliche oder schwache Seite. Und da sich unsere wahre, geistige Männlichkeit/Weiblichkeit von Gott herleitet, können auch wir nicht unter diesen negativen Aspekten leiden.

Die Vaterschaft und Mutterschaft Gottes kämpfen niemals gegeneinander an. Sie sind, wie es in Wissenschaft und Gesundheit heißt, „all-harmonishce" Wissenschaft und Gesundheit, S. 332. Facetten des einen Gottes. Daher können sich die echten maskulinen und femininen Elemente in der Gesellschaft, in unserer Familie oder auch in uns selber gar nicht wirklich bekämpfen. Indem sie Gott ausdrücken, wirken sie in Frieden und zum Segen der ganzen menschlichen Familie zusammen.

Der Begriff von Gottes Vater- und Mutterschaft in Christian Science, der in der Welt seit über einem Jahrhundert still am Wirken ist, hat zu gewaltigen Veränderungen beigetragen. Die Frauen haben jetzt in vielen Ländern das Wahlrecht und können Eigentum besitzen. Sie arbeiten erfolgreich in Berufen, die früher nur für Männer zugänglich waren — das geistliche Amt eingeschlossen. Und die volle Gleichheit der Geschlechter, für die Christian Science schon immer eingetreten ist, wird jetzt von vielen als ein erreichbares menschliches Ziel angesehen.

Doch am wichtigsten ist, dass der Begriff Vater-Mutter Tausenden — vielleicht sogar Millionen — von Menschen geholfen hat Gott besser zu verstehen. Menschen wie mein Freund Michael, der nie auf Gott vertraut hatte, bis er Ihn als Vater-Mutter kennen und lieben lernte. Und wie Kathryn, die sich von ihren männlichen Arbeitskollegen eingeschüchtert fühlte, bis sie verstehen lernte, dass diese Kollegen — und sie selber — die Kraft und die Sanftmut, den Mut und die Fürsorglichkeit ihres Vater-Mutter Gottes zum Ausdruck bringen. Und wie unzählige andere Männer und Frauen, darunter Pastorin Liz Spence, die ein ganz neues Gefühl von Männlichkeit und Weiblichkeit erlangt haben, dadurch, dass sie unserem Vater-Mutter Gott näher gekommen sind.

Und so muss es immer weiter gehen. Jeden Tag muss der sich erweiternde Gottesbegriff der Zivilisation uns weiter voranführen durch die Tür, die Er für jeden von uns offen hält. Hin zu völliger Emanzipation für Männer und Frauen. Zum neuen Mann und zur neuen Frau. Zu Möglichkeiten, von denen wir noch nicht einmal geträumt haben!

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